Transformation der Industrie : Industrie vs. Klimapolitik: WKÖ warnt vor Stillstand und fordert radikale Reformen
Die Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zeichnet derzeit ein pessimistisches Bild der Lage. "Der Industrie geht es nach wie vor schlecht, es gibt keine Anzeichen für die Erholung, in allen Fachverbänden", sagte Geschäftsführer Andreas Mörk am Mittwoch bei einem Pressegespräch. Besonders beunruhigend ist die geringe Investitionstätigkeit, vor allem im Baugewerbe sowie bei Maschinen und Anlagen. Dabei wird die nationale und europäische Klimapolitik als wesentlicher Hemmfaktor angesehen.
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Robert Schmid, Umweltsprecher der Bundessparte Industrie und Geschäftsführer des niederösterreichischen Baustoffherstellers Baumit, beklagte die wachsende Komplexität und den Anstieg der Regulierungen, die das liberale Wirtschaften erschweren: "Wir unterliegen einem Bombardement an Komplexität und an Angriffen, das das liberale Wirtschaften behindert." Insbesondere die Themen Energie und Klima würden es der Industrie "unnötig schwer" machen. Schmid betonte weiter: "Eine hundertprozentige Dekarbonisierung der Industrie ist aus heutiger Sicht nicht möglich."
EU-ETS sind "spekulatives Instrument"
Angesichts dieser Herausforderungen fordert die Bundessparte Industrie eine Überprüfung der nationalen CO2-Steuer sowie des europäischen Emissionshandels (EU-ETS). Schmid bezeichnete das EU-ETS als "spekulatives Instrument", das sowohl hohe Kosten als auch außergewöhnliche Gewinne für Unternehmen nach sich ziehen könne, und fügte hinzu: "Und: es bringt nichts" in Bezug auf die Emissionsreduktion.
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Trotz dieser Kritik empfahl die OECD Österreich in einem aktuellen Länderbericht, den nationalen CO2-Preis schneller anzuheben, um das Niveau des europäischen Emissionshandels zu erreichen. Während 2023 der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 im EU-ETS zwischen 80 und 100 Euro lag, betrug der nationale CO2-Preis 32,50 Euro und soll bis 2025 auf 55 Euro steigen. In der Vergangenheit wurde der europäische Emissionshandel wegen seines niedrigen Preises und des fehlenden Lenkungseffekts kritisiert.
Die Umweltschutzorganisation WWF warf den Industrievertretern in einer Stellungnahme eine "zukunftsvergessene und mutlose Einstellung" vor. "Anstatt das Thema offensiv anzugehen, verharrt die Wirtschaftskammer im alten fossilen Denken", so Klimasprecher Reinhard Uhrig. Das "Schlechtreden der CO2-Bepreisung" sei "völlig unverständlich und zugleich faktenwidrig". Auch die Grünen positionierten sich klar: Eine "Industrie ohne negative Auswirkungen" sei möglich, und die Industriebranche sei "schon Lichtjahre" weiter als ihre Kammer, so Jakob Schwarz, Sprecher für Budget und Steuern.
Scharfe Kritik am Nationalen Energie- und Klimaplan der Bundesregierung
Zusätzlich äußerten Branchenvertreter scharfe Kritik am Nationalen Energie- und Klimaplan der Bundesregierung (NEKP), der kürzlich vorgestellt wurde. Die darin enthaltenen Maßnahmen würden die Wirtschaft und Industrie schwächen, und die Vertreter der Branche seien in die Ausarbeitung der finalen Version nicht einbezogen worden.
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Für Exporte in Märkte außerhalb der EU fordert die Bundessparte Industrie eine Rückerstattung der CO2-Kosten, die durch den Emissionshandel und die CO2-Steuer entstehen, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller gegenüber Konkurrenten zu sichern, die nicht mit CO2-Bepreisungen konfrontiert sind.
Ein weiteres Problemfeld für die Industrie ist die zukünftige Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff, einem zentralen Element der Dekarbonisierung. "Uns fehlt der Glaube, dass es hier rechtzeitig die Kapazitäten geben wird, die wir brauchen. In der Umsetzung passiert in Österreich praktisch nichts", so Mörk. Darüber hinaus sieht er Herausforderungen im Bereich der Rohstoffversorgung: "Der Net Zero Industry Act ist an sich ein gut konstruierter Deal auf EU-Ebene", sagte Mörk, kritisierte jedoch erneut die übermäßige Bürokratie und verwies auf Zielkonflikte zwischen Naturschutzmaßnahmen und der Rohstoffgewinnung, etwa bei Lithium.
"Wir brauchen konkrete Ziele, wir brauchen konkrete Maßnahmen", betonte Mörk abschließend. Er hob die Bedeutung des Ausbaus von Netz- und Infrastruktur für Strom und Wasserstoff hervor und forderte Planungssicherheit, auch in Bezug auf die Gasversorgung ab Januar 2025. Schmid äußerte den Wunsch, dass in der nächsten Bundesregierung die Ministerien für Energie und Klima getrennt werden: "Die überlebensnotwendige Energie wird ständig von dem auch sehr wichtigen Thema Klima überdeckt."