Supply Chain : Logistikexperte Staberhofer: "Logistik hat aus der Vergangenheit viel gelernt"

Franz Staberhofer, Leiter CoE Logistikum am Campus Steyr der FH Oberösterreich

Franz Staberhofer, Leiter Logistikum

- © Hermann Wakolbinger

Es sind gute Nachrichten die die heimische Industrie aktuell erreichen, denn die Frachtpreise für Container auf See sinken rasant. Wegen der unterbrochenen Lieferketten im letzten Jahr haben Importeure oft gleich auf Vorrat gekauft, somit sind viele Lager weltweit gut gefüllt. Dazu kommen die hohe Inflation und die hohen Energiepreise in Europa, die die Nachfrage an Gütern aktuell stark verringern.

Diese Entspannung am Transportmarkt kommt für die Supply Chains der Industrie zur Rechten Zeit: Alleine von 2021 bis Mitte 2022, so eine kürzlich veröffentlichte Studie der deutschen Hans-Böckler-Stiftung, konnten in Deutschland wegen Vormaterialmangels Güter im Wert von knapp 64 Milliarden Euro nicht hergestellt werden. Die Wertschöpfung der deutschen Automobilindustrie ist wegen des Mangels an Vorprodukten um knapp 31 Milliarden Euro geringer ausgefallen.

Und auch für die globale Inflation ist die Normalisierung an den globalen Transportmärkten ein Segen. Experten rechnen mit weiteren Preisrückgänge im Containerverkehr.

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INDUSTRIEMAGAZIN NEWS hat mit dem Logistikexperten Franz Staberhofer, Leiter des Logistikums in Steyr, über die aktuelle Lage der Supply Chains, was künftig auf Supply Chain Manerg und Managerinnen zukommt gesprochen und auch darüber, was das Lieferkettengesetz ab Jänner 2023 für die heimische Industrie bedeuten wird.

INDUSTRIEMAGAZIN NEWS: Herr Staberhofer, die globalen Fracht-Preise fallen derzeit stark. Mehr als eine Normalisierung ist es noch nicht, allerdings ist es eine sehr gute Nachricht für die Supply Chains der österreichischen Industrie ist, oder?

Franz Staberhofer:
Ja, diese Aussage bestätige ich gerne. Die Staus an den Häfen lassen nach, damit sind die Schiffe jetzt wieder ausgelastet, die Firmen werden versorgt. Zusätzlich haben natürlich die verschiedenen Liner entsprechend Kapazitäten nachgeschoben. Damit ist die globale Transportkapazität wieder bei dem, was wir in der Vergangenheit als normal bezeichnet haben. Also gute Nachrichten von den Meeren, am Land sieht es ein bisschen anders aus, wenn man in die Zukunft schaut.

IM NEWS:
Sie haben es angesprochen, die Rahmenbedingungen am Land sind andere. Welche?

Staberhofer:
Hier ist vor allem eine bestimmte Rahmenbedingung schwierig und vor allem essenziell und das ist der Mensch. Die LKW Fahrer fehlen. Das ist eine Tendenz, die es in Europa seit Jahren gibt und mehr kommentiert als behandelt worden ist. In den USA ist die Situation extrem fortgeschritten. Wenn Sie dort auf eine Homepage eines Dienstleisters, eines Spediteurs schauen, da wird nicht der Kunde angesprochen. Der Kunde ist hier der LKW Fahrer. Er sucht sich einen LKW aus, der Disponent, der hier zum Optimieren der Route eingesetzt wird, wird hier zum Optimieren des Glücks eingesetzt. In Amerika ist der Unterschied deshalb so groß, weil ein extremer Mangel an Fahrern besteht. Sektoren übergreifend werden sogar Raumausnutzungen in den Containern diskutiert. So weit hat sich das in Amerika weiterentwickelt, weil der Mangel eben noch größer ist. Das können wir auch hier in Europa, in Österreich erwarten. Und da reichen jetzt keine Lippenbekenntnisse. Am Markt muss künftig anders mit dem Menschen umgegangen werden und für genau diese Disziplin akquirieren.

IM NEWS:
In den letzten Wochen hat es überraschend positive konjunkturelle Signale gegeben. Ein Ifo-Index, der überraschend stark gestiegen ist, die EZB, die sich zuversichtlich zeigt, dass eine Rezession in Europa, wie noch vor einem Monat gedacht, gar nicht ausgemachte Sache ist. Deflationäre Tendenzen auf den globalen Lieferrouten - Was sehen Sie in der Supply Chain derzeit konjunkturell?

Staberhofer:
Beruflich bedeutet mein Supply Chain Leben, dass ich in die Zukunft schaue. Dass ich mir anschaue, welche Muster sich abbilden und ich mir anschaue, was sich wirklich in der Industrie, im Handel, in den Sektoren abspielt. Die Indizes, derzeit eine Kombination aus heiß und kalt und damit lauwarm, sind durchaus eine Botschaft an die Wirtschaft. Und die werden in der Regel immer revidiert und in eine Richtung, die in dem Fall meine Vermutung in eine andere gehen wird, nämlich nach unten.

Die Supply Chains sind definitiv gefüllt. Die Firmen haben über eineinhalb Jahre sehr gut und aus 2008 lernend mit mit Bedacht reagiert. Wie es dann wirklich eng geworden ist, wurde die Vorsicht über Bord geworfen und die Supply Chain Prinzipien vergessen. Der Mensch ist vor das Prinzip gerückt, das heißt die Läger sind aufgebaut, die Supply Chains sind gefüllt. Und verbunden mit der Tatsache, dass verschiedene Sektoren nachlassen, andere boomen unverändert, müssen wir auf das erste und zweite Quartal des nächsten Jahres schauen.

IM NEWS:
Ein Thema, das uns in der nächsten Zeit begleiten wird, da sind Ökonomen sicher, ist ein inflationär Druck, der durchaus auch durch den ökologischen Umbau Europas ausgelöst wird. Was bedeutet dieser Green Deal, das Lieferkettengesetz, das sind alles Teile dieses Umbaus, für die Supply Chain?

Staberhofer:
Die Supply Chain kann, soll, muss dazu beitragen. Aber wir müssen ein paar Narrative hinterfragen. Der Green Deal wird weiter, muss man sagen, Inflationsdruck bringen. Wir können es am Beispiel Energie festmachen, als Deutschland beschlossen hat, Atomkraftwerke abzuschalten, Kohlekraftwerke abzuschaffen. An dieser Stelle war nachvollziehbar, dass Energie zu wenig ist oder teurer wird und der Preis ist teilweise um 300 % gestiegen. Vor dem Ukraine-Russland-Krieg wohlgemerkt. Dann ist es übertüncht und sogar noch verstärkt worden durch den Krieg. Und jetzt geht es darum, in diesem Green Deal, das nicht multipel zu wiederholen, denn das wäre in der Tat nicht gut. Und unser Auftrag als Supply Chain Manager und Managerinnen ist das Ziel Lieferketten so zu gestalten, dass wir den Green Deal dazu nutzen, einen Vorteil für Europa für Österreich zu haben und nicht die Inflation zu treiben. Damit müssen wir gegen Narrative arbeiten.

IM NEWS:
Am 1.Dezember treffen sich die EU Wirtschaftsminister. Da könnte es sein, dass man sich auf ein EU-Lieferkettengesetz oder eine Richtlinie, die national umgesetzt werden muss, einigt. Wie sehen Sie das?

Staberhofer:
Ja, da sind wir bei einem der vielen Narrative, das Lieferkettengesetz ist gut. Wenn man die Frage trivialisiert, ist die Frage wollen wir Kinderarbeit oder nicht? Die Antwort wird bei allen Menschen bei Nein liegen. Die Frage ist, kommt es dazu oder anders gefragt, was müssen wir tun, dass die Umsetzung auch wirklich passiert? Und wenn wir unsere Rolle nicht aktiv gestalten und mindestens als Österreich oder lieber als Europa Verantwortung für gewisse Länder übernehmen, dann können Unternehmen nur sehr viel Aufwand reinstecken, ohne einen Effekt zu erzielen. Dann haben wir beides erreicht. Wir haben zu Inflation beigetragen. Wir haben aber auch das, was wir vermeiden wollen, nicht erreicht. Also müssen wir anders vorgehen. Mein Aufruf: Ab Jänner gibt es das Lieferketten Gesetz, ab 5000 Mitarbeiter auch in Deutschland. Wir sollten dringend einen Weg finden, der Österreich durch das Lieferkettengesetz auch einen Nutzen bringt.

IM NEWS:
Die Industrie wir alle haben in den letzten Jahren so ein bisschen im Gefühl gelebt, in einer Mangelwirtschaft zu leben. Die Logistik ist die Aufgabe der Versorgungssicherheit. Was hat die Logistik gelernt oder die Supply Chain Manager gelernt?

Staberhofer:
Für Logistik haben wir gelernt, dass anerkannt wird, dass Logistik ein sehr positiven Beitrag liefert. Und wenn wir vom Gelernten in die Zukunft schauen, gilt für Supply Chain Management die verschiedenen Situationen, die auf uns zukommen werden, Lieferkettengesetz, Material ect., wo es darum geht, dass Materialien verfügbar sein sollen. Hier haben wir glaube ich die Aufgabe, Ressourcen weniger zu verbrauchen, und ein Teil des dieses Green Deals ist die Circular Economy, das bedeutet, machen wird doch Österreich zu einer Mine und nutzen die Produkte, die ohnehin schon da sind. Und diese dann zu Rohstoffen zu übersetzen die möglichst hochwertig sind. Das ist etwas, was ich lerne und übergeordnet vergessen wir uns immer wieder auf die einzelne Situation zu stürzen und zu hoffen, dass sie vorbei ist, denn sie ist ohnehin vorbei. Der Virus ist vorbei und ist teilweise geblieben. Energie ist sprunghaft, die Schiffsreisen steigen und gehen wieder runter.

Und so wird uns das betreffen, bei Materialien, bei Chips, beim Menschen und mit diesen Situationen umzugehen, die transparent zu machen. Diese Beispiele, die wir gelernt haben, methodisch in die Zukunft zu tragen.