Karriere des Monats : Florian Neukart: "Es braucht kein Hardcore-Doktorat"

Florian Neukart Terra Quantum
© Terra Quantum

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Neukart, Sie haben Ihren Lebensmittelpunkt vor mittlerweile sechs Jahren nach San Francisco verlegt. Was war der größere Kindheitstraum: Einmal in den USA zu arbeiten - oder doch, die Erfüllung in der Computerwissenschaft zu finden?

Florian Neukart: Meine Zeit als Direktor beim Volkswagen Data Lab in München und davor bei den Volkswagen Advanced Technologies war wundervoll.Wir starteten in einer Startup-Atmosphäre und hatten zugleich den Rückhalt eines Großkonzerns. Aber es stimmt: Ich habe mich um die USA bemüht. Und die Möglichkeiten, international zu arbeiten, waren im Unternehmen gegeben. Zugleich war mir meine Leidenschaft für die Computertechnik in die Wiege gelegt.

Tipp der Redaktion: Vertiefungen zum Thema Digitalisierung und KI lesen Sie in unserem Industriemagazin Kontext.

Als Heranwachsender der Achtziger stand wohl irgendwo ein Computer, an den Sie unter pädagogischer Aufsicht durften, oder?

Neukart: Es gab einige erfreuliche Zufälle oder wenn Sie so wollen - begünstigende Faktoren. Mein Vater arbeitete vor Antritt seines Ruhestands als Robotikingenieur. Der Stiefvater eines Freundes war in der IT beschlagen, so erhielt ich früh Einblick in die Welt der Programierung von Videospielen. Das war großartig: Zu sehen, was hinter dem Spiel Pong steht. Und wie sich eine KI in Spielen erzeugen lässt. Das formte den Wunsch, so etwas später einmal beruflich zu machen.

Nach Ihrer Ausbildung fingen Sie zunächst im Consulting an. Aber es zog Sie rasch weiter...

Neukart: Aus einem Sechs-Wochen-Projekt bei Audi wurde ein Jahr. Und wie es der Zufall wollte, führte mich ein späterer Job bei SAP als Consultant abermals in die Data Science-Abteilung von Audi. Bis es bei Volkswagen die Möglichkeit gab, den Aufbau einer konzernweiten Data-Science-Abteilung zu betreuen. Einer Abteilung mit heute 100 Mitarbeitern, die an Anwendungen wie der quantenbasierten GPS-gestützten Navigation, Umfeldwarnungen im Fahrbetrieb bis zu autonomen Fahren schraubt.

Es folgte der Aufbau einer - heute ebenfalls 100 Kopf starken - Truppe für Volkswagen America, die noch weiter in die Zukunft blickt und Themen wie die emissionsfreie Energieerzeugung, Quantum Computing, Augmented und Virtual Reality, und künstliche Intelligenz, behandelt.

Im Herbst wechselten Sie ins Schweizer Startup Terra Quantum, das Unternehmen noch heuer kommerziell nutzbare Lösungen der Quantencomputer-Technologie anbieten will. Ist die Zeit gekommen für das Zeitalter des Quantencomputers - also die lang ersehnte Quantentrevolution?

Neukart: Ja, speziell was hybride Ansätze betrifft, sind industrierelevante Anwendungen bereits heute Realität. Unsere eigene Plattform setzt auf eine hybride Hard- und Softwarearchitektur, die das Beste aus dem klassischen (nicht-quanten) High Performance Computing mit simulierten und echten Quantenchips kombiniert, eine wirklich tolle Oberfläche auf einem cloudbasierten Betriebssystem sowie Programmierschnittstellen, die eine Rechenaufgabe in kleinere Rechenpakete etwa fuer die CPU oder Grafikkarte oder auch einen Quantenprozessor aufgliedern.

Somit lassen sich Aufgaben - oder wenn man so will, viele technische Hürden bei der Entwicklung darauf basierender Produkte - von den Anwendern wegabstrahieren.

Die potenziellen Anwendungen reichen vom Sammeln und Bewerten von Positionsdaten im Verkehr über eine neue Sensorik - Stichwort Quantenradar - bis zur sicheren Informationsverschlüsselung, der Kryptografie. Welche Rolle spielt bei alledem eigentlich der Forschungsstandort Österreich?

Neukart: Österreich ist ein starker Standort für Forschungsaktivitäten - siehe AIT. Wir haben zum Beispiel mit unserer QMware - unserer hybriden Cloud-Plattform - in Wien ein Entwicklerbüro.

Wie sieht es eigentlich mit dem Technikernachwuchs aus? Die Quantenphysik gilt ja als nicht ganz trivial?

Neukart: Trivial sicher nicht. Aber es wäre schon wichtig, diese zu entmythologisieren. Das ginge auch spielerisch, man braucht dazu kein Hardcore-Doktorat. Die Mathematik dahinter lernt man in der Schule. Und schon dort wäre es natürlich gut, Berührungspunkte zu schaffen. Um nicht erst mit 18 oder 19 Jahren an der Uni zu erfahren, dass die Welt, wie wir sie kennen, so nicht existiert.

Zu Ihren Aufgaben als Führungskraft zählt die Teamkoordination, die Strategiefindung. Auch noch das Schreiben von Codes?

Neukart: (lacht) Wenn es nicht so wäre, würde mir etwas fehlen.