EU-Taxonomie : Bürokratiemonster oder echte Chance?

Susanna Gross, Managerin und Wirtschaftsprüferin, EY Österreich

"Unternehmen sollten die EU-Taxonomie-Verordnung auf jeden Fall nicht unterschätzen": Susanna Gross, Managerin und Wirtschaftsprüferin, EY Österreich

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Um die Ziele des European Green Deals und des Pariser-Klimaabkommens zu erreichen und die Klimaziele der EU für 2030 zu erfüllen, muss die EU-Investitionsströme mobilisieren und in nachhaltigere Unternehmenstätigkeiten lenken. Dafür sind ein gemeinsames Rahmenwerk und eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit notwendig, die die EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem liefert. Mit der EU-Taxonomie soll die Transparenz im Bereich Nachhaltigkeit deutlich erhöht werden.

Die betroffenen Unternehmen müssen entsprechend der Taxonomie für das Geschäftsjahr 2021 über die Ziele (1) Klimaschutz und (2) Anpassung an den Klimaschutz berichten. Für die weiteren vier Ziele ist die Berichterstattung für das Geschäftsjahr 2022 angedacht, da es bis dato nur Entwürfe und keinen Delegierten Rechtsakt gibt, ist eine Verschiebung um ein Jahr sehr wahrscheinlich. Die vier weiteren Ziele sind (3) Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen, (4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, (5) Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung, (6) Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen. Im Fokus der Berichterstattung stehen drei Kennzahlen: Der Umsatz, die sogenannten CapEx, also Investitionen und die sogenannten OpEx, also die Betriebsausgaben.

Für das Geschäftsjahr 2021 galten weniger umfangreiche Berichtspflichten als für 2022. Es waren lediglich die „taxonomie-fähigen“ Geschäftsaktivitäten zu benennen und deren Anteile an den Kennzahlen anzugeben. Für 2022 sind die Wirtschaftsaktivitäten anhand der technischen Bewertungskriterien, der Do-No-Significant-Harm Kriterien und der Einhaltung gewisser sozialen Mindeststandards zu bewerten.

Über 2.000 Unternehmen in Österreich betroffen


Die Taxonomie gilt für Unternehmen der Realwirtschaft und der Finanzindustrie sowie für die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Österreichische Unternehmen, die schon jetzt vom Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz betroffen sind (aktuell etwas über 80 Betriebe), müssen ab 2022 rückwirkend für das Geschäftsjahr 2021 im Rahmen der EU-Taxonomie erstmalig veröffentlichen, wie und in welchem Umfang ihre Tätigkeiten mit als ökologisch nachhaltig einzustufenden, „grünen“ Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind.

Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), werden die Berichtspflichten ab 2024 bzw. ab 2025 auf alle großen Unternehmen ab 250 Mitarbeitende und alle am regulierten Markt gelistete Unternehmen (ausgenommen Kleinstkapitalgesellschaften) erweitert. Darüber hinaus wird die externe Prüfung von unabhängigen Dritten (Limited Assurance) verpflichtend. Diese Definition hat weitreichende Folgen – denn so werden schon in wenigen Monaten über 2.000 Unternehmen in Österreich zu Nachhaltigkeit berichten müssen.

Was tun?


Die Angaben und Anforderungen der EU-Taxonomie stellen Unternehmen vor große Herausforderungen und bringen erhebliche innerbetriebliche Veränderungen mit sich – das war rückblickend zum Berichtsjahr 2022 deutlich zu spüren. Es müssen Analysen durchgeführt, zusätzliche Daten erhoben und verarbeitet werden. Die meisten Herausforderungen gibt es in den Datenerhebungsprozessen, also in der Erhebung, Konsolidierung und Verifizierung der geforderten Kennzahlen.

Für die Konformitäts-Prüfung muss die jeweilige Aktivität einen sogenannten wesentlichen Beitrag zum Erreichen mindestens eines der Ziele leisten („Substantial Contribution“) und darf dabei kein anderes Ziel beeinträchtigen („Do No Significant Harm“). Zur Konkretisierung gibt es hunderte Seiten mit einer Vielzahl vorgegeben spezifischer Kriterien, die sowohl quantitativ als auch qualitativ sind und kumulativ erfüllt werden müssen.

Gewisse Freiheiten bei der Umsetzung gibt es somit eher wenige. Ein großes Problem ist, dass die Regulatorik noch weitreichende Interpretationsspielräume offenlässt, sodass unzählige Fragen zur Auslegung aufkommen können.

Unternehmen sollten die EU-Taxonomie Verordnung auf jeden Fall nicht unterschätzen und sich frühzeitig Schlüsselfragen stellen wie: Wie und in welchem Umfang beeinflusst die EU-Taxonomie unsere Berichterstattung? Verfügen wir über Prozesse um EU-Taxonomie-konform zu berichten? Verfügen wir über Daten, um die Einhaltung der technischen Screening-Kriterien sicherzustellen? Ist unsere Berichterstattung bereit für eine externe Prüfung? Welche Taxonomie-relevanten Daten werden Kunden und Investoren von uns verlangen?

Und ganz allgemein gilt: Wer noch nicht gestartet hat, entsprechende Prozesse zu schaffen und zu implementieren, der sollte das dringend nachholen.

Susanna Gross ist Managerin und Wirtschaftsprüferin bei EY Österreich. Sie hat Erfahrungen in der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten und nicht-finanziellen Erklärungen und begleitet Unternehmen bei der erfolgreichen Umsetzung der EU-Taxonomie.