Interview : Eva Schinkinger: „Ein agiles System ist essenziell“

Eva Schinkinger, CEO von österreichischem Kabelhersteller Gebauer&Griller, im Portrait

"Die Vision für die Zukunft immer wieder in unterschiedlichen Formen vermitteln"

G&G CEO Eva Schinkinger

- © businessfoto.wien Lars Ternes

Eva Schinkinger, CEO der Gebauer & Griller Kabelwerke, ist einer der 125 wichtigsten Managerinnen der österreichischen Industrie.


INDUSTRIEMAGAZIN: Frau Schinkinger, holen wir gleich mit der ersten Frage weit aus. Wie sind Sie dahin gekommen, wo Sie jetzt sind?

Eva Schinkinger: Ich habe Herausforderungen immer gerne angenommen und mich auf Unbekanntes und Neues eingelassen. Während meiner technischen Grundausbildung an der HTL und auch beim späteren Studium mit Schwerpunkt Finance habe ich mich nicht beirren lassen, sondern die Dinge, die ich begonnen habe, konsequent verfolgt und durchgezogen. So hat sich auch mein Weg bei Gebauer & Griller vom Start im Finanzbereich bis hin zum CFO und jetzt CEO entwickelt. Ein wesentlicher Einflussfaktor auf diesem Weg war es sicherlich, einen Mentor oder eine Mentorin zu finden, von ihnen zu lernen und später auch selbst Mentorin zu sein, also die Fackel weiterzugeben. Darüber hinaus muss man Chancen die sich ergeben einfach sehen, den Mut haben, sie auch zu ergreifen und dann mit großem Einsatz zu arbeiten. Dabei darf man aber niemals vergessen, das Leben zu leben, es gibt nämlich nur eines. (zwinkert)

„Je ne regrette rien“ also?


Schinkinger: Ich bin sehr zufrieden mit meinem bisherigen Weg. Ich halte viel davon, das eigene Verhalten und auch seine Grenzen und vermeintliche Schwächen immer wieder zu reflektieren, aus nicht so tollen Erfahrungen zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Dadurch wird jede Erfahrung, egal ob sie unmittelbar positiv oder negativ empfunden wird, mit Sinn aufgeladen und hat einen positiven Impact auf die Zukunft.

Kommen wir zu einem anderen Impact – Ihrem auf das Unternehmen. Worauf setzen Sie?


Schinkinger:
Auf ein starkes Miteinander und flache Hierarchien, die es ausdrücklich allen Ebenen und Bereichen erlauben, das große Ganze mitzugestalten. Aber auch auf ein starkes Verantwortungsgefühl sowohl den Mitarbeitern, als auch den Eigentümern gegenüber, die dieses Verantwortungsgefühl ihrerseits auch in Richtung der Mitarbeiter spüren. Klare Zielvorgaben und ein sehr hoher Qualitätsanspruch, den ich zu allererst und täglich an mich selbst stelle – all das sind Erfolgsfaktoren in der Unternehmensführung, die sich sicherlich in meiner Grundeinstellung spiegeln. Ich habe großes Vertrauen in die Fähigkeiten des Managementteams und wir leben Transparenz und Offenheit in der Kommunikation. „Tell it like it is“ wird bei uns ganz großgeschrieben.

"Unsere Lieferanten konnten ihre Lieferzusagen nicht immer halten"

Und wenn Sie konkret an Ihre eigene Rolle denken?

Schinkinger:
Ich denke, die Leitung eines Unternehmens erfordert besonders in Zeiten wie diesen einen multidimensionalen und perspektivisch facettenreichen Führungsstil. Das bedeutet, sich manchmal zurückzunehmen und anderen die Bühne und Aktion zu überlassen oder ein anderes Mal eine Aufgabe auch selbst operativ zu übernehmen und erfolgreich zu Ende zu bringen. Es gilt, einmal Geschwindigkeit einzufordern und eine anderes Mal, Geschwindigkeit rauszunehmen. Vor allem bedeutet es, die Vision für die Zukunft immer wieder in unterschiedlichen Formen und Methoden zu vermitteln, den Weg dahin gemeinsam mit dem Führungsteam zu entwickeln und vor allem auch umzusetzen.

Liebe zum eigenen Beruf – überbewertet oder ausschlaggebend?


Schinkinger:
Absolut ausschlaggebend, anderenfalls würde man seine Lebenszeit verschwenden und kann meiner Meinung nach auch nicht authentisch und erfolgreich sein.

Vielleicht ist die Liebe zum Beruf in einem Familienunternehmen sogar noch dringender notwendig?


Schinkinger:
Ich denke nicht, dass sich hier Familienunternehmen und kapitalmarktorientierte Unternehmen unterscheiden. Ein Unternehmen in Familienbesitz zu leiten, setzt für mich jedoch ein gewisses Naheverhältnis und einen transparenten und direkten Umgang mit den Eigentümern voraus, besonders da sich die Familie aus der aktiven Geschäftsführung zurückgezogen hat und meinen Vorstandskollegen und mir somit vertrauensvoll die Zügel in die Hand gelegt hat. Der mir anvertrauten Verantwortung versuche ich jeden Tag aufs Neue mit großer Leidenschaft und vollem Einsatz gerecht zu werden.

"Unternehmensstrategie unter dem Leitsatz der Ambidextrie"

Sie haben uns vor rund eineinhalb Jahren ein Interview gegeben. Da sagten Sie, dass das Best-Practice GG Covid-Regelungswerk das Unternehmen weiterhin gut durch die Krise bringen werde. Was sagen Sie heute, eineinhalb Jahre später?

Schinkinger: Ich kann meine Aussage von damals glücklicherweise auch aus heutiger Sicht bestätigen. Wir haben uns zu Beginn der Pandemie entschieden, alle durch die besonderen Umstände notwendig gewordenen Maßnahmen wie etwa Mobile Work, virtuelle Abstimmungen oder besondere Vorsichtsmaßnahmen im Produktionsbereich proaktiv umzusetzen. Es hat sich bewährt, dass wir in unseren unternehmensinternen Richtlinien und Vorgaben von Masketragen und Abstandregeln bis hin zu Beschränkungen für Dienstreisen immer einen Tick strenger als die jeweiligen Vorgaben der Regierung waren. Wir haben uns deshalb an vielen Stellen einen für die Mitarbeiter schwer verständlichen Zick-Zack-Kurs erspart und sind nicht zuletzt auch wegen unserer sehr hohen Immunisierungsrate der Belegschaft von rund 90 Prozent gut durch die heiße Phase der Pandemie gekommen. Es hat bis jetzt zu keiner Zeit Unterbrechungen der Produktion gegenüber Kunden gegeben, und das, obwohl unsere Lieferanten ihre Lieferzusagen nicht immer halten konnten.

Gibt es trotz Krise Wachstumspläne für die nächsten Jahre?

Schinkinger: Die haben wir natürlich und die vor über einem Jahr abgeschlossene Konzentration unseres Unternehmens auf den Automobilsektor hilft uns dabei, diese trotz Krise und nennen wir es einmal besonderer Herausforderungen der letzten Monate – Stichwort Rohstoffpreiserhöhungen sowie Material- und Komponentenengpässe – ambitioniert weiterzuverfolgen.

Sie haben selbst die besonderen Herausforderungen erwähnt. Was ist Ihr Rezept für die Meisterung?

Schinkinger:
In wirtschaftlich volatilen Zeiten ist es essenziell, das System so agil wie möglich zu halten und den Kurs bei Bedarf immer wieder nachzuschärfen, falls veränderte Bedingungen es verlangen. Wir nutzen die momentane Phase aktiv dazu, gemeinsam mit dem Management-Team die Unternehmensstrategie unter dem Leitsatz der Ambidextrie zu operationalisieren. Wir verstehen darunter den Anspruch an uns selbst, bei allen Planungen und Projekten die Gegenwart erfolgreich zu meistern und das auch in der langfristigen Perspektive aufrechtzuerhalten. Wir sind überzeugt, dass uns das gelingen wird.


In der nächsten Print-Ausgabe stellt das INDUSTRIEMAGAZIN die 100 wichtigsten Frauen der österreichischen Industrie vor. Die Ausgabe erscheint am 2. Februar 2022.