ZF Friedrichshafen : Milliardenverlust und Stellenabbau – wie ZF sein Kerngeschäft umbaut

ZF Friedrichshafen

ZF-Flagge vor der Konzernzentrale in Friedrichshafen: Der Autozulieferer steht vor seiner größten Umstrukturierung.

- © ZF Group

Autokrise bremst Sanierung von ZF – Schulden und Zinslast drücken weiter

Der hinter Bosch zweitgrößte deutsche Autozulieferer ZF spürt die anhaltende Schwäche der Branche: Im ersten Halbjahr sank der Umsatz um 10,3 % auf 19,7 Mrd. Euro. Bereinigt um Wechselkurseffekte und die Ausgliederung der Achsmontage ins Foxconn-Joint-Venture lag das Minus bei 1,7 %.

Operativ verbesserte sich das Ergebnis jedoch um 100 Mio. Euro auf 874 Mio. Euro, die bereinigte Ebit-Marge stieg von 3,5 % auf 4,4 %. Doch hohe Zinszahlungen, Restrukturierungskosten und Währungseffekte dürften diese Fortschritte weitgehend aufgezehrt haben.

Der Free Cashflow drehte von minus 494 Mio. Euro auf plus 465 Mio. Euro. „Durch optimierte Performance und fokussierte Investitionen konnten wir rund eine Milliarde Euro freisetzen“, so Finanzvorstand Michael Frick.

Dringend nötig, denn ZF sitzt auf 10,5 Mrd. Euro Schulden und zahlt jährlich über 600 Mio. Euro Zinsen. Zwar sicherte sich das Unternehmen im Juni durch eine 1,3 Mrd.-Euro-Anleihe Liquidität, muss dafür aber wegen seines schwachen Ratings 7 % Zinsen stemmen. Noch in diesem Jahr droht zusätzliche Belastung: Am 21. September läuft eine 750-Mio.-Euro-Anleihe aus, bisher mit nur 3 % verzinst.

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ZF-Chef will Umbau forcieren – Streit um Zukunft der Antriebssparte eskaliert

Vorstandschef Holger Klein will die Restrukturierung von ZF deutlich beschleunigen. Bis zum 30. September soll eine Einigung mit den Arbeitnehmervertretern über die Sanierung und den Stellenabbau in der 30.000 Mitarbeiter starken Antriebssparte erzielt werden. „ZF befindet sich im umfassendsten Umbau seiner Geschichte. Wir richten das Unternehmen konsequent auf Ertragsstärke, Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit aus“, erklärte Klein.

Für die Antriebssparte kündigte er erneut „schmerzhafte Entscheidungen“ an. Die Beschäftigten lehnen jedoch eine Ausgliederung der Kernsparte strikt ab – am Dienstag gingen Tausende gegen den Vorstand auf die Straße.

ZF leidet unter stagnierender Fahrzeugproduktion, dem schleppenden Hochlauf der Elektromobilität und der Unsicherheit durch die US-Zollpolitik. Zusätzlich belasten Managementfehler in der Kalkulation, die bei sinkenden Umsätzen und Stückzahlen die Kosten explodieren ließen.

>>> Warum ZF sein Kerngeschäft umbauen muss – und was das für die Antriebssparte bedeutet

Elektroschock für ZFs Herzstück – warum klassische Getriebe ausgedient haben

Der Umstieg auf Elektromobilität trifft ZFs traditionsreiches Getriebegeschäft ins Mark. E-Autos brauchen keine komplexen Mehrganggetriebe – ein Elektromotor kommt in der Regel mit einem einfachen einstufigen Reduktionsgetriebe aus. Jahrzehntelang war ZF führend bei Automatik- und Doppelkupplungsgetrieben, Bauteilen, die in der E-Mobilität schlicht überflüssig sind.

Mit jedem neuen Modell und jeder E-Plattform der großen Hersteller schmilzt das Volumen im klassischen Antriebsbereich. Was früher die technologische Krone deutscher Ingenieurskunst war, wird nun zum Auslaufmodell. Die Nachfrage nach klassischen und selbst hybriden Getrieben bricht ein – während ZF Milliarden in Software, Leistungselektronik und Batteriesysteme investieren muss, Felder, in denen der Konzern bisher keine Führungsrolle hat.

Zusätzlich drücken hohe F&E-Vorleistungen, schwankende Abrufe und stockende Modellanläufe die Branche. Auch Wettbewerber wie Continental kämpfen mit dem Wandel – Conti hat sein Antriebsgeschäft bereits in die eigenständige Aumovio ausgegliedert, die im September an die Börse gehen soll.

ZF könnte ein ähnlicher Weg bevorstehen: Ein einst breit aufgestellter Systemanbieter ringt darum, in der elektrifizierten Zukunft noch relevant zu bleiben.

>>> ZF reagiert auf Milliardendefizit – kürzere Arbeitszeiten sollen Kosten senken und Jobs sichern

ZF-Chef Holger Klein treibt den Konzernumbau voran – der Streit um die Zukunft der Antriebssparte spitzt sich zu.

- © ZF Friedrichshafen AG

Standorte in der Krise – Stellenabbau, Werksschließungen und Überkapazitäten bei ZF

Die Probleme in ZFs Antriebssparte führen seit Jahren zu harten Einschnitten an deutschen Standorten. Besonders betroffen ist das Getriebewerk Saarbrücken, das größte des Konzerns mit rund 10.000 Beschäftigten. Trotz hoher Investitionen in neue E-Antriebsachsen sind dort mindestens 1.800 Stellenstreichungen bis Ende 2025 geplant. Laut IG Metall könnten es bei weiter sinkender Auslastung sogar bis zu 4.500 Arbeitsplätze werden. Die Nachfrage sinkt – etwa, weil Großkunde BMW Getriebe für den US-Markt künftig in den USA fertigen lässt.

Auch am Standort Schweinfurt mit rund 10.000 Beschäftigten herrscht Druck: Wegen zehn Prozent Überkapazität wurde die Wochenarbeitszeit auf 32,5 Stunden reduziert. Kündigungen und Kurzarbeit sollen zwar vermieden werden, doch das strukturelle Problem bleibt: Die Nachfrage nach klassischen und hybriden Antrieben schrumpft schneller, als neue E-Projekte das Volumen ersetzen können.

Dazu kommen Werksschließungen kleinerer Standorte – Gelsenkirchen wurde Ende 2024 dichtgemacht, Eitorf soll bis 2027 folgen. Trotz dieser Maßnahmen gelingt es ZF bislang nicht, die Auslastung im Antriebsbereich nachhaltig zu stabilisieren.

>>> ZF kämpft mit Milliardenverlust – Schulden, Stellenabbau und der schwierige Weg aus der Krise

E-Division unter neuer Führung – Miedreich treibt Umbau statt Ausverkauf voran

Die angeschlagene E-Division von ZF steht unter der Leitung von Mathias Miedreich, einem erfahrenen Restrukturierer. Der 50-jährige Betriebswirt übernahm Anfang des Jahres eine der schwierigsten Aufgaben im Konzern: Er soll milliardenschwere Altlasten aus schlecht kalkulierten Großaufträgen abbauen und gleichzeitig die Sparte zukunftsfähig machen.

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Zweibrücken machte Miedreich klar, dass er die Herausforderung kenne, aber an die „Substanz von ZF“ glaube. Sein Sanierungsprogramm setzt auf Plattformtechnologien, Kostensenkungen, Personalabbau und vor allem die Suche nach einem strategischen Partner.

Seine Botschaft ist deutlich: „Partnerschaft heißt nicht Verkauf.“ Die E-Division soll ein integraler Bestandteil von ZF bleiben, auch wenn einzelne Bereiche gemeinsam mit Partnern weiterentwickelt werden. Damit markiert Miedreich einen klaren Kurswechsel – Umbau ja, Ausverkauf nein.

>>> Historischer Umbruch bei ZF – Ausgliederung der E-Division könnte 32.000 Jobs betreffen

Produktion bei ZF: Das traditionsreiche Getriebegeschäft steht durch den Wandel zur Elektromobilität massiv unter Druck.

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ZF vor weiterem Jobabbau – Klein bündelt Sparprogramme und setzt auf Zukunftssparten

Über die bereits angekündigten bis zu 14.000 Stellenstreichungen in Deutschland hinaus droht ein noch größerer Personalabbau. Schon im ersten Halbjahr sank die Beschäftigtenzahl um 2 % auf 161.631, in Deutschland um 1.300 Mitarbeiter (–2,6 %) auf 50.638.

Trotz dieser Einschnitte sieht CEO Holger Klein Fortschritte seiner Strategie. Künftig will er vor allem wachstumsstarke Bereiche wie Fahrwerk, Nutzfahrzeug- und Industrietechnik sowie das Servicegeschäft ausbauen. Die verlustreichen autonomen Shuttles sind dagegen bereits aufgegeben.

Klein plant, die bisherigen Performance-Programme der Sparten zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen. Für jede Produktgruppe werde geprüft, „ob sie ihre Kapitalkosten verdient“ – weitere Bereinigungen des Produktportfolios seien die Folge.

In der profitablen Elektronik- und Fahrerassistenz-Division werden Partnerschaften geprüft, während der geplante Börsengang oder Verkauf der Airbag-Sparte vorerst auf Eis liegt. Damit entfällt kurzfristig ein Beitrag zum Schuldenabbau – der Spardruck auf ZF steigt weiter.

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Video: ZF vor historischem Umbruch – Verkauf der Antriebssparte möglich

ZF Friedrichshafen steht vor der größten Transformation seiner Geschichte. Die Elektromobilität macht das traditionsreiche Getriebegeschäft überflüssig, nun prüft der Konzern den Verkauf oder die Ausgliederung der gesamten Antriebssparte mit über 30.000 Beschäftigten. Besonders betroffen wären die Standorte Schweinfurt und Saarbrücken. Gleichzeitig rückt der US-Markt als strategisch wichtiger Wachstumsmarkt stärker in den Fokus. Die zentrale Frage: Wird ZF vom Getriebegiganten zum Chassis- und Sicherheitsspezialisten?