INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Senger-Weiss, das EU-Parlament einigte sich auf ein Verbot der Einführung von Verbrennermotoren ab 2035, das gleichermaßen für Pkw und Lkw gelten soll. Kam das überraschend?
Wolfram Senger-Weiss: Dass wir im Rahmen der Mobilitätswende eine Phase der größeren Veränderung durchleben, war klar. Nachdenklich stimmt mich, dass uns bis heute nicht klar ist, in welche Richtung alternativer Antriebsformen es im Güterverkehr gehen soll. Damit meine ich nicht die Zustellfahrten, die bereits heute batterieelektrisch umgesetzt werden können. Die Frage ist, was machen wir auf der Langstrecke mit dem schweren Güterverkehr. Hier zeichnet sich bisher keine Lösung ab. Auch fehlen klare Aussagen der Politik. Fest steht: Geht es in Richtung Verbot von Verbrennungsmotoren, die heute sehr effizient funktionieren, wird es zeitlich und finanziell äußerst herausfordernd, um dies zu realisieren. Wir benötigen nicht nur neue Fahrzeuge, sondern auch die entsprechende Serviceinfrastruktur und ein Tankstellennetz.
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Was erwarten Sie jetzt von der nationalen Politik?
Senger-Weiss: Was die österreichische Regierung konkret daraus macht, bleibt offen. Jetzt zu handeln ist jedenfalls nicht alleinige Aufgabe der Fahrzeugentwickler oder Transporteure. Es fehlen noch die Richtung und die Rahmenbedingungen für einen Umstieg. Die muss der Gesetzgeber jetzt schaffen. Es braucht Szenarien, die realistischen Annahmen folgen. Wir können nicht von 100 auf Null gehen. Und diese Übergangsperiode wird nicht ohne Subventionen funktionieren, denn die zur Verfügung stehenden Technologien haben noch keine Marktreife. Uns muss auch bewusst sein, dass es hierbei um europäische Richtungsentscheidungen geht, die in anderen Regionen der Welt nicht mitgetragen werden. Das verändert die globale Wettbewerbssituation.
Österreichs Wasserstoffstrategie ist - nach einigen Anlaufschwierigkeiten - in trockenen Tüchern. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Senger-Weiss: Zunächst einmal bin ich froh, dass es nun eine solche Strategie gibt. Allerdings wird darin dem Güterverkehr keine ähnlich wichtige Rolle wie der energieintensiven produzierenden Industrie zugerechnet. In unserer Beurteilung sind Wasserstofflösungen beim Langstreckentransport aber alternativlos. Batterieelektrische Antriebe werden für den Schwerverkehr nicht die Lösung sein. E-Fuels sind prinzipiell interessant, da sie bestehende Infrastruktur und Fahrzeuge nützen könnten, sind aber beim Effizienzgrad schlechter und werden wohl eher in der Luftfahrt ein Thema.
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Wo wird der Wasserstoff herkommen, der dann die Tanks füllt?
Senger-Weiss: Ich glaube nicht, dass Österreich in der Lage sein wird, den Bedarf an Energie nachhaltig selbst zu erzeugen, den wir als Nation brauchen werden. Es wird nicht ohne Importe gehen. Dafür bieten sich grüne Gase an. Wir wären gut beraten, uns relativ bald Mengen zu sichern. Deutschland ist da engagierter.
Eine Vorreiterrolle eingenommen hat die Schweiz, in der Gebrüder Weiss seit einem Jahr einen Wasserstoff-Lkw betreibt. Welche Erfahrungen machen Sie?
Senger-Weiss: Das Fahrzeug läuft, wie man so schön sagt, wie ein Glöckerl. Die Technologie hält, was sie verspricht. Wir beklagen keine Ausfallszeiten. Und natürlich bietet die Schweiz ein optimales Umfeld, da dort das Kostenniveau prinzipiell höher ist und Eigenverantwortung im Wirtschaftstreiben eine große Rolle spielt. Auch der Kostenfaktor der Schwerverkehrsabgabe entfällt zur Gänze.