Künstliche Intelligenz : Wird Österreich abgehängt?

Diverse Team of Engineers with Laptop and a Tablet Analyse and Discuss How a Futuristic Robotic Arm Works and Moves a Metal Object. They are in a High Tech Research Laboratory with Modern Equipment.
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„Die österreichische Industrie droht abgehängt zu werden.“ Es sind deutliche Worte, mit denen Josef El-Rayes, Partner und KI-Experte bei Deloitte Österreich, auf den noch sehr zurückhaltenden Umgang heimischer Firmen mit Künstlicher Intelligenz hinweist.

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Gerade einmal 32 Prozent der österreichischen Unternehmen nützen laut einer Studie von Fraunhofer Austria Algorithmen des maschinellen Lernens in der Produktion und in produktionsnahen Bereichen. Auch der Einsatz von kollaborativen Robotern und mobilen Assistenzsystemen stagniert oder ist sogar rückläufig. Dabei wäre angesichts der weltweiten Entwicklungen das Gegenteil zu erwarten.

Es braucht ein Umdenken

„Das ist erstaunlich, wohl aber einem ganz spezifischen, in Österreich weit verbreiteten Zugang zum Thema geschuldet“, sagt Deloitte Partner El-Rayes und nennt zwei Faktoren als Ursachen.

Zum einen werde das Thema in vielen produzierenden Unternehmen recht halbherzig verfolgt. „Häufig ist man zu sehr von der eigenen Ingenieursleistung und der Qualität der Produkte überzeugt und übersieht dabei die Geschwindigkeit, mit der der globale Wettbewerb moderne Technologien einsetzt, um besser und günstiger konkurrierende Produkte zu entwickeln“. Auf der anderen Seite existieren aber auch völlig überzogene Ansprüche. „Viele Unternehmen wollen KI erst dann einsetzen, wenn sie die perfekte Lösung gefunden haben und vergeben so Möglichkeiten, die es auch mit einer 80-prozentigen Lösung geben würde.“

Josef El-Rayes, Partner und KI-Experte bei Deloitte Österreich
Josef El-Rayes, Partner und KI-Experte bei Deloitte Österreich: „Viele Unternehmen wollen KI erst dann einsetzen, wenn sie die perfekte Lösung gefunden haben und vergeben so Möglichkeiten, die es auch mit einer 80-prozentigen Lösung geben würde.“ - © feelimage/Matern

Verzicht wäre fahrlässig

Dabei, so betont der Experte, sind KI-Anwendungen heute schon sehr ausgereift und können so viel Input und Erleichterungen bringen dass es fahrlässig wäre, darauf zu verzichten. Vielfach liegt die Scheu davor allerdings auch daran, dass komplizierter gedacht wird als nötig: „Ein hilfreicher erster Schritt ist, die Technologie an kleinen Anwendungsfällen zu erproben, sie zu verstehen und ihren Nutzen zu lernen. So kann man sich schnell ein Bild über die Einsetzbarkeit machen.“ Im zweiten Schritt gilt es dann in einem fachbereichsübergreifenden Projekt eine KI-Strategie zu erarbeiten. Das dauert in der Regel drei Monate, sie stellt dann aber die Basis für eine nutzenorientierte Umsetzung im Unternehmen dar.

Die technologische Entwicklung hat natürlich auch Folgen für Jobprofile: Künftig werden Menschen keine repetitiven Aufgaben mehr selber machen. Stattdessen werden sie sich eher damit befassen, aus Daten, die von der KI generiert wurden, Schlüsse zu ziehen. „In einem gewissen Sinn werden wir so alle zu Führungskräften, die die Arbeit von Künstlicher Intelligenz überwachen“, sagt El-Rayes und fügt an, dass auch das möglicherweise komplizierter klingt als es ist. „Jeder der ChatGPT nutzt und dann das Geschriebene auf seine Plausibilität prüft und gegebenenfalls verbessert, macht nichts anderes als den Output einer KI zu überwachen.“

Schnelle Amortisation

Für die Berührungsängste mit KI macht El-Rayes aber auch falsche Vorstellungen über die Kosten verantwortlich. Unternehmen würden verständlicherweise das Bedürfnis haben, KI-Anwendungen zu nützen, die nicht generisch, sondern auf die konkreten Bedürfnisse oder Geschäftsmodelle des Unternehmens angepasst sind. Eine KI mit Firmenwissen anzureichern und so ein proprietäres Tool zu schaffen, kann für kleine Unternehmen bereits sehr schnell lohnend sein, sagt er: „Die Kosten sind verhältnismäßig überschaubar und man hat sie üblicherweise durch Effizienzgewinne in sehr kurzer Zeit wieder eingespielt.“

Mit KI neue Geschäftsideen entwickeln

Vor allem aber: Mittelfristig wird ein Überleben auf internationalen Märkten ohne KI-Einsatz kaum mehr möglich sein. Bislang konnten sich die österreichischen und deutschen Hidden Champions, etwa im Maschinenbau, noch relativ hohe Kosten erlauben, weil sie dank ihres Ingenieur-Know-hows einen großen Vorsprung gegenüber der globalen Konkurrenz hatten.

Doch diese Zeiten sind vorbei, sagt El-Rayes:

Es gibt inzwischen kaum eine Anwendung, kaum ein Produkt, das man nicht mittels KI leistungsfähiger machen kann. Umso mehr sollten österreichische Unternehmen Künstliche Intelligenz dazu nutzen, um sich mehr Spielraum für die Entwicklung von neuen Produkten und Geschäftsmodellen zu verschaffen. Das Ziel muss lauten: Alles, was sich an eine KI auslagern lässt, sollte man auch auslagern.
Josef El-Rayes, Partner und KI-Experte bei Deloitte Österreich

Nicht nur, um sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren zu können, sondern vor allem auch, um neue Kompetenzen aufzubauen, was in einem immer schnelleren globalen Wettbewerb unumgänglich ist. Weil er davon überzeugt ist dass das Tempo in Zukunft weiter zunehmen wird, wagt El-Rayes auch eine Prognose: „Ich behaupte, dass Unternehmen, die nicht mindestens 50 Prozent ihrer Prozesse KI-unterstützt abwickeln, in wenigen Jahren vom Markt verschwinden werden und empfehle daher jedem CEO einen „KI-Faktor“ als KPI in seine Unternehmenssteuerung aufzunehmen.

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