VW-Skandal : Der Abgasskandal ist bei Porsche angekommen

Die Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen weitet sich aus und erfasst auch die Konzerntochter Porsche. Die US-Umweltschutzbehörde EPA wirft dem VW-Konzern vor, die Schummel-Software auch bei Drei-Liter-Diesel-Motoren der Modelle VW Touareg, Porsche Cayenne sowie von mehreren Audi-Modellen eingebaut zu haben.

Der Wolfsburger Autobauer wies den neuen Vorwurf zurück. Ein Porsche-Sprecher sagte, man habe die Vorwürfe zur Kenntnis genommen und werde sie nun prüfen. Damit weitet sich ein Drama aus, das im September sehr plötzlich eine jahrelange und zuletzt immer rasantere Rekordfahrt von Volkswagen beendet hat. Im dritten Quartal musste der größte Autobauer Europas wegen des Diesel-Skandals erstmals seit Jahren wieder einen Verlust ausweisen - und zwar gleich in Milliardenhöhe.

Bisher drehte sich die Abgas-Affäre lediglich um Motoren bis zu 2,0 Liter Hubraum. Nach Angaben der Behörde wurden in bestimmten Diesel-Modellen der Marken VW, Audi und Porsche der Modelljahrgänge 2014 bis 2016 Drei-Liter-Diesel-Motoren verbaut, die bei Stickoxid-Emissionen die in den USA erlaubten Grenzwerte um das bis zu Neunfache überträfen. Im einzelnen handle es sich um Fahrzeuge der Typen VW Touareg (2014), Porsche Cayenne (2015) sowie die Audi-Modelle A6 Quattro, A7 Quattro, A8, A8L, and Q5 (2016). Autoexperten zufolge könnte bei der harten Konkurrenz innerhalb des Konzerns ausgerechnet die Tochter Skoda profitieren - mehr dazu hier.

"Saubere Luft für alle Amerikaner"

Ihren neuesten Vorwurf formulierte EPA-Vertreterin Cynthia Giles mit der üblichen Rhetorik. "VW hat einmal mehr seine Verpflichtungen missachtet, sich an die Gesetze zu halten, welche saubere Luft für alle Amerikaner sichern", sagte EPA-Vertreterin Cynthia Giles der Mitteilung zufolge. "Alle Hersteller sollten nach den selben Regeln spielen." Die Behörde werde ihre Ermittlungen zu diesen "ernsten Angelegenheiten" fortsetzen. Insgesamt gehe es bei den neuen Vorwürfen um rund 10.000 Fahrzeuge, die seit 2014 in den Vereinigten Staaten verkauft worden seien.

Außerdem sei eine unbekannte Zahl an Autos aus dem Modelljahrgang 2016 betroffen. Bei den inkriminierten Audi-Modellen handelt es sich den Angaben zufolge um den A6 Quattro, den A7 Quattro, den A8, den A8L und den Sportgeländewagen Q5. Auch der Porsche Cayenne geriet ins Visier der US-Behörden - Porsche galt bislang als sauber. Der ehemalige Porsche-Chef Matthias Müller hatte die Führung des VW-Konzerns übernommen, nachdem Vorgänger Martin Winterkorn wegen des Skandals gehen musste.

Volkswagen weist Vorwürfe kategorisch zurück

Mitte September hatte die EPA Verstöße bei den VW-Modellen Jetta, Beetle, Golf und Passat sowie beim Audi A3 aus den Jahren 2009 bis 2015 gerügt. Volkswagen gab daraufhin zu, weltweit in bis zu elf Millionen Autos eine Software eingebaut zu haben, die bei Tests zu einem niedrigeren Schadstoffausstoß führte als auf der Straße. Der Wolfsburger Konzern betonte, dass "ausschließlich" Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 betroffen seien - darunter fallen Diesel-Motoren mit einem Hubraum von 1,2 Litern, 1,6 Litern sowie zwei Litern.

Am Montagabend wies Volkswagen die neuen Vorwürfe der EPA kategorisch zurück: Es sei "keine Software bei den 3-Liter V6-Diesel-Aggregaten installiert" worden, "um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern". Das Unternehmen werde mit der EPA "vollumfänglich kooperieren, um den Sachverhalt rückhaltlos aufzuklären", teilte ein Konzernsprecher in Wolfsburg mit. Porsche zeigte sich in einer Erklärung "überrascht" über die Vorwürfe. Bislang hätten alle vorliegenden Informationen ergeben, dass der Porsche Cayenne Diesel die US-Vorschriften voll erfülle.

US-Behörde: "Wir haben klare Beweise"

EPA-Vertreterin Giles erklärte hingegen: "Wir haben klare Beweise für diese zusätzlichen Verstöße." Die Manipulationssoftware bei den größeren Motoren sei im Rahmen der Ermittlungen entdeckt worden. Die Motoren stoßen laut EPA bis zu neun Mal so viel Stickoxid aus wie erlaubt. Demnach erkennt die Software Emissionstests und schaltet automatisch in einen sparsameren Modus. "Genaue eine Sekunde" nach dem Test springe der Motor dann wieder in den Normalbetrieb.

Allein in den USA kommen auf Volkswagen eine Milliardenstrafe sowie eine teure Rückrufaktion und Schadenersatzklagen zu. Auch in Deutschland und anderen Ländern laufen Ermittlungen. Der Abgas-Skandal drückte den Konzern im dritten Quartal in die roten Zahlen: Rückstellungen von 6,7 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Affäre sorgten unterm Strich für einen Verlust von 1,67 Milliarden Euro, wie Volkswagen Ende Oktober mitteilte.

Im US-Repräsentantenhaus hat der Ausschuss für Energie und Handel eine Untersuchung des Skandals eingeleitet. "Es ist an der Zeit für Volkswagen, reinen Tisch zu machen", erklärten die Ausschussvorsitzenden mit Blick auf die neuen Vorwürfe. Der Fraktionsvize der Grünen im deutschen Bundestag, Oliver Krischer, warf den VW-Managern mangelnden Aufklärungswillen vor. "Der Sumpf von Abgasbetrügereien der Autoindustrie ist längst nicht trockengelegt, er war bisher offensichtlich nicht einmal ansatzweise bekannt", erklärte er.

Deutsche Verbraucherschützer: Autobesitzer dürfen nicht auf Schaden sitzen bleiben

Der Abgas-Skandal droht den betroffenen VW-Kunden nach Einschätzung von Verbraucherschützern direkt ans Portemonnaie zu gehen - mehr dazu in dieser Meldung: Gutachten: Autobesitzer könnten Teil des Rückrufs selbst zahlen >>

So besagt ein Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv), dass Volkswagen nach aktueller Rechtslage nicht verpflichtet ist, sämtliche Kosten für die Folgen der bevorstehenden Rückrufe zu tragen. Dazu zählten etwa ein Ersatzwagen während der Reparatur, Verdienstausfall oder Mängel im Anschluss an die Nachbesserungen in den Werkstätten.

"Verbraucher dürfen nicht auf dem Schaden sitzen bleiben, den ihnen Volkswagen beschert hat", forderte der Verband. Kritisch ist es laut dem Gutachten auch, dass bereits nach zwei Jahren Gewährleistungsansprüche gegen Autohändler verjährten. Diese Frist ist für viele betroffene VW-Kunden schon abgelaufen. (afp/dpa/reuters/apa/red)