Industriearbeit : Wie Unternehmen ihr Betriebsklima verbessern

Manager supervisor and industrial worker in uniform walking in large metal factory hall and talking about increasing production.

Durch Werks- und Büromitarbeiter herrschen in der Industrie viele Gegensätze. Dennoch kann es gelingen, ein echtes Wir-Gefühl zu erzeugen.

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Was die Arbeitskultur anbelangt, so ist die Industrie nicht zuletzt deshalb einzigartig, weil die Anteile der Büro- und der handwerklich-zupackenden Produktionsarbeit praktisch gleichgroß sind. Insbesondere in Firmen, in denen die Automatisierung die Zahl menschlicher Arbeiter in den Werkshallen reduziert hat.

Für das Betriebsklima hat das zahlreiche Herausforderungen und Reibungspunkte. Nicht besser wird es, da viele Führungskräfte die Produktionsarbeit nie aus eigener Erfahrung kennenlernten. Dennoch kann es gelingen, zwischen diesen so unterschiedlichen Welten ein harmonisches Klima und somit einen insgesamt funktionaleren Betrieb zu erschaffen.

Tiefe Gräben zwischen Abteilungen

Wenn alle Angestellten für dasselbe Unternehmen arbeiten, sollte doch eigentlich alles harmonisch sein, oder? In der Theorie ja. Allerdings ist dieser „gemeinsame Strang“, an dem alle ziehen, in der alltäglichen Arbeit oftmals zu nebulös, zu trivial. Hier zählen gänzlich andere Unterschiede:

In den Hallen wird häufig irgendeine der verschiedenen Formen von Schichtarbeit betrieben; die Büros hingegen arbeiten mehrheitlich von 08:00 bis 17:00 Uhr. Neuerdings sogar häufig nicht einmal mehr (dauerhaft) vor Ort, sondern im Rahmen des Home-Office.

Die Büroarbeit ist hauptsächlich geistig beanspruchend, wohingegen sich in den Werkshallen vielfach körperliche und geistige Anstrengung die Waage halten – oder erstere überwiegt. Je nach Anlage/Abteilung kann zudem starke Monotonie hinzukommen.
Der allgemeine Ton in den Büros ist häufig freundlicher, positiver, respektvoller. In der Produktion hingegen geht es meist deutlich rauer zu; viele empfinden das als weniger wertschätzend.

Nach wie vor ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern erheblich. Während es in den Büros mittlerweile einen lobenswert hohen Grad an Gleichberechtigung (wenigstens unterhalb der Führungspositionen) gibt, arbeiten in der Produktionsrealität deutlich mehr Männer als Frauen.

In vielen Betrieben wird ein Großteil aller Führungsentscheidungen in Büros getroffen. Zwar existieren Werkmeister und ähnliche technische Führungskräfte, diese stehen jedoch „rangmäßig“ häufig unter den „Büro-Führungskräften“. In der Folge fühlen viele Produktionsmitarbeiter sich von den Entscheidungsprozessen entkoppelt. Verstärkt wird das durch die Tendenz der jüngsten Jahrzehnte, durch die viele Führungskräfte nur Büroarbeit aus eigener Erfahrung kennen.

Der Praxis geschuldet ist das gesamte Arbeitsumfeld in der Produktion oft weniger angenehm. Es beginnt bei der vielfach vorhandenen Notwendigkeit, einen Großteil jeder Schicht auf den Beinen zu verbringen und endet bei der oftmals nicht möglichen Klimatisierung großer Hallen längst noch nicht.

Häufig ist die räumliche Trennung zwischen Produktion und Büros zu tiefgreifend, wodurch sich Mitarbeiter beider Gruppen nur selten begegnen. Das wiederum schürt ungesundes Gruppendenken und befeuert Klischees.

Die Folge: In einem Betrieb gibt es häufig signifikante Unterschiede in der Eigen- und Fremdwahrnehmung zwischen beiden Gruppen; oftmals noch weiter unterteilt. Beide Personenkreise fühlen sich von der jeweils anderen oft missverstanden und geringgeschätzt.

Natürlich, Führungskräfte wissen, wie wenig jeder Industriebetrieb ohne beide Gruppen funktionieren kann. Sie wissen zudem, dass beide Arbeitsplätze sich in Sachen Stärken und Schwächen die Waage halten. Dennoch wird dies oftmals nicht mit genügend Nachdruck in den Köpfen der Mitarbeiter verankert – und vielerorts längst nicht genug dafür getan, um die Pflege derart schädlicher Klischees zu unterbinden.

Dadurch entstehen in vielen Unternehmen Reibungspunkte, die insgesamt die Arbeit stören und die definitiv nicht sein müssen.

Viele Annehmlichkeiten zwischen Klimaanlage und legerer Arbeitskleidung kommen nur Büromitarbeitern zugute – Neid der Produktionskollegen ist dann gewiss.

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Keine Unterschiede zwischen Büros und Werkshallen machen

Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für den Abbau von Missverständnissen und gegenseitigen Ressentiments ist es, die Mitglieder zweier Gruppen – für diese erkennbar – gleich zu behandeln.

Gerade bei Führungskräften, die niemals selbst außerhalb von Praktika in der Produktion tätig waren, beginnt dies oftmals im eigenen Kopf: Viele Menschen tendieren dazu, das, was sie nicht kennen oder täglich erleben, weniger positiv zu bewerten. In diesem Sinn sind die Büromitarbeiter vielen Führungskräften „näher“ und werden dadurch (meist unbeabsichtigt) bevorzugt.

Hierdurch entsteht häufig ein Trickle-Down-Effekt, der sich durch die gesamte Firma ziehen kann. Dabei ist es verhältnismäßig einfach, für mehr Gleichheit zu sorgen:

• Es sollten selbst außerhalb von deren Kernarbeitszeit immer Personen aus den Büros für Fragen und Abstimmungen durch die Produktion ansprechbar sein. In vielen Betrieben herrscht diesbezüglich zwischen 17:00 Uhr und 08:00 Uhr am nächsten Morgen starker Nachholbedarf. Rechtlich ist eine solche Rufbereitschaft mit einigen Limitierungen problemlos durchführbar.

• Es sollte – im Rahmen des Arbeitsschutzes – möglichst kein Unterschied zwischen der Bekleidung von Produktions- und Büromitarbeitern gemacht werden. So gibt es für letztere im Sommer sehr weitreichende Optionen, um leger und professionell zu wirken, wohingegen vielen Produktionsmitarbeitern keinerlei Variation und Erleichterung gestattet wird, obwohl die Vorgaben eine gewisse Flexibilität zulassen. Hier sollte unbedingt anhand des Ist-Risikos evaluiert werden, wer in der Produktion in welcher Situation ähnliche Erleichterungen erhalten kann – und viel Augenmaß an den Tag gelegt werden.

• Annehmlichkeiten sollten unbedingt nach Notwendigkeit und nicht Prestige verteilt werden. So sind beispielsweise in vielen Industriebetrieben lediglich die Büros klimatisiert, während in den Werkshallen nicht einmal die kleineren Werkstätten und Aufenthaltsräume derartige Technik haben – obwohl diese einfach nachzurüsten wäre. Derartige krasse Unterschiede sollten tunlichst vermieden werden, indem stets geprüft wird, welche Abteilung welche „Annehmlichkeit“ für die Arbeit mehr benötigt.

Hier muss nicht zuletzt die Architektur des Industriebetriebs genannt werden. Je mehr beide Abteilungen sich selbst in die tagtägliche Arbeit hineinschauen können, desto mehr wird das gegenseitige Verständnis gefördert.

Eine sehr gute Basis können gemeinsame Pausenräume und Kantinen sein. Einige Unternehmen gehen aktuell zudem so weit, bei der Neukonzeption von Gebäuden einen Fokus darauf zu legen, dass die darin befindlichen Mitarbeiter immer ihre Kollegen sehen können – dank Glasfenstern, die sehr gute Lärmschutzwerte aufweisen, ist das ohne praktische Nachteile für den Büroalltag möglich.

Fordernd ist jede Arbeit in der Industrie. Doch das „Wie“ ist stark unterschiedlich. Daraus resultieren viele Animositäten und unnötige Reibereien.

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Austausch einfordern und fördern

Ein typisches Industrieunternehmen aus dem Bereich Metall im Hochsommer. Abends wird es selbst im Freien nicht kühler als 30°C, die Temperaturen in den Werkshallen liegen noch gut und gerne zehn Grad darüber.

In dieser Situation ordnet ein Projektmanager für die Spätschicht das Warmwalzen mehrerer Bänder an. Für ihn zählt dabei nur eine Fertigstellung bei seinem Arbeitsbeginn am nächsten Morgen, um die Ware sofort in den Versand geben zu können. Würde er jedoch die Produktionsumgebung persönlich näher kennen, würde er den Auftrag wohl eher an die Nachtschicht geben, da diese dann wenigstens bei etwas erträglicheren Temperaturen arbeiten kann – selbst wenn der Auftrag dann erst im Verlauf des nächsten Vormittags versendet wird.

Ein anderes Beispiel: Dieselbe Produktion benötigt genaue Daten über einen Auftrag; etwa zur gewünschten Blechdicke. Da jedoch im Büro – es ist schließlich Sommer – viele Kollegen im Urlaub sind, dauert die Erstellung und Übermittlung der Unterlagen deutlich länger, weil eine Urlaubsvertretung damit befasst ist. Bei den Produktionskollegen reift einmal mehr die Ansicht „die im Büro“ würden zu träge arbeiten, was die Kollegen an den Anlagen dann „mal wieder“ ausbaden dürften.

Solche Beispiele sind notwendig, um zu verstehen, woran es im Verständnis zwischen Werkshalle und Büro oft hängt: Beide Welten haben niemals einen tieferen Einblick in die beruflichen Realitäten der jeweils anderen bekommen.

• Weder weiß der Büromitarbeiter, wie sich die oft von extremen Umgebungsbedingungen geprägte Arbeit in den Werkshallen (in Verbindung mit Schichtarbeit) auf die persönliche Leistungsfähigkeit und Durchführbarkeit von Aufträgen auswirkt;
• noch weiß der Produktionsmitarbeiter, wie hektisch es in der Praxis bei der von ihm oft als so viel angenehmer, entspannter empfundenen Büroarbeit zugeht.
Erneut greift hier die bekannte Formel: Unbekanntheit führt zu Unverständnis führt zu Intoleranz.

Die einzige und gleichsam effektivste Möglichkeit, hierbei gegenzusteuern, ist es, einen ständigen Austausch zu fördern. Das sollte idealerweise im Rahmen der Ausbildung, respektive Einarbeitung beginnen und mindestens einmal jährlich erneuert werden.
Einige Herangehensweisen:

• Wer eine betriebliche Berufsausbildung im Unternehmen macht, wird automatisch für einen gewissen Zeitraum in einer jeweils diametral aufgestellten Abteilung eingesetzt. Wer zum Industriemechaniker ausgebildet wird, muss beispielsweise obligatorisch für einige Tage in der Kundenbetreuung arbeiten – oder in einem anderen Büroberuf.

• Wer nach der Universität ins Unternehmen kommt, muss nach seiner Einstellung verpflichtend wenigstens einen kompletten Schichtzyklus in der Produktion mitgearbeitet haben und das einmal pro Jahr erneut tun.

Nach ähnlichem Konzept sollten diese Erfahrungen selbst bei langjährigen Mitarbeitern immer wieder aufgefrischt werden. Dem Unternehmen entsteht dadurch bei geschickter Planung kein Verlust an Arbeitskraft – wohl aber ein hoher Gewinn durch viel größeres interdisziplinäres Verständnis und verringerte Reibungspunkte.

Ein weiterer Vorteil: Die gesamte Arbeit und deren Planung werden durch die größere Transparenz ungleich realistischer.

Kennenlernen baut Unwissenheit und somit Klischeedenken ab. In diesem Sinne sollten Industriebetriebe das persönliche Erleben aller Abteilungen durch jeden Mitarbeiter aktiv praktizieren.

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Zusammenhalt durch regelmäßige Aktionen fördern

Wohl jede Führungskraft weiß, wie es bei Tagen der offenen Türen, Betriebsfesten oder beispielsweise in der Zeit vor Weihnachten in ihrem Unternehmen zugeht, wenn das Thema Weihnachtsfeiern auf dem Tableau steht: Fast immer lässt sich eine glasklare Gruppenbildung erkennen. Oftmals nicht nur entlang der Trennlinien von Büros und Werkshalle, sondern innerhalb der einzelnen Teams oder sogar Schichten.

Die Messtechniker feiern eine eigene Weihnachtsfeier zusammen mit den Elektrikern – aber nur diejenigen, die immer zusammen Schicht haben. Die Gabelstaplerfahrer tun sich nur mit den Lagermitarbeitern zusammen. Die Abteilung Marketing bleibt unter sich, während die Ingenieure zusammen mit dem Personal des Konstruktionsbüros agieren. Gerade solche Gelegenheiten sind es, zu denen sich der Zusammenhalt fördern lässt. Entsprechend schwer wiegt tatsächlich jedes Versäumnis.

Natürlich, wenn eine Firma in Sachen Mitarbeiterzahl eher zu den größeren auf der Liste in Österreich gehört, dann lässt es sich in der Praxis kaum umsetzen, alle Mitarbeiter, Teams und Abteilungen zu einer gemeinsamen Veranstaltung zu bewegen. Das muss es aber auch gar nicht; tatsächlich könnten solche Großveranstaltungen durch die unvermeidliche Gruppenbildung kontraproduktiv wirken. Es geht jedoch anders:

• Die Planung von Feiern wird nicht den einzelnen Abteilungen oder Schichten überlassen, sondern es wird vielmehr eine Art Gremium mit Mitgliedern aus allen Abteilungen gebildet. Sehr interessant vor allem für kleinere Industrieunternehmen, deren Kopfstärke eine große, aber nicht zu große, Feier gestattet.

• Alternativ könnten die Gruppen solcher Feiern immer wieder per Los bestimmt werden. Auf diese Weise könnte beispielsweise der Zufall entscheiden, dass die Marketing-Abteilung etwas zusammen mit den Verlade-Mitarbeitern auf die Beine stellen muss.

• Ebenfalls alternativ kann jeder einzelne Teilnehmer per Los bestimmt werden. Beispielsweise wird die gesamte Belegschaft in maximal zehn, zwanzig Köpfe umfassende Gruppen aufgeteilt. Deren Teilnehmer werden unparteiisch ausgelost, bekommen ein Budget und müssen dann für sich eine Feier organisieren.

• Es werden regelmäßig Wettkämpfe abgehalten. Eine Art Firmen-Olympiade, zu denen jedes Team eigene Teilnehmer entsenden muss. Wird hierbei auf ein neutrales Thema geachtet, bei dem keine Mitarbeitergruppe durch ihren Beruf besondere Stärken vorweisen kann, lässt sich ein das Gemeinschaftsgefühl steigernder Wettbewerb auf die Beine stellen.
Einige US-Industriebetriebe veranstalten beispielsweise regelmäßig Turniere in einem bestimmten Videospiel. Jedes Team stellt einen Teilnehmer, dann wird im üblichen Playoff-Verfahren ein Meister gekürt.

Was hiervon in einem heimischen Betrieb genutzt wird, ist vollkommen freigestellt. Wichtig ist nur das Zusammenkommen von Mitarbeitern, die sich sonst im Berufsalltag nie begegnen. Es muss hierbei nicht einmal die Arbeit thematisiert werden. Im Vordergrund stehen die Menschen: Wer einen geselligen Abend mit ihm bislang völlig Fremden ohne Möglichkeit zur Gruppenbildung mit seinen üblichen Kollegen verbracht hat, wird nicht nur angenehm überrascht sein, sondern diverse Klischees abbauen.

Gerade weil die industrielle Produktion immer digitaler wird, sind bei immer mehr Mitarbeitern alle Anlagen vorhanden, um außerhalb ihres direkten Arbeitsumfelds aufzusteigen.

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Abschätziges Verhalten nicht dulden

Ungewünschtes Verhalten benötigt nicht nur immer mindestens eine Person, die es an den Tag legt. Vielmehr ist ebenso stets eine weitere Person nötig, die es durch Passivität toleriert und somit bestärkt.

Im alltäglichen Ablauf im Industriebetrieb gibt es viele Beispiele, in denen ein solches Verhalten leider beispielhaft exerziert wird: Eine Schicht an einer Anlage konnte einen Auftrag aufgrund eines Schadens nicht termingerecht fertigstellen. Dann ist wohl so mancher aus dem Büro rasch dabei, nicht nur der Crew der Anlage Fehlverhalten vorzuwerfen, sondern überdies derjenigen Abteilung, die für die Reparatur zuständig war.

Schon, wenn dies sich nur als Denken manifestiert, ist es schädlich. Geradezu gefährlich wird es jedoch, wenn der Gedanke zu Worten wird, die die Kollegen erreichen:
„Ich möchte mal wissen, wie die Typen an Band A es immer wieder schaffen,
die Anlage kaputtzumachen. Und die Mechatroniker lassen sich in der Spät und Nachtschicht alle Zeit der Welt, wenn keiner von uns da ist, um sie zu kontrollieren.“

Derartige Worte in unterschiedlichsten Zusammenhängen werden tagtäglich in jedem Industrieunternehmen gesprochen.
• Immer wird dadurch eine bestimmte Gruppe verunglimpft;
• immer wird bei jedem, der zuhört, ein bestimmtes Denken erzeugt oder bestärkt;
• immer wird dadurch ein Keil zwischen die verschiedenen Gruppen der Belegschaft getrieben und ein „Wir sind besser als die/die sind schlechter als wir“-Denken gefördert.

Im Prinzip handelt es sich bei jeder Form solcher Äußerungen um nichts weiter als eine betriebsinterne, milde Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und die Pflege von offenen und versteckten Vorurteilen – mit allen daraus resultierenden Risiken und Gefahren.

Dagegen darf es prinzipiell nur eine Antwort geben; egal, von wem die Aussagen stammen: In keinem Industriebetrieb sollten derartige Äußerungen geduldet werden. Grundsätzlich benötigt das vertraglich festgehaltene, jedem Mitarbeiter bekannte Verbote. In der Praxis funktioniert das System allerdings erst dann, wenn sich bei einer Mehrheit ein entsprechendes Denken durchsetzt. Nur dadurch bekommen solche Äußerungen den „Gegenwind“, den sie verdienen.

Nicht zuletzt deshalb sind andere Maßnahmen des Kennenlernens zwischen Büro und Werkshalle so wichtig: Wer die Kollegen dieser jeweils anderen Welt persönlich kennt, der neigt einerseits viel seltener dazu, solche pauschalen Herabweisungen zu äußern und tritt solchen Äußerungen Dritter andererseits deutlich entschlossener entgegen – selbst, wenn sie von Personen aus der eigenen Abteilung stammen.

„Die im Büro“, „die von der Produktion“: Wenn solche Gruppenverallgemeinerungen abschätzig benutzt werden, muss dem sofort ein Riegel vorgeschoben werden.

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Betriebsinterne Aufstiegsmöglichkeiten in alle Richtungen schaffen

Wie vorteilhaft es für ein Industrieunternehmen sein kann, wenn möglichst viele Mitarbeiter über Erfahrungen jenseits ihres unmittelbaren Arbeitsplatzes verfügen, wurde bereits erläutert. Allerdings sollte das sich nicht nur auf gelegentliche „Austauschprojekte“ beschränken, sondern ebenfalls nicht vor dem Thema beruflicher Aufstieg Halt machen.
Anders formuliert: Jeder Mitarbeiter in jeder Abteilung sollte die Möglichkeit erhalten, nicht nur in direkter Linie aufzusteigen, sondern gegebenenfalls sogar interdisziplinär – und keinesfalls an ein Alter gebunden.

Nehmen wir als Beispiel einen schon älteren Produktionsmitarbeiter, der aus diesem Grund nicht mehr im vollen Schichtsystem arbeiten möchte und vielleicht sogar aus körperlichen Gründen nicht mehr wirklich dafür geeignet wäre.

Ihn intern umzuschulen, um ihm somit eine Möglichkeit zu geben, seinen reichhaltigen Erfahrungsschatz nun vor dem Computer in die Waagschalte zu werfen, könnte für beide Parteien eine Win-Win-Situation sein:
• Das Unternehmen kann sich wertvolle Fachkräfte aus dem eigenen Mitarbeiter-Pool erschaffen,
• die Mitarbeiter können in einen Beruf umsteigen, der ihnen (jetzt und künftig) besser liegt.
Natürlich ist dieses Beispiel mit dem älteren Schichtarbeiter nur eines von vielen. Ganz konkret existieren in vielen Betrieben vor allem für die Team-Mitglieder in der Produktion gewisse „gläserne Decken“, die ihnen einen Um- oder Aufstieg in die Büros verwehren.
Diese sollten, wo immer möglich, nachhaltig abgebaut werden. Gerade in der heutigen, hochflexiblen Arbeitswelt ist langjährige Erfahrung in einem Unternehmen oftmals kostbarer als eine nur theoretische Ausbildung.

Anders ausgedrückt: Zugehörigkeit zu einer Abteilung sollte es niemals verunmöglichen,
ggf. nach entsprechender Schulung, in eine andere aufzusteigen.

Gerade Industriebetriebe profitieren sehr von unterschiedlichsten Teambuilding-Maßnahmen – natürlich nur, wenn dabei Büro und Produktion vermischt werden.

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Keine Konkurrenzkämpfe um des reinen Konkurrenzkampfes willen

Die Mannschaft einer Anlage liegt mit der Bedienung einer gleichen, anderen Anlage im ständigen Wettstreit um höhere Produktionsquoten. Und die Leiter der verschiedenen Abteilungen in den Büros wetteifern ständig darum, wer die größeren Umsätze vorweisen kann.

Derartige Konkurrenzkämpfe gehören vielerorts zum Tagesgeschäft. Ja, sie werden sogar von den Verantwortlichen gefördert – schließlich profitiert immer das Unternehmen davon. Allerdings ist dieses „immer“ oft nur in der Theorie existent.

In der Praxis sorgen derartige Konkurrenzkämpfe oftmals für ein Abgleiten in eine persönliche Ebene: „Ich gegen dich“, „dein Team gegen meins“. Tatsächlich geht darüber oftmals der Fokus auf die eigentliche Arbeit verloren, entstehen Gräben, wo es doch notwendig wäre, gemeinsam als ein großes Team zu agieren.

Hierbei müssen Führungskräfte sehr viel Fingerspitzengefühl beweisen. Etwas Wettbewerb der Abteilungen untereinander kann die Produktivität steigern. Jedoch ist der Grat sehr schmal, auf dessen anderer Seite hieraus ein persönlicher Wettstreit wird, der dem Unternehmen langfristig nur schadet – etwa aufgrund verringerter Qualität.

Fazit: In vielen Industriebetrieben herrscht ein Klima von „unten in den Werkshallen, oben in den Büros“, das leider von vielen Führungskräften nicht konsequent genug beseitigt wird. Die Folge: Ein Betrieb, zwei grundverschiedene Attitüden unter den Mitarbeitern, und davon ausgehend oft genug unnötige Hemmnisse vielfältigster Art.

Dagegen lohnt es sich immer, konsequent vorzugehen. Selbst im so dramatisch unterschiedlichen Umfeld der Industrie können verbindende Gemeinsamkeiten geschaffen werden, die weit über den Arbeitgeber und die Branche als einzige Schnittmengen hinausgehen.