Arbeitsmarkt : Neuer historischer Höchststand bei Arbeitslosen in Österreich

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© FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Die Arbeitslosigkeit ist im April aufgrund der Coronakrise weiter angestiegen und hat einen neuen historischen Höchststand erreicht. Über 571.000 Personen hatten Ende April keinen Job, die Arbeitslosenquote stieg auf 12,8 Prozent. Gleichzeitig wurden 104.000 Kurzarbeitsanträge für 1,2 Millionen Menschen gestellt.

Ministerin Aschbacher: Höhepunkt schon überschritten

Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) sieht den Höhepunkt der Arbeitslosenzahlen von Mitte April schon überschritten, die Kurve flache sich ab. AMS-Vorstand Herbert Buchinger rechnet nach einem Rückgang der Arbeitslosigkeit im Sommer mit noch höheren Zahlen im Jänner 2021. SPÖ, ÖGB und AK fordern ein höheres Arbeitslosengeld, die FPÖ einen Österreich-Gutschein und Neos wollen eine rasche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.

Die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer stieg im April im Vorjahresvergleich um 58,2 Prozent auf 571.477 Personen. Damit waren Ende April um 210.275 Personen mehr ohne Job als im April des Vorjahres. Gegenüber Ende März mit 562.522 von Arbeitslosigkeit Betroffenen fiel der Anstieg vergleichsweise moderat aus. "Das Vertrauen der Unternehmen in Kurzarbeit ist erheblich", sagte AMS-Vorstand Buchinger im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio.

Zahlen vom Arbeitsmarktservice im Detail

Das AMS hat per 1. Mai 91.460 Anträge für Corona-Kurzarbeit von Unternehmen mit einer Bewilligungssumme von fast 8,8 Milliarden Euro genehmigt. Am vergangenen Freitag waren insgesamt 104.007 Anträge auf Kurzarbeit in Bearbeitung, davon sind bei 100.281 Anträgen ausreichend Informationen vorhanden. Diese Anträge umfassen 1,25 Mio. Arbeitsplätze.

Gastro und Bau am stärksten betroffen

Die Arbeitslosigkeit stieg im April in allen Altersgruppen, in allen Branchen und in allen Bundesländern sehr stark. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen sank um ein Drittel. Die Arbeitslosigkeit (Arbeitslose und Schulungsteilnehmer zusammen) ist in allen Branchen extrem stark angestiegen, besonders in Beherbergung und Gastronomie, wo das Plus zum Vorjahr sogar 130 Prozent betrug. 118.725 Personen waren hier ohne Job. Die Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe wurden zur Eindämmung des Coronavirus Mitte März geschlossen. Die zweite sehr stark getroffene Branche ist der Bau, wo sich die Zahl der Arbeitslosen auf 37.963 Personen fast verdoppelte (+98 Prozent).

Die Coronakrise trifft die Arbeitsmärkte in den Bundesländern deutlich unterschiedlich: Während sich die Anzahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer Ende April im Vergleich zum Vorjahresmonat in Tirol auf knapp 47.000 mehr als verdoppelte (+108 Prozent), stiegen die Zahlen in Wien um 41 Prozent auf über 197.000.

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AK und SPÖ fordern höheres Arbeitslosengeld

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl fordert von der Regierung eine Arbeitsmarktoffensive. 500 zusätzliche Beraterinnen und Berater beim AMS sollen die Vermittlung von Arbeitslosen ankurbeln. Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes; auf 70 Prozent des letzten Nettogehaltes würde Konsum sichern und ca. 1 Mrd. Euro kosten. Weiters will man eine Möglichkeit zur Verlängerung der Corona-Kurzarbeit als "Ausgleiten" für Betriebe und Arbeitnehmer mit einer Verkürzung der Arbeitszeit, und eine Weiterbildungsoffensive für Arbeitslose.

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Die SPÖ fordert ebenfalls ein höheres Arbeitslosengeld, damit die Rekordarbeitslosigkeit nicht zu einer Massenarmut führe. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sieht die aktuelle Entwicklung am Arbeitsmarkt als direkten Auftrag an die Regierung, das Arbeitslosengeld von derzeit 55 auf 70 Prozent Nettoersatzrate zu erhöhen. "Nach sieben Wochen Krisenmanagement der türkis-grünen Regierung sind heute 570.000 Menschen arbeitslos, 210.000 mehr als Ende April des Vorjahres, so viele wie nie zuvor in der Zweiten Republik", sagte Muchitsch. Im Vergleich zu Deutschland sei die Arbeitslosigkeit in Österreich wesentlich stärker gestiegen.

ÖGB: Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Der ÖGB fordert Maßnahmen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln sowie ebenso ein höheres Arbeitslosengeld. "Dieser traurige Höhepunkt an Arbeitslosen in Österreich kann nicht einfach so hingenommen werden", kommentiert Ingrid Reischl, Leitende ÖGB-Sekretärin, die aktuellen Arbeitsmarktdaten. "Eine Aussendung der Arbeitsministerin, die keinerlei Vorschläge zur Verbesserung der Situation von mehr als einer halben Million Arbeitslosen vorsieht, ist mehr als verwunderlich. Es braucht jetzt rasch Maßnahmen, um die Wirtschaft anzukurbeln und Menschen wieder in Arbeit zu bringen."

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Freiheitliche: "Ministerin begreift den Ernst der Lage nicht"

Die FPÖ kritisiert ebenfalls Ministerin Aschbacher. "Fast 572.000 Menschen haben keine Arbeit, dazu kommen 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit und dazu kommen noch zigtausende Wirtschaftstreibende, die keine Aufträge haben, also ebenfalls keine Arbeit mehr haben. Wie man als zuständige Ministerin so tun kann, als wäre man 'übern Berg', ist mir ein Rätsel. Aschbacher begreift den Ernst der Lage nicht oder es ist ihr schlichtweg 'wurscht'", sagte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Sie fordert einen "Österreich-Gutschein", um den Binnenkonsum anzukurbeln.

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Für Neos ist nun das wichtigste, die Menschen so rasch als möglich wieder in Beschäftigung zu bringen. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker fürchtet besonders um die Jungen, die am Arbeitsmarkt gerade voll durchstarten wollten, nun jedoch jäh ausgebremst wurden. "Jetzt geht es darum, den Menschen eine Perspektive zu geben." Auch wenn viele Stellen verloren gegangen sind, würden in manchen Branchen nach wie vor Arbeitskräfte gesucht. Loacker fordert zudem flexible Lösungen für den Ausstieg aus der Kurzarbeit. (apa/red)