IM-Expertenpool: Pricing : Wider dem Rabattwahn

"Rabatte bei Autokauf so hoch wie nie" heißt es wiedermal in den heimischen Medien. Sind wir uns ehrlich: Wer vorhat, ein neues Auto zu kaufen, erwartet ohnehin automatisch einen ordentlichen Preisnachlass. Warum? Weil wir von der Branche darauf konditioniert wurden. Genauso in der Möbelbranche: Sie erschlägt einen geradezu mit Aktionen. Wer eine neue Küche plant, erhält noch vor Beginn der Verhandlungen Rabattangebote – unaufgefordert. Das zeigt: Viele Unternehmen haben den sorgsamen Umgang mit Rabatten verlernt. Aber es gibt auch Vorbilder.

IKEA verfolgt beispielsweise eine sehr restriktive Rabattstrategie. Ein Feldversuch (geplanter Kauf einer Einbauküche) zeigte: Während viele andere Möbelhäuser ungefragt mehr als 20 Prozent Preisnachlass anboten, gewährte IKEA keinen Rabatt. Das Unternehmen setzt vielmehr auf vereinzelte, gut überlegte Aktionen: Zum Beispiel schaltete es Anfang des Jahres in einem schwedischen Magazin eine Babybett-Anzeige mit integriertem Schwangerschaftstest. Bei einem positiven Testergebnis erhielt die werdende Mutter einen Rabatt auf das Babybett.

In der Automobilindustrie ist der Autohersteller Tesla ein Paradebeispiel für eine "Null-Rabatt-Strategie". Firmengründer Elon Musk hält es für die Integrität der Marke Tesla für entscheidend, dass Neuwagen, die unversehrt und frisch aus der Fabrik rollen, niemals mit Preisnachlass verkauft werden. Für Vorführwagen, die zu Testfahrten genutzt oder vor Lieferübergabe beschädigt wurden, gelte das natürlich nicht. Begründete Preisnachlässe sind seiner Meinung nach ein Element der richtigen Preissetzung.

Es kann grundsätzlich beobachtet werden, dass Unternehmen, die den richtigen Umgang mit Preisnachlässen verinnerlicht haben, vier wichtigen Prinzipien folgen. Diese haben übrigens auch in der klassischen Industrie ihre Gültigkeit.

Prinzip 1: Eine konsistente Preisstrategie

Stichwort Integrität. Kunden stellen sich auf einen fixen Preis ein, entwickeln eine klare Erwartungshaltung und bewerten den Preis mit der Zeit als fair. Sobald ein Unternehmen zu häufig unkontrolliert Preisnachlässe vergibt, kann das zu einer Verunsicherung der Kunden führen. Die Folge: Das Image und die Marke können nachhaltig beschädigt werden, so wie im Beispiel der Baumarktkette Praktiker. Als man dort eines Tages die aggressive Rabattpolitik stoppte, liefen die Kunden scharenweise davon. Man hatte durch die andauernden Rabattaktionen den Kunden signalisiert, dass die Normalpreise zu hoch angesetzt waren. Den höheren Normalpreisen stand dann keine höhere Leistung gegenüber. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. Dazu kommt: Nicht nur Kunden, sondern auch Wettbewerber können durch eine fehlende Rabattstrategie verunsichert werden und in einen vermuteten Preiskampf einsteigen. Solche Entwicklungen haben das Potenzial, eine Abwärtsspirale der Preise in der gesamten Branche zu erzeugen.

Prinzip 2: Keine Leistung ohne Gegenleistung

Grundsätzlich sollten Preisnachlässe nur aus gutem Grund gegeben werden. Ein Abweichen vom Normalpreis sollte nur dadurch ausgelöst werden, wenn der Kunde auf eine Art und Weise dem Unternehmen (Mehr-)Wert entgegenbringt. Etwa wenn er größere Mengen abnimmt, mehrere verschiedene Produkte und oder Services kauft (Stichwort Crossselling) oder strategisch wichtig ist. Dennoch muss man hierbei sehr vorsichtig vorgehen. Beispielsweise machen viele Maschinenbauer den Fehler gerade Services und Software bzw. Updates stark oder gar zur Gänze zu rabattieren. Speziell in Hinblick auf zunehmend stärker Software- oder Service-zentrierte Geschäftsmodelle ist das ein Eigentor.

Prinzip 3: "Aktionen" nur von begrenzter Dauer, eingesetzt als Steuerungselement

Preisaktionen sollten nicht zu lange andauern und nie vorhersehbar werden. Gewöhnen sich Kunden einmal an einen Rhythmus ist die Gefahr hoch, dass dadurch das reguläre Geschäft konterkariert wird. Das Ziel sollte immer sein, sich Aktionen als Steuerungselement zu Nutze zu machen. Gerade bei stark kapazitätsgetriebenem Geschäft, wo eine hohe Auslastung des eigenen Maschinenparks überlebenswichtig ist, können Aktionen eine Möglichkeit sein die Auslastung proaktiv zu steuern und nicht reaktiv den Kunden mit meist höheren Preisnachlässen hinterherlaufen zu müssen. Mittels neuer Vorhersagealgorithmen kann das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage deutlich besser abgeschätzt und somit drohende Leerläufe vermieden werden.

Prinzip 4: Ein striktes Monitoring

Preisnachlässe egal welcher Art sollten immer von einem strikten Monitoring gefolgt sein. Je nach erhofftem Ziel, sollten entsprechende KPIs definiert und in kurzen Intervallen überprüft werden. Neben den üblichen Messgrößen wie Umsatzzuwachs und Gewinn sollten speziell auch Cross-Effekte wie beispielsweise Nachfrageveränderungen anderer Produkte oder auch hinsichtlich der zeitlichen Abfolge (Stichwort "Hamsterkäufe") genauestens geprüft werden.

Fazit

Der strategische und gezielte Umgang mit Preisnachlässen ist nicht nur ein Zeichen des eigenen sorgsamen Wirtschaftens: Er sorgt auch für stabile Marktverhältnisse in der eigenen Branche.

Wie Sie Digitalisierung in Marketing und Vertrieb für Ihr Unternehmen nutzen, um damit effektiver, effizienter und auch profitabler zu werden, und was am Ende Science oder doch eher Fiction ist, erfahren Sie in dieser Blogserie in den nächsten Wochen und Monaten und natürlich im Rahmen der "4. Power Pricing & Sales Konferenz" vom INDUSTRIEMAGAZIN gemeinsam mit Simon-Kucher & Partners am 23. Oktober im Park Hyatt Vienna.

Die Autoren

Othmar Schwarz, Partner und Gesellschafter bei der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners und Constantin Krenn, Manager bei Simon-Kucher & Partners, sind Experten für den Bereich B2B, Industrie und Technologie und beraten österreichische und internationale Marktführer.