Die urbane Logistik – der Transport und die Zustellung von Waren an die Kunden in städtischen Gebieten – steht vor Herausforderungen. Im Zuge der Covid-19-Pandemie stieg sowohl die Anzahl der Online-Einkäufe als auch die Nachfrage nach einer schnellen Lieferung der Waren – und hat die Situation in den Städten weiter verschärft. In der Studie „From atomization to massification. Urban logistics must make a U-turn to achieve a sustainable future” rät der Strategieberater Roland Berger, sich von den derzeitigen fragmentierten Lieferprozessen zu verabschieden. Die verschiedenen Akteure in der Logistikkette sollten enger zusammenarbeiten, um die Warenströme zu bündeln und das gesamte Ökosystem zu verändern.
„Steigende Emissionen, strenge gesetzliche Vorgaben und immer größere Volumina: Die Herausforderungen für die urbane Logistik sind vielfältig", sagt Marc Pisoke, Partner bei Roland Berger. In den letzten Jahren habe der Online-Handel zudem zu einer Atomisierung der Sendungen geführt. Die Kunden erwarten immer schnellere und flexiblere Lieferungen. Die vorhandene Infrastruktur könne jedoch mit diesen Anforderungen nicht Schritt halten", so Pisoke.
Drei Szenarien
Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, dürften die Lieferkosten parallel zu den Kundenerwartungen steigen. Die zusätzlichen Kosten würden in diesem Fall unweigerlich auf die Kunden abgewälzt, die dann aus Kostengründen auf Dienstleistungen wie die Zustellung am selben Tag verzichten könnten. So lässt sich in Schweden bereits jetzt beobachten, dass die Verbraucher nicht bereit sind, für die Lieferung von online bestellten Lebensmitteln an die Haustür zu bezahlen – ein Trend, der den Druck auf das Ökosystem der urbanen Logistik letztendlich mildern könnte.
Es gibt jedoch Maßnahmen, um die Belastung der städtischen Logistikketten zu verringern. Einige Unternehmen nutzen beispielsweise speziell angefertigte Fahrzeuge (Purpose-Built Vehicles). Diese sind eigens für Zusteller konzipiert und haben unter anderem einen direkten Zugang von der Fahrerkabine zum Lagerraum. Wenn eine ganze Flotte auf diesen Fahrzeugtyp umgestellt wird, kann sie um zehn bis 15 Prozent reduziert werden. Hierdurch sinken Kosten wie Umweltbelastung.
Eine engere Zusammenarbeit zwischen den Logistikunternehmen könnte die Atomisierung ebenfalls verringern. Voraussetzung dafür ist der Austausch von Informationen und die gemeinsame Nutzung von Verkehrs- und Infrastrukturanlagen. Ergebnis wären gebündelte Lieferungen, die sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher geringere Kosten und Lieferzeiten bedeuten. Außerdem führen sie zu weniger CO2-Emissionen und Staus in den Städten.
Bündelung unvermeidlich
„Mit Blick auf die Zukunft" sei das Bündeln von Lieferungen in der städtischen Logistik in gewissem Maße unvermeidlich: "Die Firmen sollten eine stärkere Zusammenarbeit in Erwägung ziehen und beispielsweise Einrichtungen gemeinsam nutzen oder Warenströme bündeln“, sagt Pisoke. So könnten sie die Effizienz des Gütertransports in städtische Gebiete steigern, die Auslastung der Fahrzeuge auf dem letzten Transportabschnitt optimieren und eine größere Menge an Gütern bei gleichbleibender Kapazität befördern. Über eine Begrenzung der Anzahl der Fahrzeuge, die verschiedene Kunden im gleichen Gebiet beliefern, könnten zudem die Transportwege optimiert werden. Verschiedene Unternehmen könnten Zustellrouten und geografische Gebiete gemeinsam nutzen und bündeln. Weitere Verbesserungen könnten auch durch die gemeinsame Nutzung von Daten erzielt werden, um die Kundennachfrage genauer vorherzusagen.
Kooperation
Im Interesse der „Massifizierung“ müssen die verschiedenen Akteure gemeinsam Maßnahmen entwickeln und umsetzen. Logistikunternehmen könnten beispielsweise Einrichtungen gemeinsam nutzen und Warenströme zusammenführen, während die Stadtverwaltungen Anreize für die Bündelung der Warenströme schaffen sollten. Die Verbraucher sollten ermutigt werden, sich aktiver an der Zustellung zu beteiligen, indem bestimmte Verhaltensweisen gefördert werden, z.B. der Erhalt von Paketen an einem bestimmten Tag oder zu einer bestimmten Uhrzeit. Fahrzeughersteller (OEM) könnten eigens Fahrzeuge für die urbane Logistik (PBV) entwickeln, die Transportkapazität, Autonomie, Geschwindigkeit und Zweckmäßigkeit miteinander verbinden. (red)
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