Fachkräftemangel : So hilft KI knappe Personalressourcen besser zu nutzen

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Dass die Arbeitswelt sich in einem massiven Wandel befindet, ist offensichtlich. Bis 2030 sollen rund vierzig Prozent aller derzeit Beschäftigten in Pension gehen. Nachrücken werden bei Weitem nicht so viele. In Österreich etwa wird es nach Angaben der Statistik Austria im Jahr 2050 auf dem Arbeitsmarkt um fast 50.000 weniger Arbeitskräfte geben als 2021. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der demografische Wandel: Betrug die Geburtenrate in Österreich 1963, also am Höhepunkt der Babyboomer-Jahre 2,83, so lag sie um die Jahrtausendwende bei 1,36. Die Zuwanderung vermag die so entstehende Lücke nicht zu schließen.

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Für Unternehmen bedeutet das eine sehr komplexe Aufgabe. Sie müssen die Älteren, die noch im Job sind, so lange wie möglich halten, weil die Gefahr groß ist, sonst keinen adäquaten Ersatz zu finden. Sie müssen zugleich aber zukünftige Jobs anders definieren, weil sich die Anforderungen an konkrete Positionen heute viel schneller ändern als noch vor zehn oder fünf Jahren. Und sie müssen all das in einem Umfeld tun, das wirtschaftlich wenig stabil ist und vielfach strenge Zurückhaltung bei Personalkosten erfordert.

Lösungen ganzheitlich denken

„Das ist tatsächlich eine sehr fordernde Gemengelage. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz geraten da nicht zufällig als Lösungsmöglichkeiten zunehmend ins Blickfeld“, sagt Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich und Leiterin der Bereiche Bereiche Future of Work, Workforce Transformation und Change Management.

Wirklich gut funktioniere das allerdings erst dann, betont sie, wenn der technologische Fortschritt, die Prozesse im Unternehmen und die Menschen, die notwendig sind damit diese Prozesse laufen, als ineinander greifende Elemente gesehen werden. „Früher hat man diese drei Ebenen häufig losgelöst betrachtet. Soll Digitalisierung aber dazu genutzt werden, Personalressourcen besser einzusetzen, muss die Digitalisierungsagenda vom Workflow ausgehend gedacht werden.“

Dementsprechend müssen in Zukunft IT und HR noch stärker als bislang zusammenarbeiten. Ein wichtiger Schritt kann für viele Unternehmen in diesem Kontext darin bestehen zu überlegen, welche Tätigkeiten – meist sind es einzelne Tätigkeiten und nicht ganze Jobs – warum digitalisiert werden sollen.

Anna Nowshad, Deloitte
Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte: „Wenn Digitalisierung dazu genutzt werden soll, Personalressourcen besser einzusetzen, muss die Digitalisierungsagenda vom Workflow ausgehend gedacht werden." - © Deloitte/feelimage

Gründe für KI-Vorhaben klären

Denn es macht für die Digitalisierungsstrategie einen Unterschied, ob der Grund, eine Tätigkeit zu automatisieren, darin besteht, dass sie, etwa aufgrund der körperlichen Anforderungen, älteren Arbeitnehmer:innen nicht zumutbar ist oder darin, dass man für eine Aufgabe keine Fachkräfte findet. Im ersten Fall wird der Fokus primär darin liegen, die körperlich fordernden Anteile einer Aufgabe zu reduzieren, im zweiten Fall darin, gegebenenfalls mit KI-Unterstützung, die Tätigkeit so zu vereinfachen, dass sie auch von weniger qualifizierten Arbeitskräften verrichtet werden kann.

Zugleich, sagt Deloitte Partnerin Anna Nowshad, sei es aber wichtig zu definieren, welche Aufgaben auch in Zukunft von Menschen erledigt werden sollen. Wobei viele Unternehmen dabei die soziale Komponente unter-, die technische hingegen überbewerten. Oder anders formuliert: Man legt bei Digitalisierung und Automatisierung zu wenig Fokus darauf, gemeinsam zu lernen und soziale Interaktionen neu zu gestalten, sei aber sehr besorgt, dass eine digitalisierte Lösung möglicherweise nicht völlig fehlerfrei sein könnte.

Fehlerkultur als Voraussetzung für gelungene Digitalisierung

„Vor allem in Unternehmen, die eine stark ausgeprägte Fehlervermeidungskultur haben, sind diese Bedenken sehr stark. Anstatt sich auf ein Digitalprojekt einzulassen und es in einem kleinen Rahmen auszuprobieren, um Erfahrungen zu sammeln und laufend besser zu werden, wird der Anspruch gestellt, dass alles von Beginn an hundertprozentig funktionieren muss. Dieser Anspruch ist aber nicht einlösbar“, betont Nowshad.

Ein anderer Kulturwandel, der vielen Unternehmen häufig im Rahmen von Digitalisierungsvorhaben ins Haus steht, ist die Neudefinition der Zusammenarbeit von HR-Verantwortlichen, IT-Abteilungen und der Vorstandsebene. Bislang waren die drei in vielen Unternehmen relativ parallel zueinander tätig: Die HR stellte das Personal zur Verfügung, der Vorstand gab die Strategie vor, die IT sorgte für die digitalen Arbeitsmittel. Das Ergebnis dieser arbeitsteiligen Organisation erwies sich allerdings nicht immer als befriedigend.

Warum IT, HR und Geschäftsführung zusammenrücken müssen

Um für dieses Problem eine Lösung zu finden sei es nötig, an mehreren Stellschrauben zu drehen, analysiert die Deloitte Partnerin Nowshad: Zum einen müsse die HR stärker als bisher ins Business geholt werden und stärker prozessorientiert denken. Die Führungsebene wiederum kann zum Gelingen von Digitalisierungsprojekten beitragen, indem sie so früh und so klar wie möglich ihre Strategie kommuniziert. Die IT schließlich muss noch stärker als bisher lernen, mit dem zu arbeiten, was vorhanden ist – sowohl was die personelle als auch die materielle Ausstattung betrifft.

„So ein Schulterschluss ist sehr wichtig, wenn Projekte gelingen sollen. Dennoch ist es unvermeidlich, dass es auch Interessensunterschiede gibt. Eine verschriftlichte Digitalisierungsstrategie, auf die man sich verständigt, die auf der Geschäftsstrategie beruht und ebenso eine Personalstrategie beinhaltet, hilft, mit solchen Gegensätzen umzugehen“, erklärt Anna Nowshad. Umso erstaunlicher ist es, dass viele Unternehmen zwar einzelne ressourcenintensive Digitalisierungsprojekte aufsetzen, sich aber oft nicht die Zeit nehmen, eine solche übergeordnete Strategie gemeinsam umzusetzen und zu verfolgen.

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