Interview : Computer sucht Coach

Klaiton-Gründer Tina Deutsch und Nikolaus Schmidt

Gründer der Consulting- und Coaching-Plattform Klaiton: Tina Deutsch und Nikolaus Schmidt.

- © Klaiton

Es war ein ungewöhnlicher und in Fachkreisen durchaus viel diskutierter Deal, als Tina Deutsch und Nikolaus Schmidt 2018 die Mehrheit an ihrer gerade einmal drei Jahre zuvor gegründeten Consulting- und Coaching-Plattform Klaiton an die Haufe Gruppe abgaben. So schnell legen Start-Uper einen Exit normalerweise nicht hin.

Doch die Idee, die mit dem Haufe-Deal verbunden war, klang verlockend und nachvollziehbar: Haufe hat einen gigantischen Kundenstock quer über den gesamten DAX und darüber hinaus, Klaiton ein innovatives Produkt, das man im Verbund mit Haufe viel besser vermarkten könnte.

„Relativ bald haben wir aber gemerkt, dass unsere Services so anders sind als die sonst von Haufe angebotenen Produkte, sodass die Haufe-Sales Mannschaft sie nicht wirklich gut am Markt positionieren konnte“, erzählt Co-Founderin Tina Deutsch. Versuche, daran etwas zu ändern, gelangen nicht wirklich: „Unsere Angebote gingen in der umfangreichen Haufe-Welt letztendlich vielleicht etwas unter.“

"Wir sind neutrale Vermittler. Wir haben kein Interesse daran, dass ein bestimmter Coach zum Zug kommt."
Tina Deutsch, Co-Founderin und Managing Partner, Klaiton

Was Deutsch und ihren Mitgründer Nikolaus Schmidt dazu veranlasste, die Plattform per Management-Buy-Out wieder aus der Haufe-Gruppe herauszutrennen. Seit Anfang des Jahres firmiert das Unternehmen wieder als Klaiton, genau gesagt als: Klaiton Advisory GmbH.

Die gemeinsame Zeit mit Haufe wollen die beiden Klaiton-Gründer allerdings nicht missen. „Wir haben die Zusammenarbeit sehr geschätzt und durch diese Kooperation sehr viel gelernt. Heute sind wir von unserer Struktur und unseren Prozessen her noch besser in der Lage, auch ganz große, global agierende Kunden mit höchster Professionalität zu bedienen“, sagt Tina Deutsch.

"Möglichst genaue Passung zwischen Coach und Coachee"

Tina Deutsch, Co-Founderin und Managing Partner von Klaiton erklärt, warum Software am besten entscheiden kann, welcher Coach zu wem passt.

INDUSTRIEMAGAZIN: Sie haben Ihr noch junges Unternehmen, Klaiton, durch ein Management Buyout nach nur vier Jahren wieder aus der Haufe-Gruppe herausgelöst. Warum eigentlich?

Tina Deutsch:
So viel wir durch die Zusammenarbeit mit Haufe auch gelernt haben, letztlich sind die Felder, die wir bearbeiten, zu unterschiedlich, um gemeinsam vermarktet werden zu können. Haufe hat sich in den letzten Jahren noch stärker als früher für die Fokussierung auf hochskalierbare, standardisierte Massenprodukte entschieden. Wir stehen für exakt das Gegenteil.

Exakt für das Gegenteil bedeutet was?


Deutsch:
Unsere zwei Services Klaiton Consulting und Klaiton Coaching sind durch eine starke Dienstleistungskomponente gekennzeichnet. Im Coaching beispielsweise ist eine möglichst genaue Passung zwischen dem Coach und dem Coachee besonders wichtig. Dieses Matching sehen wir als eine unserer Kernkompetenzen an. Das ist ein ganz anderer Zugang als fix definierte Produkte wie beispielsweise Seminare mit vorgegebenen Vortragenden zu vertreiben. Außerdem ist unser Coaching-Produkt inhaltlich durchaus anspruchsvoll zu platzieren: Es handelt sich um eine digitale Plattform, über die Unternehmen nicht nur geeignete Coaches finden können, sondern ihre gesamten Transformationsprozesse managen können.

Wenn aber jeder Transformationsprozess anders ist, wie lässt sich eine Software-Lösung aufsetzen, die solche individuellen Prozesse adäquat abbildet?


Deutsch:
Inhaltlich unterscheiden sich solche Prozesse natürlich. In ihrer Struktur sind sie sich aber doch ähnlich genug, dass man hier ein mit mehreren Layern versehenes System aufsetzt, das in den unterschiedlichsten Kontexten anwendbar ist. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn Sie in einer großen Organisation Change-Management betreiben, dann ist ein Schritt, den Sie immer tun müssen, jene Multiplikatoren im Unternehmen zu identifizieren, die den Wandel weitergeben, die andere Mitarbeiter für den Wandel gewinnen. Diese Multiplikatoren können ihrerseits durch die Unterstützung von Coaches, die sie über einen bestimmten Zeitraum begleiten, enorm profitieren. Über unsere Plattform können Unternehmen nicht nur für ebendiese Multiplikatoren per Knopfdruck die passenden Coaches finden, sondern den gesamten Prozess rundherum steuern. Sie sehen, zum Beispiel, wann welche Coachings stattgefunden haben, wo welche ausständig oder angefragt sind, und können auf der organisationalen Ebene Learnings aus den Coachingprozessen ableiten.

Die Plattform findet per Knopfdruck den bestmöglichen Coach? Eine Maschine bzw. Software entscheidet welcher Coach zu wem am besten passt?


Deutsch:
Ja, sonst könnten wir unseren riesigen Pool aus rund 1200 Coaches und Beratern weltweit gar nicht richtig nutzen. Wir haben für jeden unserer Coaches im System die inhaltlichen Schwerpunkte und Expertise hinterlegt, genauso aber, aufgrund intensiver Beobachtungen, Tests und Vorgespräche seine Arbeitsweisen, Verhaltenspräferenzen und vieles mehr. All das matchen wir mit den Wünschen und Angaben der Unternehmen bzw. Coachees. Diese Arbeit wird von Algorithmen erledigt, am Ende wird das Ergebnis aber immer von unserem Team überprüft.

Tina Deutsch, Co-Founderin und Managing Partner, Klaiton: "All das matchen wir mit den Wünschen und Angaben der Unternehmen und Coachees"

- © Klaiton

Und dann kommt raus: Coach XY ist für Herrn A oder Frau B für diese konkrete Aufgabe die bestmögliche Unterstützung?

Deutsch:
Ja, grundsätzlich schon. Wobei wir immer eine Auswahl anbieten, die meisten Kunden nehmen allerdings tatsächlich den ersten Vorschlag und sind in der Regel auch sehr zufrieden damit. Wenn Sie konventionell auf die Suche nach einem Coach gehen, sind die Auswahlkriterien, die Sie haben, alles andere als zuverlässig: das wahrgenommene Alter, eventuell das Geschlecht und ob Ihnen das Gesicht am Foto sympathisch ist. Oder eben je nachdem was der Coach im Internet von sich präsentiert. Da bieten wir um Welten mehr. Und, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt: Wir sind unabhängig. Wir haben kein Interesse daran, dass ein bestimmter Coach zum Zug kommt, wir sind neutrale Vermittler.

Die Coachings selbst finden dann auch digital statt?


Deutsch:
Ja, immer öfter. Wir hatten schon vor Corona einen recht großen Anteil an Online-Coachings, jetzt nehmen das auch viele Kunden in Anspruch, die früher noch Bedenken hatten. Es gibt übrigens inzwischen unzählige Studien, die zeigen, dass Online-Coaching dieselbe Wirksamkeit hat wie ein Coaching im Face-to-Face Kontext. Das ist auch nachvollziehbar: Es gibt in diesem Setting nur den Bildschirm und den Coach, keine Anreise, keine lästige Parkplatzsuche, kein ablenkendes Drumherum. Und: Sie bekommen das Coaching, wenn Sie es brauchen, nicht drei Tage später, weil das Treffen erst dann angesetzt ist.

Die von Ihnen vermittelten Coaches sind tatsächlich rund um die Uhr für die Kunden verfügbar?


Deutsch:
Das nicht, aber Verfügbarkeit, wenn gerade ein dringendes Thema ansteht, ist ein wichtiges Kriterium. Online lässt sich das viel leichter umsetzen, weil man eben auch einmal schnell 15 Minuten zwischendurch per Video sprechen kann. Und oft geht es im Coaching um eine zeitnahe Bearbeitung des Anliegens des Coachee. Am Ende muss die Zielsetzung jedes Coachings sein, echte Wirkung für den Coachee und das Unternehmen zu erzielen. Und das funktioniert am besten, wenn Coach und Coachee möglichst einfach und ohne viel Aufwand zueinander finden.