Krise in der Automobilzulieferindustrie : Immer mehr Zulieferer schlittern in die Insolvenz

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Immer mehr Zulieferer schlittern in die Insolvenz

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Die ZF Friedrichshafen AG, einer der weltweit größten Automobilzulieferer neben Branchengrößen wie Bosch und Denso, steht vor enormen Herausforderungen. Als Unternehmen, das traditionell auf die Fertigung von Getrieben für Verbrennungsmotoren spezialisiert ist, musste ZF in den vergangenen Monaten zahlreiche negative Schlagzeilen verkraften. So kündigte der Konzern Ende Juli 2023 an, bis zum Jahr 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Stellen in Deutschland abzubauen.

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Der Wandel hin zur Elektromobilität stellt die gesamte Automobilbranche vor tiefgreifende Veränderungen – für ZF sind die Folgen jedoch besonders einschneidend. Dennoch sehen Branchenexperten keinen Grund für übermäßigen Pessimismus. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ lässt sich ein klarer Trend erkennen: Große Zulieferer wie ZF, aber auch Bosch, Continental und Schaeffler, zeigen sich anpassungsfähig und überstehen die Krise. Dank ihrer starken finanziellen Basis oder der Fähigkeit, Banken von ihrer Zukunftsfähigkeit zu überzeugen, sichern sich diese Unternehmen ausreichend Kapital, um gestärkt aus den aktuellen Herausforderungen hervorzugehen.

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Zulieferer in der Insolvenz

Während große Automobilzulieferer wie ZF und Bosch trotz der Herausforderungen der Elektromobilität bestehen, kämpfen kleine und mittelständische Unternehmen ums Überleben. Viele von ihnen haben nicht die finanziellen Reserven, um den tiefgreifenden Wandel zu bewältigen und fallen der Krise zum Opfer. Die „Süddeutsche Zeitung“ beschreibt, wie vor allem familiengeführte Betriebe in dieser Situation untergehen.

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Das betrifft nicht nur Unternehmen, die direkt Teile für Verbrennungsmotoren wie Kolben oder Benzinpumpen produzieren. Auch Betriebe, die weniger offensichtliche Komponenten liefern, sind betroffen. So mussten im September sowohl die Federnfabrik Erwin Lutz aus Eningen als auch der Zulieferer WKW aus Wuppertal, der Zierleisten für große Automarken wie Mercedes, BMW und VW herstellt, Insolvenz anmelden.

Ebenso hart getroffen wurde Recaro Automotive, bekannt für seine hochwertigen Autositze, die bei Herstellern wie Aston Martin, BMW, Lamborghini und Mercedes gefragt sind. Trotz eines Jahresumsatzes von rund 50 Millionen Euro musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, was die Arbeitsplätze von 215 Mitarbeitern in Kirchheim unter Teck gefährdet.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist der Automobilzulieferer Leoni aus Franken, der sich in einer unsicheren Lage befindet. Der österreichische Mehrheitseigentümer Stefan Pierer plant, seine Aktienmehrheit an den chinesischen Kabelhersteller Luxshare zu verkaufen. Der Deal, der im September vereinbart wurde, sorgt für politische Spannungen, da der wachsende Einfluss Chinas in der deutschen Autoindustrie kritisch gesehen wird. Ob der Verkauf finalisiert wird, hängt von der Zustimmung des deutschen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck ab.

Hat Insolvenz angemeldet: Die Federnfabrik Erwin Lutz
Hat Insolvenz angemeldet: Die Federnfabrik Erwin Lutz - © Erwin Lutz GmbH

Zulieferer müssen Strategie neu ausrichten

Auch die österreichische Automobilzulieferindustrie steht aufgrund der Umstellung auf Elektromobilität vor erheblichen Herausforderungen. Auch hierzulande sind kleinere Zulieferer besonders betroffen, die Schwierigkeiten haben, sich den neuen Marktbedingungen anzupassen. Der Trend zur Elektrifizierung und Digitalisierung zwingt viele Unternehmen zu hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Während einige der größeren Player wie Benteler zu den Top-Zulieferern in der DACH-Region zählen, kämpfen kleinere und mittelständische Betriebe mit fehlenden finanziellen Ressourcen und der zunehmenden Konkurrenz aus Asien.

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Die Branche verzeichnet eine langsame Anpassung an die neuen Anforderungen. Viele Unternehmen agieren noch zu konservativ, was es ihnen erschwert, von der wachsenden Nachfrage nach Elektronik und Software zu profitieren. Kooperationen und strategische Partnerschaften werden daher immer wichtiger, um innovative Technologien gemeinsam zu entwickeln und Kosten zu teilen​.

Die Automobilzulieferer in Österreich müssen daher ihre Strategien neu ausrichten, um flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren und sich zukunftssicher aufzustellen. Trotz der Schwierigkeiten herrscht aber auch Optimismus: Rund 80 % der Unternehmen erwarten Umsatzzuwächse in den nächsten Jahren​.

Pankl Racing Systems, bekannt für hochleistungsfähige Antriebskomponenten, hat in den letzten Jahren intensiv in die Entwicklung von Bauteilen für Elektrofahrzeuge investiert, um den Übergang zu meistern​. Gleichzeitig sieht sich Miba, ein führender Hersteller von Gleitlagern und Reibbelägen, gezwungen, seine Innovationskraft zu stärken, indem es auf neue Märkte wie Batterietechnologie und E-Antriebe setzt​.

Insolvenzen häufen sich

In den letzten Jahren sind mehrere österreichische Automobilzulieferer in die Insolvenz geraten. Ein prominentes Beispiel ist die MGG Herzogenburg GmbH aus Niederösterreich, die Ende 2023 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt hat. MGG, ein bedeutender Hersteller von Aluminiumgussteilen wie Motor- und Fahrwerkskomponenten, sieht sich durch drastisch gesunkene Abnahmezahlen von Kunden aus der Automobilbranche stark betroffen. Rund 200 Mitarbeiter sind von der Insolvenz betroffen. Das Unternehmen steht nun vor einer umfassenden Restrukturierung​.

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Ein weiteres Beispiel ist der Gleisdorfer Automobilzulieferer DAM (Dynamic Assembly Machines), der ebenfalls Insolvenz anmelden musste. Trotz eines umfangreichen Schuldenbergs versucht auch dieses Unternehmen, sich durch ein Sanierungsverfahren zu retten. Solche Insolvenzen verdeutlichen, dass viele österreichische Zulieferer unter den steigenden Anforderungen der Elektromobilität und den Folgen der Absatzkrise in der europäischen Automobilindustrie leiden.

ABD0016_20231229 - HERZOGENBURG - ?STERREICH: ++ HANDOUT/ARCHIVBILD ++ ZU APA0152 VOM 29.12.2023 - Der nieder?sterreichische Automobilzulieferer MGG Herzogenburg GmbH hat am Freitag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht St. P?lten beantragt. Das Unternehmen mit Sitz im Bezirk St. P?lten besch?ftigt derzeit laut einer Aussendung rund 200 Mitarbeiter. Im Bild: Die Zentrale der MGG. (UNDATIERTES ARCHIVBILD) - FOTO: APA/PRIVAT - ++ WIR WEISEN AUSDR?CKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GR?NDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEF?HRTEN ZWECK UND REDAKTIONELL ERFOLGEN DARF - VOLLST?NDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND ++
Der niederösterreichische Automobilzulieferer MGG Herzogenburg GmbH hat ein Sanierungsverfahren am Landesgericht St. Pölten beantragt. - © APA/PRIVAT