Digitalisierung : Digitale Unterstützung: KI gegen den Fachkräftemangel

Hnad working with Digital transformation change management and internet of things (IoT) Ui.
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Die Realität schönzureden, das liegt Nobue von Wurzbach gar nicht. Die HR Business Partnerin bei dem Verpackungs- und Papierspezialisten Mondi gibt ohne Umschweife zu: „Es ist für Unternehmen in den letzten Jahren schwieriger geworden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Dies gilt insbesondere für Facharbeiterinnen und Facharbeiter in der Produktion, Schichtarbeit und für Lehrberufe.“ Denn die Nachfrage ist groß und die Loyalität, die man früher einem Arbeitgeber gegenüber hatte, existiert in dieser Form oft nicht mehr. „Der Gedanke, eine Karriere von der Lehre bis zur Pensionierung in einem Unternehmen zu machen, wird zunehmend selten.“ Einen Weg, den Unternehmen in dieser Situation gehen können, ist für bestimmte Prozesse und Aufgabenbereiche in der Produktion und Verwaltung Digitalisierung einzusetzen. Dass die Jobs abgewertet werden, weil nun ein Programm oder eine KI einen Teil der Steuerung übernimmt, bedeutet das nicht.

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Nobue von Wurzbach, HR Business Partnerin bei Mondi
Nobue von Wurzbach, HR Business Partnerin bei Mondi: „Indem Aufgaben, die schwere körperliche Arbeit erfordern, automatisiert werden, kann ein Berufsfeld neu gedacht und damit auch Mitarbeiter:innen zugänglich gemacht werden.“ - © Mondi

Inklusion durch Digitalisierung

Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich und Leiterin der Bereiche Future of Work, Workforce Transformation und Change Management, hat Mondi bereits bei einigen Projekten begleitet und kann diese Einschätzung bestätigen: „Digitalisierung kann Jobs inklusiver machen, also dazu führen, dass mehr Menschen diese ausführen können. Zum Beispiel kann dank Digitalisierung der Datenoutput einer Maschine visualisiert werden. Dadurch werden Sprachbarrieren reduziert. Das ist ein Punkt, der gerade für internationale Konzerne sehr wichtig ist.“

An einem seiner österreichischen Standorte hat Mondi diesen Ansatz bereits erfolgreich verfolgt. Man hat dort eine Videoreihe entwickelt die darstellt, wie bei häufig vorkommenden Aufgaben und Schwierigkeiten in der Produktion zu verfahren ist. In dieser Form können die Informationen auch von Kolleg:innen mit weniger guten Sprachkenntnissen nachvollzogen werden. Dies trägt maßgeblich zu mehr Arbeitssicherheit bei.

Auch die Integration von Frauen in Produktionsberufen kann durch Digitalisierung gefördert werden. „Indem Aufgaben, die schwere körperliche Arbeit erfordern, automatisiert werden, kann ein Berufsfeld neu gedacht und damit auch Mitarbeiter:innen zugänglich gemacht werden“, ergänzt Nobue von Wurzbach.

Anna Nowshad, Portraibild
Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich: "Digitalisierung kann Jobs inklusiver machen." - © feelimage/Matern

Verbessertes Lernen dank Digitalisierung und KI

Eine andere Idee die man derzeit ventiliert ist es, Large Language Models wie ChatGPT dazu zu verwenden, dass sie wie ein menschlicher Kollege auf Fragen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu reagieren und sie bei Aufgaben, etwa dem Tausch von Teilen, unterstützen. Anders als bei Chatbots, die meist mit einem recht bescheidenen Set an fixen Antworten operieren, können entsprechend trainierte Large Language Models auch auf Nachfragen adäquat reagieren.

„Solche Anwendungen stehen erst an ihrem Beginn“, sagt Angelika Hofer-Orgonyi, Head of Digital Excellence bei Mondi. „Ein anderer Schritt, und in diese Richtung arbeiten wir bereits, könnte auch darin bestehen, Virtual Reality einzusetzen.“

VR-Brillen zu Trainingszwecken zu nutzen wird in der Industrie zunehmend populär. Die Aufgaben, die auf diese Weise geübt werden, sind vielfältig, bis hin zu einem Brandszenario. Mit einer VR-Brille können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr realitätsnah üben was zu tun ist, wenn ein Brand ausbricht: den Feuerlöscher holen und bedienen, Wege freihalten, bei etwaigen Evakuierungen mithelfen.

„Das ist nicht besonders schwierig“, sagt Angelika Hofer-Orgonyi. „Wenn aber wie bei einem Brand der Schockeffekt dazu kommt, macht es einen großen Unterschied, ob man das Szenario vorher so realitätsnah wie möglich geübt hat oder nicht.“ Dies können klassische Schulungen nicht gewährleisten.

Portrait
Angelika Hofer-Orgonyi, Head of Digital Excellence bei Mondi: „Ein Schritt im Rahmen der Digitalisierung, und in diese Richtung arbeiten wir bereits, könnte auch darin bestehen, Virtual Reality einzusetzen.“ - © ANDI.BRUCKNER

KI ermöglicht individuellere Trainings

Digitalisierung und KI können auch besser auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen in Trainings eingehen, sagt sie. Denn während eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter schon nach einem oder zwei Versuchen die Inhalte eines Trainings anwenden kann, macht eine andere Person lieber drei oder vier Durchgänge, bevor sie sich an die Praxis traut. "Ein menschlicher Ausbildner kommt bei solchen unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten oft unter Zeitdruck. Für ein digitalisiertes, womöglich KI-gestütztes Lernprogramm ist das hingegen kein Problem.“

Digitalisierung erfordert Kulturwandel

Zeit sei allerdings nicht nur bei der Nutzung, sondern auch bei der Einführung von digitalen Tools ein kritischer Faktor, betont Deloitte Partnerin Anna Nowshad: „Digitalisierung bedeutet für die meisten Unternehmen nach wie vor einen großen Kulturwandel. Beim dazugehörigen Change-Management besteht eine der Hauptaufgaben darin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie sind, um möglichst viele von ihnen mitnehmen zu können.“ Und das, betont sie, gehe nur mit Weitblick und einer guten Portion Gelassenheit.

Bei Mondi, sagen Nobue von Wurzbach und Angelika Hofer-Orgonyi, habe man diese Lektion längst internalisiert: „Wir wissen, dass unsere Digitalisierungsprojekte und KI-Ideen Zeit brauchen und nicht von heute auf morgen machbar sind. Wir sehen aber schon jetzt entscheidende Erfolge und das riesige Potential, das noch in diesen Projekten steckt.“

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