So gelingt die grüne Transformation : EY-Experte: "Strategisches Vakuum im Nachhaltigkeitsbereich"

Green Building

Nachhaltigkeit: Nicht mehr reiner Idealismus.

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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Plas, Sie beraten Unternehmen seit über 30 Jahren im Bereich Nachhaltigkeit. Kann es sich ein Unternehmen heute noch leisten, nicht nachhaltig zu werden?

Plas:
Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren gewandelt und ist nicht mehr reiner Idealismus, sondern Realismus. Unternehmen, gerade in Europa, müssen nachhaltig werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Allein aus regulatorischer Perspektive wird es sonst ganz schnell eng – da denke ich zum Beispiel an die CSRD, die in Österreich in den kommenden Monaten und Jahren defacto von allen größeren Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht verlangt. Aber es ist nicht der regulatorische Druck alleine, auch andere Stakeholdergruppen wie Kund:innen oder Mitarbeitende fordern Nachhaltigkeit von Unternehmen – beide sind für den Geschäftserfolg absolut entscheidend. Hinzu kommen dann noch Investor:innen. Die Hälfte investiert bereits in ESG-Produkte, vor allem bei Immobilien, Infrastruktur und Venture Capital wird das Interesse in den nächsten Jahren steigen. Insgesamt sehe ich darin, trotz Realismus, auch eine moralische Komponente – wir schulden es zukünftigen Generationen alles zu versuchen, um einen gesunden Planeten und eine funktionierende Welt zu hinterlassen.

Reimoser:
Das sehe ich genauso. Nachhaltigkeit birgt neben zahlreichen Risiken auch viele Chancen für Unternehmen, weil sich neue Geschäftsfelder eröffnen. Ich denke da beispielsweise an die Nutzung oder Speicherung von CO2, hier brauchen wir weitere Technologien – ebenso wie in Sachen Energiegewinnung und -speicherung. Wenn wir das Momentum richtig nutzen, können Österreich und Europa langfristig von Nachhaltigkeit profitieren.

Wo stehen österreichische Betriebe in diesem Punkt aktuell?


Reimoser:
Wir befragen bei EY einmal jährlich 600 österreichische Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit. Zwei Drittel von ihnen hatten im letzten Jahr noch keine schriftliche Nachhaltigkeits- und Klimastrategie, vor allem die Bereiche Transport, Immobilien- und Bauwirtschaft sowie die Industrie hinken hinterher. Zwei von fünf Unternehmen haben auch keinen Maßnahmenplan zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 und planen auch keinen.

Plas:
Das bringt große Risiken mit sich – nicht nur aus ökologischer und sozialer Sicht. Wir verpassen als Wirtschaftsstandort vielleicht eine Chance, um zukünftige Wachstumspotenziale zu nutzen. Auch wenn wir punktuell immer mehr Nachhaltigkeitsinitiativen bei heimischen Unternehmen beobachten, herrscht nach wie vor mehrheitlich ein strategisches Vakuum im Nachhaltigkeitsbereich.

Den Ansprüchen der unterschiedlichen Stakeholder gerecht zu werden, ist für Unternehmen sicher schwierig. Was sind die wesentlichen Herausforderungen?


Plas:
Selbstverständlich birgt diese Transformation zahlreiche Herausforderungen für Betriebe. Allein um die richtigen Strukturen für ein Nachhaltigkeitscontrolling und -reporting zu schaffen, wie es eben für die CSRD verlangt wird, braucht es wirkliche Expertise. Für die EU-Taxonomie wird tiefgreifendes Branchenwissen gefordert. Ich würde sagen, es steht und fällt alles mit den richtigen Köpfen. Die Transformation hin zu Nachhaltigkeit ist für jedes einzelne Unternehmen umfassend und trifft fast immer alle Unternehmensbereiche.

Reimoser:
Deshalb ist es in erster Linie eine Frage von fundiertem Know-how, von umfassenden Ressourcen und von großen Kapazitäten. Die richtigen Fachkräfte zu finden, ist in Österreich nicht so einfach – dafür wurde in der Vergangenheit zu wenig in spezialisierte Ausbildung in diesem Bereich gesetzt. Deshalb freut es mich, dass wir bei EY jetzt gemeinsam mit EY denkstatt in Österreich ein großes Team für Nachhaltigkeitsberatung und -prüfung mit 120 Mitarbeitenden haben, die sich rein auf dieses Thema spezialisieren. In dieser Konstellation können wir die Unternehmensstrukturen unserer Kund:innen eins zu eins spiegeln, sie entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette begleiten und End-2-End-Lösungen für ihre Probleme und auch spezialisiert auf ihre Branche bieten.

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"Nachhaltigkeit birgt viele Chancen, weil sich neue Geschäftsfelder eröffnen." Gunther Reimoser, Country Managing Partner, EY Österreich EY Österreich - © www.christinahaeusler.at

Herr Plas, Sie haben die denkstatt gegründet und aufgebaut. Jetzt ist sie seit April Teil von EY. Warum sind Sie diesen Schritt gegangen?

Plas: Wichtig war für uns, einen kulturellen Match zu finden, das war bei EY der Fall. Wir fühlen uns alle einem größeren, gemeinsamen Ziel verbunden – einen klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaftsstandort Österreich zu schaffen und den Wandel im Sinne einer lebenswerten Zukunft für uns alle voranzutreiben. Spannend war für uns gerade auch die internationale Ausrichtung von EY. Zum einen können wir von dieser Abdeckung profitieren, neue Perspektiven für unsere Kund:innen aber auch unsere Mitarbeitenden schaffen, weltweit für Unternehmen beratend tätig sein. Und zum anderen freue ich mich, wenn EY-Kolleg:innen aus anderen Ländern von unserem Know-how profitieren. Wir haben viel zu bieten, ich denke da etwa an unsere Expertise im Bereich Klimastrategie oder Ökobilanzierung.

Reimoser: Nachhaltigkeit ist nicht nur sehr komplex, sondern auch hoch-dynamisch. Bei uns arbeiten im Rahmen der Initiative EY Sustainability klassische Managemenberater:innen, Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen Seite an Seite mit Expert:innen zu ESG-Reporting, Nachhaltigkeitsregulatorik, EHS-Management, Ökobilanzierung und Footprinting, Kreislaufwirtschaft oder auch ESG-Software. Auch technische Ingenieur:innen, Data-Scientists und Architekt:innen sind mit an Bord. Wir decken so jede Perspektive ab, können Unternehmen in allen Fragestellungen begleiten. Ganz im Sinne unseres EY-Purpose Building a better working world schaffen wir in diesem neuen Set-up noch mehr positiven Impact und bieten Mehrwehrt für unsere Kund:innen, unsere Mitarbeiter:innen und unseren Wirtschaftsstandort.

Im Interview: Gunther Reimoser ist Country Managing Partner bei EY Österreich. Christian Plas ist Partner bei EY denkstatt und Leiter der Nachhaltigkeitsberatung bei EY Österreich.

Seit Ende April ist denkstatt Teil von EY Österreich und tritt unter dem Namen EY denkstatt am Markt auf. Damit steht bei EY ein Team mit rund 120 Mitarbeitenden für Nachhaltigkeitsberatung und Nachhaltigkeitsprüfung in Österreich zur Verfügung.

Christian Plas
"Es herrscht nach wie vor ein strategisches Vakuum im Nachhaltigkeitsbereich." Christian Plas, Partner bei EY denkstatt und Leiter der Nachhaltigkeitsberatung EY Österreich - © WWW.POV.AT