Borealis : Verfassungsjurist Mayer: "Verkauf könnte auch kartellrechtliches Problem sein"

Heinz Mayer, Verfassungsjurist

Heinz Mayer, Verfassungsjurist

- © WEKA Industrie Medien GmbH

Die Knappheit des Dieselzusatzstoffes AdBlue belastet seit dem Sommer Österreichs Frächter. Die Fertigung des Dieselreinigers, der besonders im LKW-Verkehr bedeutsam ist, ist im August stark zurückgegangen. Der Grund: Ein wichtiger deutscher Ammoniakhersteller hat aufgrund der hohen Gaspreise die Produktion eingestellt. In Österreich wird AdBlue derzeit in vollem Umfang von einem Tochterunternehmen der Borealis in Linz hergestellt. Doch dieses soll, im Paket mit der Düngemittelsparte, verkauft werden. Der Deal gerät jetzt aber immer mehr in die Kritik.

Am 3. Juni 2022 kam es in der Raffinerie Schwechat zu einem schweren Unfall. Während einer Generalüberholung der Hauptdestillationsanlage trat Wasserdampf aus und verletzte zwei Mitarbeiter. Mitten in der größten Energiekrise seit den 1970er Jahren fällt eine der wichtigsten Raffinerien Mitteleuropas aus. Die Regierung muss mehrere hunderttausende Tonne Ölreserven, fertiges Benzin, Diesel und Zwischenmaterialien freigeben. Spürbare Engpässe am Flughafen Wien und drastische Preissteigerungen in Ostösterreich sind die Folge.

Heute, drei Monate später sieht sich die OMV auf einem guten Weg, die Produktion in der ersten Oktoberhälfte wieder hochzufahren. „Die Reparaturarbeiten in der Raffinerie schreiten gut und plangemäß voran. Die OMV plant, von Mitte Oktober an die Märkte zunehmend aus der Produktion der Raffinerie Schwechat zu versorgen“ heißt es in einem Update vom 15. September.

Doch nun droht der OMV ein neues Problem und auch dieses hat mit Versorgungssicherheit zu tun:

Agrolinz Melamine und Borealis LAT produzieren am Standort Linz Düngemittel und, als Nebenprodukt, den Dieselzusatzstoff AdBlue. Die aktuellen Pläne, die Düngemittelsparte des Unternehmens zu verkaufen, gerät aber immer mehr in die Kritik.

Der Verkauf dieser Unternehmensteile ist schon länger geplant und bereits im Frühjahr im letzten Moment gescheitert: Damals, knapp nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine hätten die Unternehmen für 455 Millionen Euro an den russischen EuroChem-Konzern gehen sollen.

EuroChem
EuroChem-Konzern - © EuroChem

Fünf Monate später fand sich jetzt ein neuer Käufer. Die tschechische Agrofert Gruppe, die mittlerweile auch fast das Doppelte bietet: Nämlich 810 Millionen Euro.

Gegen den Verkauf regt sich trotzdem Widerstand: Vertreter der Landwirtschaft kritisieren, dass der Verkauf an Agrofert zu einer Quasi-Monopolstellung des tschechischen Herstellers führe. Immerhin: Die nach dem Verkauf zweit-, der dritt- und der viertgrößten europäischen Düngerproduzenten würden dann entweder aus der Ukraine oder in Russland kommen – und deren Produktion sind derzeit am Markt nicht verfügbar.

© Agrofert

Aber auch die Industrie und die Logistikbranche haben Grund zu Unruhe. Die Versorgungssicherheit am Markt für den Dieselreiniger AdBlue steht auf dem Spiel. AdBlue ist zuletzt in Zentraleuropa knapp geworden und vor allem heimische Frächter leiden an der überdurchschnittlichen Preisexplosion und der Mangelwirtschaft.

Der Grund für die Knappheit war der Ausfall eines der größten AdBlue-Produzenten Mitteleuropas, der deutschen SKW. Diese hat im August die Produktion in Reaktion auf die Pläne einer Einführung einer Gasumlage eingestellt. Die sehr gasintensive Produktion von Harnstoff und Ammoniak sei damit nicht mehr rentabel durchführbar, hieß es und man forderte eine Ausnahme von der Steuer.

Seit wenigen Tagen produziert man wieder. Davon, dass die SKW bei der Einführung der Gasumlage im Oktober ausgenommen wird, ist nichts bekannt. Bekannt ist jedoch der Eigentümer der SKW: Die Agrofert Gruppe.

Kartellrechtsproblem?

Kritiker des Borealis-Deals, wie der niederösterreichische Bauernbund haben sich jetzt hochrangige Unterstützung aus der Industrie und von Kartelljuristen geholt. Man will den geplanten Deal auch mit Hilfe der europäischen Kartellwächter zu Fall bringen. Zur Unterstützung haben die Bauern den Verfassungsjuristen Heinz Mayer engagiert, der den Verkauf für unzulässig hält.

INDUSTRIEMAGAZIN NEWS hat mit dem Juristen über den Deal und die Kritikpunkte gesprochen:

Verfassngsjurist Heinz Mayer

INDUSTRIEMAGAZIN NEWS: Der Verkauf von Agrolinz Melamine und Borealis LAT könnte ein kartellrechtliches Thema sein: Warum? Wie ist Ihre Position dazu?

Heinz MAYER: Der Verkauf könnte ein kartellrechtliches Problem sein, genauer es besteht der Verdacht, dass mit diesem Verkauf ein unzulässiges, marktbeherrschendes Unternehmen geschaffen wird. Und derzeit Prüfen die österreichische und die europäische Wettbewerbesbehörde, ob dieser Verdacht begründet ist.

IM-NEWS: Warum ist es ein versorgungsrechtliches Thema?

MAYER: Das ist es deshalb ein Problem, weil ohne AdBlue Dieselfahrzeuge nicht betrieben werden dürfen. Und weil ohne Düngemittel die Nahrungsversorgung nicht gesichert ist. Derzeit kommt man ohne Düngemittel nicht aus und wenn Düngemittelproduzenten im Ausland ein Monopol bilden, ist man davon abhängig.

IM-NEWS: Sie haben darauf hingewiesen, dass ein Verkauf nicht zulässig wäre - warum?

MAYER: Man muss beachten, dass der Vorstand von Aktiengesellschaften bei seinen geschäftlichen Dispositionen immer auch das öffentliche Interesse zu berücksichtigen hat. Jeder Vorstand einer Aktiengesellschaft, das steht im §70 des Aktiengesetzes. Für die ÖBAG gilt Besonderes, sie hat die Interessen des Bundes zu wahren. Der Vorstand der ÖBAG ist gehalten nach ÖEAG-Gesetz, die Interessen des Bundes an einem funktionierenden Wirtschafts-, Forschungsstandort und am Erhalt der Arbeitsplätze zu sichern.

IM-NEWS: Jetzt hält der Bund über die ÖBAG aber nur 31,5% an der OMV, im Gegensatz zum Verbund wo es 51% sind. 43% der OMV sind im Streubesitz. Ist das Management nicht den Aktienbesitzern und deren Interesse nicht stärker oder genauso verpflichtet, wie der ÖBAG?

MAYER: Der Bund ist der Republik Österreich verpflichtet und hat diese Interessen zu wahren. Die Mitglieder des Aufsichtsrats, die von der ÖBAG entstand werden, werden auch darauf Bedacht zu nehmen haben. Ob es Syndikatsverträge gibt, kann ihr hier nicht beurteilen.

IM-NEWS: Wenn Sie dir wirtschaftlichen Entscheidungen der OMV des letzten Jahrzehnts revuepassieren lassen - Stichwort: die immer enger werdende Verflechtung von OMV und Gazprom - würden Sie sagen, dass die ÖEAG ihrem gesetzlichen Auftrag nachgekommen ist?

MAYER: Gerade in den letzten Monaten wurde ja sehr deutliche, dass die ÖBAG und die OMV Österreich in eine russische Abhängigkeit gebracht haben. Und da ist natürlich schon die Fragen, ob die ÖBAG ausreichend gegengesteuert hat.

IM-NEWS: Versorgungssicherheit und kartellrechtliche Probleme gelten vorwiegend für den Düngemittelbereich. Ist das auch bei AdBlue ein Thema?

MAYER: Ja natürlich, auch die Versorgungssicherheit mit AdBlue muss gegeben sein. Wenn es nicht zur Verfügung steht, können zum Beispiel landwirtschaftliche Geräte nicht benützt werden, da diese überwiegend mit Diesel betrieben werden. Und auch alle anderen Dieselautos würden dann irgendwann stillstehen.

IM-NEWS: Wie geht es jetzt weiter mit dem Thema? Er wird kartellrechtlich geprüft?

MAYER: Es wird Wien und Brüssel geprüft und außerdem wird die Rechtslage der ÖBAG zu beurteilen sein. Die ÖBAG wird sich damit auseinandersetzen müssen, wie sie die Interessen Österreichs in dieser Situation am besten wahrt.