Interview : KTM-Chef Pierer: "Wahrer Rennsport" versus Täuschung und Marketing

Stefan Pierer KTM
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Ein Interview mit Stefan Pierer, Chef des österreichischen Motorrad-Herstellers und Rennteambetreibers KTM, im Rahmen der Motorrad-WM in Spielberg in der Steiermark. Zu dieser Veranstaltung kamen 206.000 Besucher nach Spielberg - vor allem aus Österreich, aber auch aus Süddeutschland, Italien und Slowenien.

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KTM hat im zweiten MotoGP-Jahr mit einigen Rückschlägen zu kämpfen. Wie schwierig ist die Situation?

Stefan Pierer: Wenn man in etwas einsteigt, wo die anderen schon vier oder fünf Jahre Vorsprung haben, wird es immer enger. Man muss aufholen und gleichzeitig den Fortschritt der anderen verringern. Am meisten wehgetan hat uns heuer aber der Testcrash von Pol Espargaro. Der war schlimmer als gedacht und hat ihn etwas von der Rolle gebracht.

Worauf kommt es in der Weiterentwicklung der RC16 jetzt hauptsächlich an?

Auf die Feinarbeit sowie Versuch und Irrtum. Und da brauchst einen besonders guten Testfahrer, der die letzte halbe Sekunde holt. Denn die kannst du dir auch mit einer Million nicht kaufen. So gesehen stünde ein Dani Pedrosa weit oben auf der Liste. Leistung haben wir im Überfluss, da musste man sogar rausnehmen. Aber Dinge wie die Kurvenfahrbarkeit sind auch entscheidend.

Ist das gerade eine charakterbildende Phase für KTM und die Mitarbeiter?

Für mich ist Suzuki das Vorbild, und da sind wir dabei. Wir sind ja erst im zweiten Jahr. Es ist hart, aber das ist auch Teil des Rennsports. Man wächst aus Niederlagen. Wer immer oben ist, wird hochmütig. Rennsport ist die Verbindung zwischen der erzwungenen und der freiwilligen Innovation. Das hält die Leute zusammen.

Gibt es weiterhin einen klaren Zeitplan für Erfolge beziehungsweise den Titel in der MotoGP?

Ich habe sieben Jahre bei der Dakar und elf Jahre beim Supercross für den Titel gebraucht. Wir brauchen Geduld und geben nicht auf. Ich bleibe dabei, in drei Jahren in Podestnähe zu sein. Nächstes Jahr möchte ich das eine oder andere Podium sehen.

Welchen Ihrer Fahrer sehen Sie am ehesten dazu in der Lage?

Espargaro kann zusammen mit Johann Zarco viel erreichen. Ich würde aber auch Miguel Oliveira nicht unterschätzen. Er ist einer der intelligentesten Fahrer. Man muss aber auch sagen, dass wir mit Marc Marquez einen außergewöhnlichen Fahrer in der MotoGP haben. Dem kannst du auch einen Leiterwagen druntersetzen. Er ist ein Gott.

Wäre Marquez irgendwann eine Option für KTM?

Spitzenfahrer kosten einen Haufen Geld. Gewinnt er, war's er. Verliert er, warst es du. Deshalb gehen wir zusammen mit Red Bull den Weg von unten herauf, das dauert oft länger. Aber Marquez hat ja bei uns angefangen, wir kennen uns."

Sollte Pol Espargaro länger ausfallen: Wer könnte ihn in der WM ersetzen?

Die MotoGP ist so anspruchsvoll, da kannst du nicht irgendwen draufsetzen. Das ist wie Weltraum im Vergleich zu Segelfliegen. Man hat keine Vorstellung, welche Technologie da mittlerweile unterwegs ist. Wir reden von bis zu 18.000 Umdrehungen. Das ist Formel-1-Technologie pur.

A propos Formel 1. Dort tut man sich mit dem Austausch von Piloten leichter als in der MotoGP, oder?

Dort kannst du sowieso bald einen Dummy reinsetzen. Und zu dieser Aussage stehe ich. Bei uns hier hat man wahren Rennsport. Das Andere kannst du bald von der Box aus steuern. Und die Elektrorennen in der Stadt sind die Perversion für mich. E-Rennserien in der Stadt sind Schwachsinn. Du hörst nichts, dazu keine Zuschauer. Ich halte nichts von dem.

(Anmerkung der Redaktion: Hauptsponsor der Elektroauto-Rennserie Formula E ist die Voestalpine)

Worauf fußt diese Meinung?

Wir sind führend als Elektro-Motorradhersteller. Ich kenn mich aus. Und tu auch nicht Leute betrügen wie Elon Musk.

Wo sehen Sie die Straßenmobilität in 20 bis 30 Jahren?

Ich sehe die Elektromobilität bei der kurzen Strecke und bei leichten Fahrzeugen, sprich in der Stadt. Die Fahrräder sind durch, jetzt kommen die Mopeds. Es wird auch leichte Autos geben für die Post, Zustelldienste. Das ist ja alles Stop and Go. Im Überlandverkehr sehe ich sie nicht.

Warum?

Reine Elektromobilität ist ein Verlustgeschäft. Die Hersteller sind gezwungen, es zu tun wegen der CO2-Vorgaben, das Dieselgeld ist auch nicht hilfreich gewesen. Es gibt einen, der diesbezüglich die Leute zur Perfektion verarscht, der heißt Elon Musk. Die Menschen haben ein kurzes Denken und es gibt so viel Geld, mit dem herumspekuliert wird. Aber das ist kein fundamentaler Business Case.

Und Hybrid?

Hybrid wird in den nächsten zehn Jahren sicher kommen, weil es uns hilft. Es ist für die Konsumenten ideal. In der Stadt kannst du elektrisch fahren, an der Ortstafel boosten.

Warum macht Überland-Elektromobilität keinen Sinn?

Da sehe ich die nächsten 20 Jahre keine Chance, den Verbrenner zu ersetzen. Wir können diskutieren über synthetische Kraftstoffe. Aber mit dieser Batterietechnologie? Etwa 75 des Primärenergiebedarfs der Welt wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Dann kommt das über ineffiziente Leitungen in eine Batterie rein, damit man in der Stadt emissionsfrei fahren kann. In China verstehe ich das, da geht's ums Überleben. Grundsätzlich halte ich das aber für eine völlige Fehlrichtung.

Wo steht KTM in der Elektromobilität?

Mit dem Power-Twowheeler, sprich dem Motor-Zweirad, sind wir für Elektromobilität ideal aufgestellt. Wirklich Geld verdienst du nur im unteren Bereich, das sind E-Bike und die kleinen Mopetten. Sobald die Batterie groß wird, frisst es dir die Marge auf. Es gibt ja nur fünf, sechs Hersteller weltweit, die nach der Augenfarbe sagen, du kriegst was, oder eben nicht.

Nochmals zur MotoGP. Die Menschen sind begeistert und kommen weltweit zu Millionen an die Strecken. Manche Medien auch in Österreich tun sich mit Akzeptanz und Anerkennung offenbar aber noch schwer. Ihre Meinung?

Das liegt auch daran, dass wir im Motorradsport wenig Tradition haben. Bei uns ist das eher der Skisport. Aber das hört in Passau auf. Im Gegensatz kann man sich nicht vorstellen, wie populär das in Asien oder Lateinamerika ist. Wir verkaufen über 50 Prozent unserer Motorräder außerhalb von Europa.

(von Hans Gödel, Austria Presse Agentur)

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