Konkursverfahren, Sanierungsplan, Schuldenregulierung : So funktionieren Insolvenzen in Österreich
Inhalt
- Rechtliche Grundlagen der Unternehmensinsolvenz
- Eröffnung des Insolvenzverfahrens
- Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung?
- Konkursverfahren: Der letzte Ausweg
- Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung
- Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung
- Der Sanierungsplan: Herzstück der Verfahren
- Außergerichtlicher Ausgleich: Die stille Lösung
- Rolle des Masseverwalters (Insolvenzverwalters)
- Rechte und Pflichten der Gläubiger und Schuldner
- Statistische Entwicklung der Insolvenzen in Österreich
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So funktionieren Insolvenzen in Österreich
- © FotoliaDie Insolvenz eines Unternehmens ist ein prägnantes Ereignis in der Wirtschaftswelt, das nicht nur die betroffenen Betriebe, sondern auch deren Gläubiger, Mitarbeiter und die Wirtschaft insgesamt beeinflusst. Ein besonders prominentes Beispiel ist die Insolvenz der Signa-Gruppe, die als größte Unternehmenspleite in der Geschichte Österreichs gilt. Doch wie funktionieren Insolvenzverfahren in Österreich eigentlich, und welche Arten gibt es?
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In Österreich stehen Unternehmen drei verschiedene Arten von Insolvenzverfahren zur Verfügung, abhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation und ihren Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung: das Konkursverfahren, das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung und das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Diese Verfahren folgen klar definierten gesetzlichen Vorgaben und bieten unterschiedliche Möglichkeiten, um mit einer finanziellen Krise umzugehen. Grundvoraussetzung für alle Verfahren ist jedoch, dass innerhalb von 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein Insolvenzantrag beim zuständigen Landesgericht oder – in Wien – beim Handelsgericht gestellt wird.
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Rechtliche Grundlagen der Unternehmensinsolvenz
Insolvenzordnung (IO): Die zentrale Rechtsgrundlage für Unternehmensinsolvenzen in Österreich ist die IO. Sie wurde 2010 im Rahmen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes (IRÄG 2010) eingeführt und löste die frühere Konkursordnung und Ausgleichsordnung ab.
Die Insolvenzordnung vereinheitlichte damit die Verfahren und schuf die heutigen Verfahrensarten: das Sanierungsverfahren (mit oder ohne Eigenverwaltung) und das Konkursverfahren. Neben der IO sind auch die Anfechtungsordnung (Regelungen zur Anfechtung von Rechtsgeschäften vor Insolvenz) und das Insolvenzrechts-Einführungsgesetz Teil des Rechtsrahmens, doch stehen diese hier nicht im Vordergrund.
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Unternehmensreorganisationsgesetz (URG): Ergänzend zur IO existiert das URG, das seit 1997 Unternehmen eine gerichtliche Reorganisation ermöglicht, ohne dass bereits eine Insolvenz vorliegt. Das URG kommt zur Anwendung, wenn ein Unternehmen zwar (noch) nicht zahlungsunfähig ist, aber gewisse finanzielle Kennzahlen eine erhebliche Gefährdung erkennen lassen. Typische Auslöser sind z. B. eine Eigenmittelquote von unter 8 % und eine fiktive Schuldentilgungsdauer von über 15 Jahren in den letzten zwei Jahresabschlüssen. In solchen Fällen spricht man von Reorganisationsbedürftigkeit. Das URG-Verfahren ermöglicht dem Unternehmen unter Hinzuziehung eines gerichtlich bestellten Reorganisationsprüfers einen Sanierungsplan zu erstellen und umzusetzen, um die Krise abzuwenden. Wichtig ist, dass ein URG-Verfahren kein Insolvenzverfahren ist – es wird nichtöffentlich bekannt gemacht, um dem angeschlagenen Unternehmen eine Chance zur stillen Sanierung zu geben. Allerdings wird das URG in der Praxis selten in Anspruch genommen, da es anspruchsvolle Voraussetzungen hat und häufig zu spät kommt.
Restrukturierungsordnung (ReO): Seit Juli 2021 gibt es zusätzlich einen präventiven Restrukturierungsrahmen, der auf EU-Ebene vorgegeben wurde. Österreich hat die EU-Restrukturierungsrichtlinie 2019/1023 mit dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRL-UG) umgesetzt. Kernstück ist die Einführung der Restrukturierungsordnung (ReO). Dieses gerichtliche Restrukturierungsverfahren soll wirtschaftlich grundsätzlich lebensfähigen Unternehmen eine frühzeitige finanzielle Restrukturierung ermöglichen, um eine Insolvenz abzuwenden. Zugang haben Unternehmen, bei denen eine Insolvenz wahrscheinlich ist – dies wird gesetzlich vermutet, wenn die oben genannten URG-Kennzahlen (Eigenmittelquote <8 % und Schuldentilgungsdauer >15 Jahre) erreicht sind. Das ReO ist ein eigenständiges Verfahren neben der Insolvenzordnung und soll helfen, drohende Zahlungsunfähigkeit rechtzeitig zu bekämpfen, etwa durch einen Restrukturierungsplan mit Zustimmung der Gläubiger.
Weitere rechtliche Grundlagen: Für spezielle Bereiche gelten Sonderregeln – z. B. Banken und Versicherungen unterliegen eigenen Abwicklungsmechanismen und Aufsichtsrecht, die nicht im Detail in der Insolvenzordnung geregelt sind. Insgesamt bilden jedoch IO, URG und ReO den wesentlichen gesetzlichen Rahmen für die Unternehmensinsolvenz und Sanierung in Österreich. Sie kommen abhängig vom Krisenstadium des Unternehmens zur Anwendung: präventiv (URG/ReO) oder bei eingetretener Insolvenz (IO).
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Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Ein Insolvenzverfahren folgt in Österreich einem gesetzlich festgelegten Ablauf. Das Verfahren kann grundsätzlich als Konkursverfahren (gerichtliche Liquidation) oder als Sanierungsverfahren (gerichtliche Sanierung mit Zahlungsplan) geführt werden
Der erste Schritt ist die Eröffnung des Verfahrens. Antragsrecht und -pflicht: Den Insolvenzantrag können entweder der Schuldner (das Unternehmen selbst) oder ein Gläubiger stellen. Unternehmen sind verpflichtet, spätestens 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.
Zahlungsunfähigkeit bedeutet, dass fällige Zahlungen nicht mehr geleistet werden können; Überschuldung bei juristischen Personen liegt vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt und die Fortbestandsprognose negativ ist. Wird diese Antragsfrist schuldhaft versäumt, drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Geschäftsführer.
Gerichtliche Prüfung: Zuständig ist das Landesgericht (in Wien das Handelsgericht) am Sitz des Unternehmens. Das Gericht prüft den Antrag und insbesondere, ob genügend Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten vorhanden ist. Ist keine kostendeckende Masse vorhanden und wird kein Kostenvorschuss (bis ca. 4.000 €) geleistet, dann wird der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen. Die Abweisung mangels Masse hat strenge Folgen: das Unternehmen wird im Firmenbuch gelöscht und verliert Gewerbeberechtigungen (mit einer drei Jahre währenden Sperre). Kann hingegen die Finanzierung des Verfahrens sichergestellt werden, und liegen die Insolvenzgründe vor, beschließt das Gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Wirkungen der Eröffnung: Mit der Verfahrenseröffnung gehen einige sofortige Rechtsfolgen einher: Die Verfügungsgewalt über das Unternehmensvermögen (die sogenannte Insolvenzmasse) geht vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter über. Zugleich tritt ein automatischer Vollstreckungs- und Prozessstopp ein – einzelne Gläubiger können nicht mehr separat klagen oder Exekution führen. Das Gericht veröffentlicht die Eröffnung samt Fristen in der Insolvenzdatei (Ediktsdatei). Gläubiger werden aufgefordert, ihre Forderungen binnen einer bestimmten Frist anzumelden.
Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung?
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Dies kann durch einen kurzfristigen Liquiditätsengpass entstehen, wenn beispielsweise Zahlungen von Kunden ausbleiben oder unerwartete Ausgaben die finanziellen Reserven übersteigen. Überschuldung hingegen tritt ein, wenn die Verbindlichkeiten eines Unternehmens das vorhandene Vermögen übersteigen und die sogenannte Fortbestehensprognose negativ ausfällt. Die Fortbestehensprognose ist eine zentrale Prüfung, bei der beurteilt wird, ob das Unternehmen in der Lage sein wird, seine Zahlungsverpflichtungen in der Zukunft zu erfüllen. Eine positive Fortbestehensprognose kann das Unternehmen vor der Insolvenz bewahren, selbst wenn es aktuell überschuldet ist.
Der Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist entscheidend, da er die Grundlage für die Wahl des Insolvenzverfahrens bildet. Ein Unternehmen, das sich in einer akuten Liquiditätskrise befindet, jedoch langfristig gute Überlebenschancen hat, könnte beispielsweise von einem Sanierungsverfahren profitieren, während bei hoffnungsloser Überschuldung häufig nur noch das Konkursverfahren infrage kommt.
Konkursverfahren: Der letzte Ausweg
Das Konkursverfahren stellt die endgültige Abwicklung eines insolventen Unternehmens dar und dient in erster Linie dazu, die Gläubiger so weit wie möglich zu befriedigen. Es handelt sich dabei um ein gerichtliches Verfahren, bei dem die Insolvenzmasse – also das gesamte noch vorhandene Vermögen des Unternehmens – verwertet wird. Ein gerichtlich bestellter Masseverwalter übernimmt die Verwaltung des Unternehmens, stellt offene Forderungen zusammen, liquidiert Vermögenswerte und verteilt den Erlös anteilig an die Gläubiger.
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Ein Konkursverfahren kann sowohl auf Antrag des Schuldners als auch auf Antrag eines Gläubigers eingeleitet werden. Voraussetzung ist, dass ein kostendeckendes Vermögen vorhanden ist oder der Schuldner die Verfahrenskosten vorschießt, die je nach Gericht bis zu 4.000 Euro betragen können. Ist dies nicht der Fall, wird das Verfahren in der Regel abgelehnt, und die Gewerbeberechtigung des Unternehmens wird entzogen. Die Gläubiger gehen in diesem Fall oft leer aus.
Das Konkursverfahren endet in der Regel mit der Auflösung des Unternehmens. Sollten jedoch während des Verfahrens unerwartet Möglichkeiten für eine Sanierung oder eine Einigung mit den Gläubigern entstehen, kann das Verfahren in ein Sanierungsverfahren umgewandelt werden.
Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung
Das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ist eine der zwei möglichen Varianten eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens. Es bietet dem Schuldner die Möglichkeit, das Unternehmen eigenständig weiterzuführen, während ein gerichtlicher Insolvenzverwalter die wirtschaftlichen Aktivitäten überwacht. Dieses Verfahren ist besonders geeignet für Unternehmen, die trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung über ein funktionierendes Geschäftsmodell und eine positive Fortbestehensprognose verfügen.
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Ein wesentlicher Unterschied zum Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung liegt in der Höhe der zu zahlenden Quote an die Gläubiger. Während im Verfahren ohne Eigenverwaltung lediglich eine Mindestquote von 20 Prozent gefordert wird, müssen im Verfahren mit Eigenverwaltung mindestens 30 Prozent der Schulden innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens – in der Regel zwei Jahre – beglichen werden. Diese höhere Quote gibt den Gläubigern einen Anreiz, dem Sanierungsplan zuzustimmen und dem Unternehmen eine zweite Chance zu geben.
Für die Durchführung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung sind jedoch strenge Auflagen zu erfüllen. Der Schuldner muss nachweisen, dass er in der Lage ist, die vorgeschriebene Quote zu erfüllen, und einen detaillierten Sanierungsplan vorlegen, der von den Gläubigern und dem Gericht geprüft wird. Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Gericht die Eigenverwaltung aufhebt, wenn der Schuldner seine Pflichten nicht erfüllt oder sich herausstellt, dass der Sanierungsplan unrealistisch ist.
Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung
Das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung ähnelt dem Verfahren mit Eigenverwaltung in vielen Punkten, jedoch übernimmt hier ein gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter die vollständige Kontrolle über das Unternehmen. Der Schuldner verliert somit die Möglichkeit, das Unternehmen eigenständig weiterzuführen. Diese Variante wird häufig gewählt, wenn das Vertrauen in die Fähigkeit des Schuldners, das Unternehmen zu sanieren, gering ist oder die wirtschaftliche Lage des Unternehmens besonders kritisch ist.
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Ein Vorteil dieses Verfahrens liegt in der stärkeren Kontrolle und Transparenz, die durch den Insolvenzverwalter gewährleistet wird. Gläubiger können sicher sein, dass ihre Interessen durch eine unabhängige Instanz vertreten werden. Auch hier spielt der Sanierungsplan eine zentrale Rolle, der von den Gläubigern mehrheitlich angenommen werden muss. Sollte dies nicht gelingen, wird das Verfahren in ein Konkursverfahren umgewandelt.
Der Sanierungsplan: Herzstück der Verfahren
Unabhängig davon, ob ein Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung durchgeführt wird, bildet der Sanierungsplan das zentrale Element des Verfahrens. Der Plan legt fest, wie die Schulden des Unternehmens innerhalb eines bestimmten Zeitraums abgebaut werden sollen und welche Maßnahmen zur Restrukturierung des Unternehmens vorgesehen sind.
Um den Sanierungsplan durchzusetzen, muss er von der Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Gläubiger angenommen werden. Diese Mehrheit muss nicht nur die Anzahl der Gläubiger, sondern auch mehr als die Hälfte der gesamten Forderungssumme repräsentieren. Wird der Plan angenommen, bestätigt ihn das Gericht, und das Insolvenzverfahren wird aufgehoben. Mit der Erfüllung des Sanierungsplans erlischt der Rest der Schulden, während Bürgschaften und andere Sicherheiten bestehen bleiben.
Je nach Situation und Zielsetzung gibt es verschiedene Arten von Sanierungsplänen, die sich in ihrem Ansatz und ihrer Ausgestaltung unterscheiden. Hier sind die wichtigsten Arten von Sanierungsplänen:
1. Schuldenregulierungsplan
Ein Schuldenregulierungsplan ist die häufigste Form eines Sanierungsplans und konzentriert sich darauf, die Verbindlichkeiten des Unternehmens zu reduzieren. Dies geschieht in der Regel durch eine vereinbarte Teilzahlung der Schulden, wobei die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Die wesentlichen Merkmale dieses Plans sind:
- Quotenregelung: Der Schuldner verpflichtet sich, einen bestimmten Prozentsatz der Schulden zu zahlen (mindestens 20 % im Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung und mindestens 30 % im Verfahren mit Eigenverwaltung).
- Zahlungsfristen: Die Restschulden werden in einem festgelegten Zeitraum (meist zwei Jahre) beglichen.
- Verzicht der Gläubiger: Gläubiger verzichten auf den verbleibenden Teil der Schulden nach erfolgreicher Erfüllung des Plans.
2. Restrukturierungsplan
Der Restrukturierungsplan geht über die bloße Schuldenreduktion hinaus und enthält umfassende Maßnahmen, um das Unternehmen wirtschaftlich wieder auf solide Beine zu stellen. Typische Elemente dieses Plans sind:
- Umstrukturierung der Geschäftsprozesse: Anpassungen in der Organisation, wie Kostensenkungsmaßnahmen, Rationalisierungen oder die Schließung unrentabler Geschäftsbereiche.
- Verkauf von Vermögenswerten: Der Verkauf nicht betriebsnotwendiger Vermögenswerte, um Liquidität zu schaffen und Schulden zu begleichen.
- Einsatz externer Expertise: Zusammenarbeit mit Beratern oder Sanierungsexperten, um die Umsetzung des Plans zu unterstützen.
- Zukunftsstrategie: Darstellung der geplanten Maßnahmen, die das langfristige Überleben des Unternehmens sichern sollen.
3. Vergleichsplan
Ein Vergleichsplan wird häufig genutzt, wenn das Unternehmen mit einzelnen Gläubigern zu speziellen Vereinbarungen kommt. Dieser Plan sieht eine individuelle Regelung der Forderungen vor, die beispielsweise durch eine Einmalzahlung oder verlängerte Zahlungsfristen beglichen werden. Merkmale sind:
- Individuelle Verhandlungen: Der Schuldner verhandelt direkt mit einzelnen Gläubigern über die Abwicklung der Schulden.
- Flexibilität: Der Plan kann auf die Bedürfnisse der jeweiligen Gläubiger zugeschnitten werden, was die Zustimmung wahrscheinlicher macht.
- Zeitersparnis: Vergleichspläne werden oft schneller umgesetzt, da sie weniger formale Anforderungen haben.
4. Liquidationsplan
Der Liquidationsplan wird angewendet, wenn die Fortführung des Unternehmens nicht mehr möglich oder sinnvoll ist. Ziel ist es, die Insolvenzmasse geordnet zu verwerten und die Gläubiger in einem geregelten Prozess zu befriedigen. Die Besonderheiten dieses Plans sind:
- Verkauf des Unternehmens: Das Unternehmen wird vollständig oder in Teilen verkauft.
- Verwertung von Vermögenswerten: Sämtliche Vermögenswerte werden liquidiert, um die Schulden zu decken.
- Abwicklung: Der Fokus liegt auf der geordneten Abwicklung des Unternehmens mit dem Ziel, eine möglichst hohe Gläubigerquote zu erreichen.
5. Kapitalmaßnahmen-Plan
Ein Sanierungsplan, der auf Kapitalmaßnahmen basiert, zielt darauf ab, die Eigenkapitalbasis des Unternehmens zu stärken oder die finanzielle Struktur anzupassen. Dazu gehören:
- Kapitalerhöhung: Einbringung neuer Eigenmittel durch Investoren, um das Unternehmen zu stabilisieren.
- Schuldenschnitte: Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital (Debt-to-Equity-Swap).
- Umschuldung: Neuverhandlungen von Kreditverträgen oder die Umstrukturierung bestehender Schulden zu günstigeren Konditionen.
6. Hybridpläne
Hybridpläne kombinieren verschiedene Ansätze, beispielsweise Elemente des Schuldenregulierungsplans und des Restrukturierungsplans. Diese Pläne sind besonders flexibel und können individuell an die Bedürfnisse des Unternehmens und der Gläubiger angepasst werden. Beispiele sind:
- Teilweise Schuldenreduktion kombiniert mit Umstrukturierungsmaßnahmen.
- Liquidation unrentabler Geschäftsbereiche bei gleichzeitigem Weiterbetrieb der Kernbereiche.
7. Fortführungsplan
Dieser Plan hat das Ziel, das Unternehmen in seiner Gesamtheit zu retten und weiterzuführen. Die Maßnahmen konzentrieren sich darauf, die Betriebskosten zu senken, den Umsatz zu steigern und die Profitabilität zu sichern. Wichtige Punkte sind:
- Gläubigerzufriedenheit: Maßnahmen zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.
- Langfristige Perspektive: Der Plan zeigt auf, wie das Unternehmen zukünftig profitabel arbeiten wird.
Die Wahl des Sanierungsplans hängt stark von der individuellen Situation des Unternehmens ab, darunter der Höhe der Schulden, der wirtschaftlichen Perspektive und der Kooperationsbereitschaft der Gläubiger. Ein gut ausgearbeiteter Sanierungsplan ist nicht nur ein rechtliches Dokument, sondern auch eine strategische Blaupause, die dem Unternehmen den Weg aus der Krise ebnet.
Außergerichtlicher Ausgleich: Die stille Lösung
Neben den gerichtlichen Insolvenzverfahren gibt es auch die Möglichkeit eines außergerichtlichen Ausgleichs. Diese Variante bietet sich an, wenn die Zahlungsunfähigkeit noch nicht offiziell eingetreten ist und das Unternehmen in der Lage ist, mit seinen Gläubigern individuelle Vereinbarungen zu treffen. Der Vorteil eines außergerichtlichen Ausgleichs liegt in der Vertraulichkeit des Verfahrens. Da keine gerichtliche Anmeldung erforderlich ist, bleibt die finanzielle Notlage des Unternehmens in der Regel unbemerkt, wodurch ein möglicher Imageschaden vermieden werden kann.
Ein außergerichtlicher Ausgleich erfordert jedoch die Zustimmung aller beteiligten Gläubiger, was in der Praxis oft schwierig zu erreichen ist. Zudem bietet diese Lösung keinen rechtlichen Schutz vor weiteren Forderungen, falls einzelne Gläubiger nicht einverstanden sind. Dennoch kann ein außergerichtlicher Ausgleich eine attraktive Option für Unternehmen sein, die ihre finanzielle Situation diskret regeln möchten.
Rolle des Masseverwalters (Insolvenzverwalters)
Mit Eröffnung des Verfahrens bestellt das Gericht einen Insolvenzverwalter. Abhängig von der Verfahrensart spricht man von Masseverwalter (im Konkurs oder Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung) bzw. Sanierungsverwalter (im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung). Dieser Verwalter ist eine unabhängige, qualifizierte Person (meist Rechtsanwälte mit Spezialkenntnis), die vom Gericht ausgewählt wird. Die Hauptaufgaben des Masseverwalters sind:
- Sicherung und Verwaltung der Insolvenzmasse: Er übernimmt die Kontrolle über das gesamte Vermögen des Schuldners – vom Bankguthaben über Warenlager bis zu Immobilien – und führt unternehmerische Entscheidungen nur noch im Interesse der Gläubigergesamtheit aus.
- Fortführung oder Schließung des Betriebs: Der Verwalter entscheidet, ob und wie der Geschäftsbetrieb weitergeführt wird. Innerhalb von 90 Tagen muss er dem Gericht berichten, ob eine Fortführung Aussicht hat oder der Betrieb eingestellt werden soll. Oft wird versucht, den Betrieb zumindest vorübergehend weiterzuführen, um eine bessere Verwertung (z. B. Verkauf als Ganzes) zu ermöglichen.
- Prüfung und Anerkennung von Forderungen: Gläubigerforderungen, die angemeldet werden, prüft der Verwalter der Höhe und dem Grund nach. In einer Prüfungstagsatzung werden diese Forderungen festgestellt oder bestritten. Bestrittene Forderungen müssen ggf. in getrennten Prozessen geklärt werden.
- Vermögensverwertung und Verteilung: Im Konkurs sorgt der Masseverwalter für die Veräußerung der Vermögenswerte – z. B. durch Versteigerung von Anlagegütern, Verkauf des Warenlagers, Einziehung von Außenständen – und erstellt einen Verteilungsentwurf, wie der Erlös an die Gläubigerquoten verteilt wird.
- Allgemeine Verwaltung: Er verwaltet laufende Geschäfte, hat z.B. das Postrecht (empfängt die gesamte Post des insolventen Unternehmens), darf Personal weiterbeschäftigen oder kündigen und so weiter – immer unter der Maxime der Gläubigerbefriedigung.
Der Insolvenzverwalter ist zur Unparteilichkeit verpflichtet und darf weder dem Schuldner noch einem Gläubiger nahe stehen. Er berichtet dem Insolvenzgericht und unterliegt dessen Aufsicht. Für die Gläubiger ist der Verwalter der zentrale Ansprechpartner im Verfahren.
Rechte und Pflichten der Gläubiger und Schuldner
Gläubigerrechte: Mit Eröffnung der Insolvenz sind Individualrechte der Gläubiger zunächst eingeschränkt – Einzelvollstreckungen sind gesperrt. Gläubiger müssen innerhalb einer vom Gericht festgelegten Frist ihre Insolvenzforderungen anmelden. Diese Forderungen werden dann im Verfahren berücksichtigt. Alle Gläubiger einer bestimmten Rangklasse (z.B. unbesicherte Insolvenzforderungen) sind grundsätzlich gleich zu behandeln (Quote). Ein einzelner Insolvenzgläubiger hat also kein Vorgriffsrecht mehr auf bestimmte Vermögensstücke, sondern bekommt am Ende den gleichen prozentualen Anteil (Quote) wie die anderen.
Gläubiger können ihre Interessen aber gemeinsam geltend machen: Oft wird ein Gläubigerausschuss eingesetzt (insbesondere bei größeren Insolvenzen), der den Insolvenzverwalter überwacht und bei wichtigen Entscheidungen (etwa Verkauf des Unternehmens, Fortführungskonzepte etc.) mitentscheidet. In Gläubigerversammlungen haben Gläubiger zudem Informations- und Mitspracherechte. Insbesondere über einen Sanierungsplan stimmen die betroffenen Insolvenzgläubiger ab und entscheiden damit über Annahme oder Ablehnung des angebotenen Vergleichs. Zur Annahme ist eine Doppelmehrheit erforderlich (Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Gläubiger und diese müssen mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der angemeldeten Forderungen vertreten). Besicherte Gläubiger (etwa Banken mit Pfandrecht) nehmen nur mit ihrem voraussichtlich ungesicherten Ausfall an der Quote teil. Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens genießen besonderen Schutz: Sie können aus dem staatlichen Insolvenzentgeltfonds ihre offenen Gehälter und Abfertigungen beantragen. Für Arbeitnehmerforderungen und gewisse Masseforderungen gilt überdies ab Verfahrenseröffnung eine 6-monatige Kündigungssperre – das soll verhindern, dass z.B. wichtige Lieferverträge oder Mietverträge sofort gekündigt werden.
Schuldnerpflichten: Der insolvente Unternehmer (Schuldner) hat während des Verfahrens Mitwirkungspflichten. Er muss dem Insolvenzverwalter umfassend Auskunft über die Geschäftslage, Vermögenswerte, Schulden etc. geben. Er hat alles zu unterlassen, was die Gläubiger schädigen könnte – z.B. keine Vermögensverschiebungen vornehmen oder einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigen (solche Handlungen könnten vom Verwalter nach der Anfechtungsordnung rückgängig gemacht werden). Stellt der Schuldner einen Sanierungsplan in Aussicht, muss er eng mit Verwalter und Gericht kooperieren, um die dafür nötigen Unterlagen (Fortführungsprognose, Finanzplan, Investorenangebote etc.) beizubringen. Kommt es zur Konkursliquidation, trifft den Schuldner die Pflicht, dem Verwalter die gesamte Masse herauszugeben.
Nach Abschluss des Verfahrens – im Fall einer Sanierung nach Plan – darf der Schuldner das Unternehmen schuldenbereinigt fortführen. Im Fall des Konkurses endet seine Unternehmenstätigkeit meist; eine natürliche Person kann nach Schluss des Konkursverfahrens versuchen, als überschuldete Privatperson in einen Privatkonkurs (Schuldenregulierungsverfahren) zu gehen, um doch noch Restschuldbefreiung zu erlangen. Für juristische Personen (GmbH, AG) führt eine Konkursauflösung meist zur Löschung der Gesellschaft.
Statistische Entwicklung der Insolvenzen in Österreich
In den letzten Jahren war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Österreich starken Schwankungen unterworfen. Nach einem historischen Tiefstand während der COVID-19-Pandemie (bedingt durch staatliche Hilfen und gesetzliche Erleichterungen) sind die Insolvenzzahlen zuletzt wieder deutlich gestiegen und haben teils Vorkrisenniveau übertroffen.
Aktuelle Zahlen: Im Jahr 2023 wurden in Österreich 5.338 Unternehmensinsolvenzen gezählt – das sind rund 13 % mehr als im Jahr 2022. Damit entsprach 2023 etwa 15 Firmenpleiten pro Tag, so viele wie seit etwa einem Jahrzehnt nicht mehr. Zum Vergleich: 2022 lag die Zahl der Insolvenzen bei 4.725 Fällen. Dieser Anstieg markiert die Rückkehr bzw. Überkompensation des lange gedrückten Insolvenzgeschehens: Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 (damals knapp 5.000 Fälle) bedeutete 2023 sogar ein Plus von etwa 7–10 %. Für das Jahr 2024 deuten vorläufige Auswertungen auf einen weiteren Anstieg hin (bis zu ~23 % mehr Insolvenzen laut ersten Quartalen 2024), was ein neues Rekordniveau bedeuten könnte. Dies zeigt, dass nach Auslaufen der Corona-Hilfen viele „Zombie“-Unternehmen nun doch insolvenzreif wurden.
Betroffene Branchen: Die Insolvenzen verteilen sich nicht gleichmäßig über alle Branchen. 2023 besonders betroffen war der Dienstleistungssektor, gefolgt vom Handel und der Bauwirtschaft. Im Handel etwa gab es 2023 insgesamt 988 insolvente Unternehmen – so viele wie seit Jahren nicht mehr. Vor allem der Einzelhandel litt unter ausbleibenden Nachholeffekten nach der Pandemie, hohen Energiekosten und sinkender Konsumlaune. Auch im Bausektor stieg die Zahl der Pleiten deutlich an; gestiegene Zinsen und Materialkosten sowie eine abflauende Baukonjunktur setzen viele Baufirmen unter Druck. Ebenfalls stark betroffen waren Beherbergung und Gastronomie, wo nach den schwierigen Corona-Jahren 2023 wieder viele Betriebe schließen mussten. Tendenziell sind Branchen mit vielen Kleinstunternehmen (Gastronomie, Handel) insolvenzanfälliger, während z.B. Industrieunternehmen seltener, dann aber oft mit größeren Schadenssummen insolvent werden.
Regionale Unterschiede: Auch regional zeigen sich Unterschiede in der Insolvenzentwicklung. Grundsätzlich verzeichnet Wien als Wirtschafts- und Unternehmensmetropole die meisten Unternehmensinsolvenzen in absoluten Zahlen (2023: rund 1.182 eröffnete Insolvenzverfahren in Wien). Doch alle Bundesländer sahen 2023 einen Anstieg der Firmenpleiten gegenüber dem Vorjahr. Die größten Zuwachsraten wurden in kleineren Bundesländern registriert – etwa im Burgenland (+27 %), in Kärnten (+26 %) und in Niederösterreich (+25 %). Diese prozentualen Sprünge sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass 2022 dort sehr niedrige Fallzahlen verzeichnet wurden (Basiseffekt). In absoluten Zahlen nach Wien folgten 2023 Niederösterreich (~699 eröffnete Verfahren), Oberösterreich (~360) und die Steiermark (~430). Die regionale Insolvenzdichte hängt u.a. von der Unternehmensstruktur ab – in Wien dominieren Dienstleistungs- und Handelsbetriebe, während etwa Tirol und Salzburg durch Tourismus geprägt sind, was zu unterschiedlichen Insolvenzmustern führen kann.