HMI : Hannover Messe: Diese 5 Technologien verändern die Industrie

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Es ist das Netzwerkevent des Jahres, mit niedriger Initiationsschwelle für Stimmung. Das sieht auch er so: Kuka-Mann Wolfgang Meisen. 33 Lenze jung, und doch spricht er wie ein alter Hase über Hannover. Technologien, Prominenz aus Wirtschaft und Politik, randvolle Hallen und altehrwürdige Pavillons, die noch aus dem Expo-Jahr 2000 stammen: Die Hannover Messe steht für Produktionsverantwortliche im Rang „höchster Autorität und Popularität“, sagt Meisen.

Dass heuer wieder die ganze Welt nach Hannover blickt, liegt auch daran: Die Kraftlinien in der Industrie ordnen sich gerade neu. Die Digitalisierung greift um, digitale Services rücken vor. Früher steuerten Besucher ihre Lieferanten an. „Heute treibt man in Hannover die Transformation“, sagt der Kommunikationsprofi. Fünf technologische Kräftefelder.

1. Allzweckwaffe Roboter

Markenmonogame Käufer droht in Hannover wohl der innere Kampf: Das volle Repertoire an Industrierobotik ist repräsentiert - von A wie ABB bis Y wie Yaskawa. Schwerlastroboter treten spektakulär den Beweis an, dass Wuchtbrummen mit sechs Achsen 2017 ziemlich wiederholgenau sein können. Und wo sonst als in Hannover ist derzeit so deutlich antizipierbar, dass der Mensch am Arbeitsplatz bald jede Menge mechanische Zuaracher vorfinden wird: Auf Kollaboration gestriegelte Maschinen - so genannte Cobots - sind Thema auf fast jedem Stand. Aber es geht auch digital: Der Hersteller Kuka etwa zeigt eine cloud-basierte Softwareplattform - ihre Bestimmung: Dem User egal wann, egal wo Roboterzugriff zu ermöglichen.

2. Super-Algorithmen

Wohin Unternehmen die digitale Reise führen wird, ist das bestimmende Thema in Hannover, egal ob in den vielen Sonderschauen oder beim Antichambrieren am Ausstellerstand Ihrer Wahl. Natürlich - Hannover steht für inhaltliche Breite.

Doch die Digitalagenden wiegen augenblicklich schwerer als graduelle Verbesserungen von Bestandsprodukten - schlag nach bei Siemens. In Zeiten einer veränderten Industrie-Nomenklatur spendieren die Deutschen ihrem offenen Internet-of-things-Ökosystem (MindSphere) in Hannover eine handlungstragende Rolle - im Laufe des Jahres soll das digitale Betriebssystem auf Microsofts Cloud-Plattform Azure verfügbar gemacht werden. Nicht erstaunlich, dass der US-Softwareriese deshalb umschichtet: Der Messestadt bleibt man treu - doch statt wie bisher ein paar Wochen früher auf der IT-Messe CeBIT mit einem eigenen Stand Flagge zu zeigen, zieht es die Amis auf die Hannover Messe. Schnittmengenproblem? Orten sie heute keins mehr - im Gegenteil.

Sie profitieren vom Ruck, der durch die digitalisierungshungrige europäische Industrie geht. Zwar investierten die Unternehmen auch zuletzt nicht, als wäre das Geld abgeschafft. Kaum einer aber grübelt derzeit nicht über neue Geschäftsmodelle. Hersteller, die sich vom reinen Produktlieferant zu Anbietern digitaler Services wandeln, stehen Gewehr bei Fuß. Das beschäftigt auch ihn: Jochen Köckler, Vorstand der Deutschen Messe. "Damit die Digitalisierung flächendeckend voranschreitet, muss die Industrie die Nutzenargumentation noch deutlicher führen", gibt er die Order für April aus.

Das freilich muss er den traditionell in voller Mannschaftsstärke nach Hannover anreisenden Unternehmen nicht zweimal sagen. Best Practise gibt es heuer satt. Die Diskussion, wie tief Digitales greifen darf, wird allerdings mit alten und neuen Argumenten zu führen sein. Noch ächzt es in den Gedankengerüsten zum Technologiewandel und seiner gesellschaftlichen Wirkung jedenfalls vernehmbar.

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3. Selbstorganisierte Maschinen

Er ist für den großen Ansturm der Massen vorbereitet: Christian Mosch, Experte für Industrie 4.0 beim deutschen Maschinenverband VDMA, ist für April eine gut geölte Kehle zu wünschen. Kaum eine Minute wird der Verbandsmann - man trifft ihn in Halle 8 - nicht in Gesprächen stecken. Aus seiner Sicht gibt es mit Blick auf die Entwicklung industrieller Kommunikationsstandards viel Herzeigbares: Die blutigen Schnittstellenkriege früherer Tage scheinen zumindest in Europa überwunden, mehr und mehr Einzelindustrien kehren statt dem Trennenden das Verbindende hervor.

Von einem Zuckerl für Hannover-Besucher darf Mosch schon sprechen: Ein exklusiver Leitfaden, wie mit dem vielversprechenden Kommunikationsstandard OPC UA effizient zu arbeiten ist, wird in Hannover vorgestellt. Augenöffner so mancher Wirtschaftsequipe freilich wird sein, wie zügig offene Standards - und vor allem solche, die den Echtzeitanforderungen gerecht werden, in die Produktentwicklung finden: Der Eggelsberger Industrieelektronikhersteller B&R - ein maßgeblicher Treiber barriereloser Automation - pusht etwa selbsorganisierte Sicherheitsnetze auf Basis OPC UA und einem quelloffenen Sicherheitsprotokoll (openSAFETY).

"Sogar sich selbst validierende Maschinenlinien sind denkbar", sagt B&R-Produktprofi Franz Kaufleitner. Und auch beim Thema Schnittstelle kommt es zu höchst spannenden Einlassungen großer Softwareschmieden: Seit geraumer Zeit schon treibt Microsoft die Integration von OPC UA in deren Internet-of-things-Plattform Azure.

4. Supermaterialien

Graphen, funktionelle Werkstoffe, Superlegierungen: Wer teleskopartig in die Zukunft der Materialwissenschaften schauen will, ist in Hannover nicht verkehrt. Für den wertkonservativen Teil der Besucher freilich mag es ein Schock sein: Die Forschung an 4D-Druck. Hat doch der 3D-Druck lange noch nicht das Maß an Allgemeinverträglichkeit erreicht, das sich etwa Hersteller kleiner bunter Metallpulverkügelchen wünschen. Doch Harvard-Forscher beschritten nun einmal mutig die nächste Dimension: Sie druckten eine Blüte, die sich in Kontakt mit Wasser selbständig entfaltet. Wie nahe Roboter, die sich selbst "transformersartig" zusammensetzen, um sich dienstbar zu machen, der Fertigungswirklichkeit kommen? Wollen wir an dieser Stelle nicht verraten, wird aber in einem Symposium (3. Symposium für Additive Fertigung) gewinnbringend debattiert. Dass sich nahmhafte CAD-Anbieter und Leichtbauer sanft an die Aussteller der Digitalen Fabrik in Halle 6 anschmiegen, ist vor dem Hintergrund der wachsenden Vernetzung bis tief in die Werkstofflabors hinein vermutlich auch kein Schaden. Und wollten Sie nicht immer schon Materialien, die sich kraft der Ultraschalltechnologie selbst heilen, genauer unter die Lupe nehmen? Oder - wie am Festo-Stand zu sehen - Konzepte für den industriellen Einsatz von Supraleiter-Technologie sehen?

5. Smarte Energiesysteme

Es zieht sie fraglos nach Hannover, die Energiewende-Maniacs und Öko-Pioniere. Überraschend kommt das nicht: Neben Topkontakten aus der Politik und Wirtschaft steht Hannnover im April für eine einmalige Möglichkeit des Technologiestudiums. Monster-Turbinen mit geringstem Energieverbrauch? Sind in Hannover wie selbstverständlich gesetzt. Kleinkraftwerk-Demonstratoren? Wird man nirgendwo sonst in dieser geballten Dichte erleben können. Die Hallen atmen den Geist des neuen Energiezeitalters, und das liegt am Schauwert, aber selbstredend auch an der lückenlosen Aufbereitung des Themas Vernetzung, wie Jochen Köckler, Vorstand der Deutschen Messe unumwunden zugibt: "Hannover steht für vernetzte Lösungen entlang der gesamten energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette - von der Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Speicherung bis hin zu alternativen Mobilitätslösungen", so der Messeboss. Das Thema geht ja bekanntlich alle an: Jeder Produzent ist morgen schon ein (kleiner) Energieversorger. Beispiel Druckluft. Wie bei deren Verdichtung entstehende Abwärme rückführbar ist, leben derzeit etwa Kompressorenhersteller vor - auch in Hannover. Und weil ein gut gemeinter Tipp nicht schaden kann: Auf das alte Bonmot, wonach die umweltfreundlichste und günstigste Kilowattstunde die ist, die gar nicht erst verbraucht wird, ist in einschlägigen Kreisen ein feinsinniges Lächeln die beste Antwort.

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