IM-Expertenpool: Managementtipps : Die finanzielle Relevanz des Klimawandels: So sind Sie gewappnet

Wer vor einigen Jahren Umwelt- und Klimathemen mit viel Aufmerksamkeit bedachte, der hatte es nicht immer leicht. Wer hätte gedacht, dass so schnell ein Stein ins Rollen kommt, der Unternehmen, Investoren und Politik gleichermaßen „nachhaltig“ verändert – im wahrsten Sinne des Wortes.

Heute – beziehungsweise vor Corona – war der Klimawandel in aller Munde. Politik und Unternehmen verstehen, dass die Kosten von Klimaschutz sowie zeitgerechter Anpassung an den Klimawandel geringer sind als ein „weiter wie bisher“ – aus volks-­ wie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive. Die aktuellen Maßnahmen sind jedoch sicher erst der Anfang einer länger fortwährenden Reise. Zwei von drei österreichischen Mittelstandsunternehmen sind der Meinung, dass sie von Nachhaltigkeitsaktivitäten geschäftlich profitieren könnten – aber nur ein Drittel hat bereits eine Nachhaltigkeits-­ und Klimastrategie. Für Unternehmen geht es nun darum, sich auf die möglichen Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell vorzubereiten und die Konsequenzen bestmöglich zu beziffern.

Wir wagen einen Blick nach vorne und zeichnen das Bild einer klimafitten Organisation in nicht allzu ferner Zukunft

Es ist ein wichtiger Meilenstein für den CEO eines global agierenden Konzerns mit Sitz in Österreich. Soeben hat das unternehmensinterne Klimakomitee mit Vertretern aus Abteilungen wie Strategie, Risiko, Nachhaltigkeit, Vertrieb und Einkauf die neue, integrierte Strategie freigegeben. Zum ersten Mal wurden Klimathemen nicht von der Geschäftsstrategie getrennt entwickelt, sondern in den Aspekten ihrer finanziellen Wesentlichkeit schon in den Strategieprozess integriert. Selbst wenn ihm die gute Nachhaltigkeitsleistung im Unternehmen nicht schon ein persönliches Anliegen wäre – seit letztem Jahr wird die gesamte Vorstandsvergütung abhängig vom erzielten Nachhaltigkeitsergebnis adaptiert, weswegen über die eben verabschiedete, gelungene Strategie doppelte Freude herrscht.

Der erhöhte Aufwand bei Forschung und Entwicklung macht sich bezahlt, denn zwei neue Produkte konnten eben vorgestellt werden, mit denen man der verstärkten Nachfrage nach Geräten mit verringerten Emissionen gerecht werden kann. Gleichzeitig ist das Unternehmen breiter aufgestellt und kann seine Reputation in Sachen Innovation und Nachhaltigkeit steigern.

Weiters wurden signifikante Restrukturierungen in der Lieferkette beschlossen. So wurden Rohstoffalternativen gefunden, deren Produktionsbedingungen weniger stark vom Klimawandel bedroht sind. In den nächsten Jahren sollen auch bestehen­ de Lieferanten dabei unterstützt werden, prognostizierter Wasserknappheit zu begegnen, um weitere Spitzen in den Rohstoff­ preisen zu vermeiden. Außerdem wird eine neue emissionssparende Technologie in den Produktionsprozess integriert, die ohne Klimapolitik der Regierung kaum rentabel wäre, so aber zum wichtigen Wettbewerbsvor­ teil wird.

Teil der Strategie ist auch ein Science Based Target – ein wissenschaftsbasiertes Ziel zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Damit wird sichergestellt, dass das Unternehmen auch wirklich einen gerechten Anteil zu den globalen Klimaschutzzielen bei­ steuert – und damit deutlich weniger exponiert gegenüber Reputationsrisiken oder einer strengeren Klimapolitik ist.

Unterstützt hat ihn bei der Entwicklung der Strategie seine Sustainability­-CFO, die ihm aufbereitet hat, wie sich die zu erwartenden klimarelevanten Entwicklungen der kommenden zehn Jahre in der Bilanz und der Gewinn­ sowie Verlustrechnung auswirken, insbesondere welche Kosten­ und Umsatzposten dabei betroffen sind und in welchem Umfang. In der Folge wurden dann auch mögliche strategische Reaktionen durchmodelliert, um fundierte Entscheidungsgrundlagen zu bieten.

Möglich gemacht wurden diese Rechnungen durch eine Szenarioanalyse. Gemeinsam mit dem Chief Risk Officer und dem Head of Sustainability wurden die klimarelevanten Risiken und Chancen erst auf globaler Ebene analysiert und dann in den Kontext der Assets und Geschäftstätigkeiten des Unternehmens gesetzt und quantifiziert. Nachdem Nachhaltigkeitsthemen schon seit Anfang des Jahres ins Enterprise Risk Management (ERM) integriert sind, hatte bereits eine Erhebung, qualitative Bewertung und Kartierung aller physischen und transitionsbedingten Auswirkungen des Klimawandels entlang der gesamten Wertschöpfungskette stattgefunden, die in die Szenarioanalyse einfließen konnte.

Physische Auswirkungen beschreiben Phänomene wie Hochwasser, Hitze, Dürre, Waldbrände oder Erdrutsche, die potenziell für Engpässe in der Lieferkette sorgen, Rohstoffpreise in die Höhe treiben, bei den eigenen Assets Schäden verursachen oder Produktionsunterbrechungen notwendig machen. Transitionsbedingte Auswirkungen beinhalten Aspekte wie Reputation, Technologie, Politik und Marktentwicklungen, die sich alle finanziell auswirken können, sei es durch politische Verpflichtungen, technologische Entwicklung oder eine steigende Nachfrage zu nachhaltigen und klimaneutralen Produkten.

In den kommenden Wochen wird es nun darum gehen, die klimarelevanten Überlegungen der Strategie auch transparent in die Berichterstattung zu integrieren. Wichtig wird dabei sein, Kreditgeber und potenzielle Investoren vom guten Management von Klima­ und Nachhaltigkeitsthemen zu überzeugen, um die Kapitalkosten für die geplante Expansion im kommenden Jahr so gering wie möglich zu halten.

Bei diesen Überlegungen hat sich das Nachhaltigkeitsteam an den Empfehlungen der Task Force on Climate­related Financial Disclosures (TCFD) orientiert, welche dafür eine gute Anleitung bieten.

Die Ergebnisse der Bemühungen, klimafit zu werden, ziehen sich praktisch durch alle Unternehmensbereiche. Klimarisiken und ­-chancen sowie strategische Reaktionen werden in einer in die Zukunft gerichteten Gewinn­- und Verlustrechnung und Bilanz quantitativ abgebildet. Klimathemen finden sich im Risikomanagement wieder und die neuen Anforderungen der EU und der TCFD werden in die nichtfinanzielle Berichterstattung integriert. Insbesondere aber finden die gewonnenen Erkenntnisse in der verabschiedeten Strategie ihre Berücksichtigung.

Fred Hilgenfeldt ist als Berater im Bereich Climate Change and Sustainability Services bei EY Österreich tätig, Georg Rogl leitet ebendiesen Bereich.