Stromnetz Cyberangriff : Verborgene Gefahr in Solar-Wechselrichtern: Chinesische Technik könnte Stromnetze gefährden

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In den USA sind in chinesischen Wechselrichtern für Photovoltaik-Anlagen verdächtige Funkmodule entdeckt worden. 

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In den USA sind in chinesischen Wechselrichtern für Photovoltaik-Anlagen verdächtige Funkmodule entdeckt worden. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet, bewertet die US-Energiebehörde derzeit mögliche Sicherheitsrisiken durch diese Komponenten neu. Im schlimmsten Fall, so die Einschätzung, könnten die eingebauten Module gezielt für einen großflächigen Stromausfall genutzt werden.

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Wechselrichter, die maßgeblich in China produziert werden, spielen eine zentrale Rolle bei der Einspeisung von Solar- und Windstrom in die öffentlichen Stromnetze. Sie kommen zudem in Batterien, Wärmepumpen und Ladegeräten für Elektrofahrzeuge zum Einsatz. Für Wartung und Software-Updates sind sie grundsätzlich für Fernzugriffe ausgelegt – in der Regel sorgen jedoch Firewalls dafür, dass keine direkte Kommunikation nach China möglich ist.

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Nicht dokumentierte Funkmodule entdeckt

Sicherheitsanalysten in den USA, die systematisch am Netz angeschlossene Geräte untersuchen, haben jedoch in bestimmten chinesischen Solarwechselrichtern Kommunikationsmodule gefunden, die nicht in den offiziellen Produktunterlagen vermerkt sind. Laut den beiden Reuters-Quellen ermöglichen diese versteckten Komponenten zusätzliche Kommunikationskanäle, mit denen bestehende Sicherheitsbarrieren wie Firewalls umgangen werden könnten.

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Die möglichen Folgen seien gravierend: „Das bedeutet, dass es einen eingebauten Weg gibt, das Stromnetz physisch zu zerstören“, sagte eine der Personen gegenüber Reuters. Wer die betroffenen Hersteller sind oder wie viele Geräte betroffen sein könnten, wurde von den Quellen nicht offengelegt.

Eine öffentliche Stellungnahme der US-Regierung zu diesen Vorfällen liegt bislang nicht vor. Das US-Energieministerium erklärte auf Anfrage von Reuters, man überprüfe fortlaufend Risiken im Zusammenhang mit neuen Technologien. Zudem gebe es erhebliche Defizite bei der Offenlegung technischer Details durch die Hersteller.

Sicherheitsbedenken gegenüber chinesischer Technologie

Technologien aus China stehen in den USA seit Jahren im Fokus sicherheitspolitischer Debatten. Seit 2019 ist beispielsweise der chinesische Technologiekonzern Huawei mit Sanktionen belegt. Ihm wird vorgeworfen, durch seine Produkte Risiken für die nationale Sicherheit darzustellen – Vorwürfe, die Huawei vehement bestreitet. Trotz dieser Kontroversen war Huawei laut dem Beratungsunternehmen Wood Mackenzie im Jahr 2022 mit einem Anteil von 29 Prozent der weltweit führende Anbieter von Wechselrichtern.

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Ein zusätzlicher Risikofaktor: Chinesische Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, mit den heimischen Geheimdiensten zu kooperieren. Daraus ergeben sich potenzielle Einflussmöglichkeiten der chinesischen Regierung auf in China gefertigte Geräte – auch wenn diese in ausländischen Stromnetzen installiert sind.

Huawei selbst hat sich 2019 vom US-Markt für Wechselrichter zurückgezogen, im selben Jahr, in dem seine 5G-Ausrüstung dort verboten wurde. In Europa bleibt der Konzern jedoch ein bedeutender Akteur. Auch in Österreich sind zahlreiche Photovoltaikanlagen mit Huawei-Wechselrichtern und Stromspeichern ausgestattet. Der österreichische Huawei-Sprecher Michael Nowak erklärte gegenüber der APA, dass alle Wechselrichter des Unternehmens die europäischen Normen erfüllten. „Backdoors sind auszuschließen“, so Nowak.

Das bedeutet, dass es einen eingebauten Weg gibt, das Stromnetz physisch zu zerstören.

Branche warnt vor möglichen Risiken

Vera Immitzer vom Branchenverband PV Austria äußerte sich ebenfalls gegenüber der APA: Zwar seien Schnittstellen notwendig, doch sollte sich herausstellen, dass Dritte auf diese zugreifen können, wäre das „hoch problematisch“.

Auch der oberösterreichische Hersteller Fronius fordert ein höheres Risikobewusstsein innerhalb der EU. „Im Energiebereich ist das Bewusstsein dafür noch nicht so ausgeprägt wie im Telekommunikationsbereich“, betonte ein Sprecher des Unternehmens.

Laut Expertenschätzungen könnten in Europa bereits 3 bis 4 Gigawatt (GW) gezielt gesteuerte Energie ausreichen, um weitreichende Stromausfälle zu verursachen. Der European Solar Manufacturing Council warnt, dass über 200 GW der europäischen Solarstrom-Kapazität mit Wechselrichtern aus chinesischer Produktion verbunden sind – eine Leistung, die jener von mehr als 200 Atomkraftwerken entspricht.

Nach Angaben von SolarPower Europe waren Ende 2023 insgesamt 338 GW an Photovoltaik-Leistung in Europa installiert – ein erheblicher Teil davon mit Technik aus chinesischer Fertigung.