Fisker Insolvenz : Fisker Ocean: Warum das Elektro‑SUV zum Sinnbild einer gescheiterten Mobilitätswende wurde

Fisker Ocean Magna

Bilder aus besseren Zeiten: Der erste Fisker Ocean rollt bei Magna in Graz vom Band 

- © Fisker

Der Fisker Ocean galt als vielversprechende Antwort auf Tesla, VW und Hyundai: ein nachhaltiger, sportlicher Elektro-SUV mit innovativer Technik, optionalem Solardach und einer Reichweite von bis zu 630 Kilometern. Entwickelt von Designer Henrik Fisker, gebaut in Österreich, zu einem vergleichsweise günstigen Preis – so präsentierte sich der Ocean beim Marktstart.

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Heute ist die Realität eine andere: Fisker meldete 2024 Insolvenz an, die Fahrzeuge sind unbrauchbar, tausende Besitzer sehen sich mit technischen Problemen, fehlendem Software-Support und einer ungewissen Zukunft konfrontiert. Was als grüne Mobilitätsrevolution begann, endet für viele Verbraucher in einem finanziellen und technischen Desaster. 

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Fisker Ocean: Ein Elektroauto mit hohen Ambitionen

Gegründet im Jahr 2016 in Kalifornien, versprach Fisker Inc. den Durchbruch für nachhaltige Mobilität. Die Vision war klar: moderne Elektrofahrzeuge, zu fairen Preisen, mit minimalem ökologischen Fußabdruck. Der Ocean war das erste Serienmodell – ein vollelektrischer SUV, produziert bei Magna Steyr in Graz. Neben seiner Reichweite war auch die Ausstattung bemerkenswert: ein 17,1-Zoll-Drehbildschirm, ein veganes Interieur, Software-Features wie Fahrmodi, Fahrassistenten und Over-the-Air-Updates machten das Fahrzeug zu einem Hoffnungsträger der Elektroszene.

Fisker Ocean: Wie ein Elektro-SUV zur Mahnung für Verbraucher wurde

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In die Insolvenz: Der wirtschaftliche Kollaps von Fisker

Doch schon Ende 2023 wurde klar, dass die Realität hinter den Kulissen deutlich düsterer war. Fisker hatte Schwierigkeiten bei der Skalierung, hohe Entwicklungskosten und lieferte viele Fahrzeuge verspätet oder mit Mängeln aus. Die Quartalszahlen offenbarten massive Verluste: über 463 Millionen US-Dollar im Jahr 2023. Nachdem ein möglicher Rettungsdeal mit einem großen Autobauer scheiterte, wurde im Juni 2024 offiziell Chapter-11-Insolvenz in den USA beantragt. Fisker bezifferte seine Schulden auf bis zu 10 Milliarden Dollar, bei deutlich geringerem Vermögen.

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Mit dem Insolvenzantrag endete nicht nur der Traum vom Durchbruch, sondern auch der funktionierende Kundensupport. Der Großteil der Mitarbeiter wurde entlassen, die Kommunikationskanäle eingestellt, und die Software-Server teilweise abgeschaltet. Genau hier begann für Besitzer der Albtraum.

Elektroauto ohne Updates: Software-Ausfall nach Fisker-Pleite

Moderne Elektroautos wie der Fisker Ocean sind stark softwarebasiert. Sie benötigen regelmäßige Updates, um Fehler zu beheben, neue Funktionen zu aktivieren oder die Fahrzeugsteuerung zu verbessern. Doch mit dem Ende des Software-Supports fiel ein zentraler Bestandteil des Ocean aus. Viele Funktionen wie Navigation mit Echtzeitverkehr, Sprachsteuerung, Fernzugriff via App, Video-Streaming oder OTA-Updates (Over-the-Air) sind seitdem eingeschränkt oder ganz ausgefallen.

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Besonders schwerwiegend: Manche Fahrzeuge erhalten gar keine Updates mehr, was unter anderem die Ladeleistung, die Fahrassistenten oder die Klimasteuerung beeinträchtigt. Einige Nutzer berichten, dass sie stundenlange Fahrten unternehmen mussten, um überhaupt ein funktionierendes Servicecenter zu finden. Andere sehen sich mit nicht mehr funktionierenden Schnellladeanschlüssen oder eingefrorenen Displays konfrontiert – Probleme, die ohne Update nicht lösbar sind.

Neben Softwareproblemen bestehen auch ernstzunehmende Sicherheitsbedenken. Die US-Verkehrsaufsicht NHTSA leitete mehrere Untersuchungen ein – unter anderem wegen Türverriegelungsproblemen, Bremsversagen und Antriebsverlusten während der Fahrt. Auch hier fehlen seit der Insolvenz offizielle Rückrufe oder Nachbesserungen. Für viele Fahrzeuge bedeutet das: Die Mängel bleiben bestehen, ohne dass eine Reparatur in Aussicht ist.

Henrik Fisker im Jahr 2016 - dem Gründungsjahr von Fisker 

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Wertverlust: Wenn ein 70.000-Dollar-E-Auto zum Elektroschrott wird

Die wirtschaftlichen Folgen für Ocean-Besitzer sind drastisch. Fahrzeuge, die noch vor wenigen Monaten über 70.000 US-Dollar kosteten, werden heute zu einem Bruchteil angeboten – oft für unter 20.000 Dollar. In Großbritannien stehen Neuwagen im Wert von mehreren Hunderttausend Pfund ungenutzt auf den Straßen, weil Händler sie nicht verkaufen können. Leasinggesellschaften haben reihenweise Fahrzeuge abgestoßen oder stark abgewertet. Selbst der Ankauf durch Händler ist kaum noch möglich, weil keine Ersatzteile und keine Garantie mehr vorhanden sind.

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Besonders dramatisch: Viele Besitzer zahlen noch Kredite oder Leasingraten für Fahrzeuge, die kaum mehr fahrbereit sind oder bei denen zentrale Funktionen fehlen. Eine Rückabwicklung ist in den meisten Fällen ausgeschlossen – mit dem Argument, dass die Insolvenz des Herstellers nicht im Einflussbereich des Händlers liegt.

Fisker Ocean ohne Updates: Was können betroffene Verbraucher jetzt tun?

Zwar ist die Situation schwierig, doch einige Optionen stehen Ocean-Besitzern offen:

  1. Fisker Owners Association (FOA): Diese Community hat sich als Sprachrohr der Betroffenen etabliert. Sie bietet Online-Support, Austausch zu Reparaturen, Ersatzteilen und organisiert Werkstätten, die zumindest Basiswartung leisten können.
     
  2. Drittanbieter-Softwarelösungen: Einige Unternehmen bieten (inoffizielle) Cloud-Funktionalität oder Update-Pakete an. Diese sind jedoch kostenpflichtig, rechtlich umstritten und nicht immer stabil.
     
  3. Ersatzteilmärkte und Recycling: Über Plattformen und Foren lassen sich gebrauchte Komponenten von defekten Oceans beziehen. Auch dies ist jedoch mit Risiken verbunden – sowohl technisch als auch rechtlich.
     
  4. Verkauf oder Umstieg: Wer den Ocean noch zu einem Restwert verkaufen kann, zieht zunehmend Alternativen in Betracht. Besonders Marken wie Tesla, Hyundai/Kia oder Volkswagen gelten als zuverlässig und updatefähig – auch auf Jahre hinaus.
     
  5. Verbraucherschutz und Klagen: In einigen Ländern prüfen Anwälte bereits Musterklagen, insbesondere wenn Fahrzeuge als „nicht funktionsfähig“ gelten. Der Ausgang solcher Verfahren ist jedoch offen.

Elektro-SUV: Eine Warnung an die Branche – und an Verbraucher

Die Geschichte des Fisker Ocean ist eine Mahnung. Sie zeigt, wie stark moderne Fahrzeuge von Software abhängen – und wie schnell sich ein Elektroauto in eine teure Belastung verwandeln kann, wenn der Hersteller verschwindet. Der Fall Fisker unterstreicht, dass beim Autokauf nicht nur Design, Reichweite und Preis entscheidend sind, sondern auch die Langfristigkeit des Software-Supports, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und ein verlässliches Servicenetz.

Für Verbraucher gilt: Gründliche Recherche ist Pflicht. Wer ein Elektroauto kauft, sollte nicht nur auf das Fahrzeug, sondern auch auf die wirtschaftliche Stabilität des Herstellers achten. Denn am Ende nützt der nachhaltigste Antrieb nichts, wenn das Auto schon nach einem Jahr zum Problemfall wird.

Fisker-Produktion bei Magna in Graz 

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Fisker-Insolvenz: Wie geht es nun weiter?

Mit Stand Juli 2025 befindet sich Fisker weiterhin im Chapter-11-Insolvenzverfahren, das im Oktober 2024 vom US-Insolvenzgericht genehmigt wurde. Das bedeutet: Das Unternehmen ist rechtlich noch existent, wird aber schrittweise abgewickelt („wind-down“), ohne sofort vollständig liquidiert zu werden – was unter Chapter 7 der Fall wäre.

Hier ist der aktuelle Stand und wie es konkret weitergeht:

  1. Fisker wird abgewickelt, aber nicht vollständig zerschlagen
    Der genehmigte Insolvenzplan sieht keinen Neustart oder operativen Wiederaufbau vor. Fisker bleibt bestehen, um die restlichen Verpflichtungen abzuwickeln – darunter Rückrufe, Support und technologische Übergaben. Die Produktion ist endgültig eingestellt, das Unternehmen verkauft keine Neuwagen mehr.
     
  2. American Lease übernimmt Supportverantwortung
    American Lease hat rund 3.231 Ocean-Fahrzeuge übernommen und bemüht sich derzeit, den Betrieb für Leasingkunden und Privatkäufer aufrechtzuerhalten. Teil des Deals ist der Zugriff auf Cloud-Dienste, OTA-Update-Systeme und Diagnosetools – technische Assets, die für Ocean-Fahrzeuge essenziell sind.

    Parallel arbeitet American Lease mit der Fisker Owners Association (FOA) zusammen, um die Infrastruktur zu betreiben. Jedoch stockt die Finanzierung dieser Partnerschaft, da die FOA sich weigert, einen Großteil der laufenden Kosten zu übernehmen (z. B. für LTE und Microsoft-Cloud).
     
  3. Kein Übergang zu Chapter 7 – vorerst
    Der größte Gläubiger (Heights Capital) hatte beantragt, Fisker in ein Chapter‑7-Verfahren zu überführen – was einer kompletten Zerschlagung gleichkäme. Ein US-Richter stoppte diesen Versuch jedoch im August 2024, um wichtige Rückrufe und Softwareunterstützung nicht zu gefährden. Damit bleibt Chapter 11 weiterhin in Kraft, was Ocean-Besitzern zumindest mittelfristige Sicherheit bietet.
     
  4. Neue Nutzungskonzepte: Ridesharing statt Privatverkauf
    Ein Teil der übernommenen Fahrzeuge wird von American Lease als Ride-Share-Fahrzeuge (z. B. für Uber & Lyft)eingesetzt – u. a. in New York City. Monatliche Leasingraten liegen dabei bei rund 399 USD. Die Wartung erfolgt über Partnerwerkstätten wie das BHP Service Center in der Bronx. Dieses Modell sichert eine Grundauslastung und verhindert den Stillstand der Fahrzeuge.
     
  5. Rückrufe und Ermittlungen laufen
    Die US-Verkehrsaufsicht NHTSA hat mehrere technische Probleme bestätigt – etwa mit Türgriffen, Wasserpumpen und dem plötzlichen Verlust der Antriebskraft. Die Rückrufe sind weiterhin aktiv, werden aber nicht mehr direkt von Fisker, sondern über Insolvenzverwalter bzw. Partnerwerkstätten koordiniert.

    Parallel führt die US-Börsenaufsicht SEC Ermittlungen gegen Fisker wegen möglicher Bilanzmanipulation und fehlender Offenlegungspflichten vor der Insolvenz. Diese Verfahren haben derzeit keine direkten Folgen für Ocean-Besitzer, könnten aber spätere Klagen beeinflussen.