Steiermark : Wenn die kan guaten Standort ham, gemma wieder ham

Die Steiermark will junge Forschende und Fachkräfte aus der ganzen Welt anlocken.

Die Steiermark will junge Talente aus der ganzen Welt anlocken.

- © Gorodenkoff - stock.adobe.com

Die Steiermark braucht dringend Fach- und Spitzenkräfte, damit der Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig bleibt.

Laut Daten der Statistik Austria und der ÖROK-Regionalprognosen schrumpft in der Grünen Mark die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren bis 2050 um 10,7 Prozent. Nur in Kärnten ist der Rückgang mit 16,6 Prozent noch deutlicher.

Südösterreich braucht also verstärkt Zuzug von internationalen Arbeitskräften und Forscherinnen und Forschern. In den nächsten 20 Jahren werden der Steiermark 50.000 Beschäftigte fehlen. Zusammen mit Kärnten fehlen dem Wirtschaftsraum Südösterreich insgesamt fast 100.000 Arbeitskräfte.

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  • Bernhard Puttinger, Geschäftsführer Green-Tech-Cluster
    Die heimischen Unternehmen agieren in einem internationalen Umfeld. Um Fachkräfte in die Steiermark zu locken, braucht es deshalb ein breites Portfolio an Maßnahmen.

    Bernhard Puttinger

Zunehmende Alterung Ursache für Arbeitskräftemangel

Die Demografie hält den Standort in der Zange: Einerseits sorgen geburtenschwache Jahrgänge dafür, dass immer weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen. Der Anteil der 25-Jährigen sank in den letzten zwanzig Jahren von 72.000 auf 63.000. Andererseits stieg die Zahl der über 50-jährigen unselbständig Beschäftigten in der Steiermark im selben Zeitraum von 69.000 auf 155.000, wie aus Daten der Statistik Austria hervorgeht.

Gleichzeitig scheiden ältere Arbeitnehmer in Österreich deutlich früher aus dem Erwerbsleben aus als anderswo in Europa. So waren zuletzt nur mehr 56,4 Prozent der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig.

Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt sind es 60,5 Prozent, in Schweden sogar 77,7 Prozent. Würde diese Quote auch hierzulande erreicht, stiege das inländische Arbeitskräfteangebot nach Berechnungen der Nationalbank um rund 184.000 Personen. Noch dramatischer ist der Unterschied bei den 60- bis 64-Jährigen, von denen in Deutschland 65,3 Prozent noch im Erwerbsleben stehen, in Österreich aber nur 33,6 Prozent. Das Pensionsantrittsalter der Männer lag zuletzt bei 62,1 Jahren, das der Frauen bei 60,1 Jahren - und damit in etwa auf dem Niveau der 1970er Jahre.

“Als Antwort auf diese Tatsache steht qualifizierte Zuwanderung auf der Tagesordnung. „Anders wird die Lücke an fehlenden Fachkräften nicht zu schließen sein“, resümiert der steirische Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk.

Stefan Stolitzka, Präsident der IV-Steiermark
Stefan Stolitzka, Präsident der IV-Steiermark - © KANIZAJ 2024

Steiermark wirbt um Talente

Um den Wirtschaftsstandort Steiermark international besser zu vermarkten, wurde die Steirische Tourismus und Standortmarketing GmbH (STG) gegründet. Sie soll die Grüne Mark als idealen Ort zum Arbeiten, Leben und Wohnen international präsentieren.

"Wir sind ein pulsierender Wirtschaftsmotor mit innovativen Unternehmen und ein Hotspot für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung. Das wollen wir mit einem umfassenden Standortmarketing nach außen tragen, um neben Touristen auch Studierende, Fachkräfte und Unternehmen für die Steiermark zu gewinnen“, betonte Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl bei der Pressekonferenz zur Präsentation des neuen Standortmarketings.

Auf der Website „standort.steiermark.com“ können sich steirische Unternehmen, Institutionen, Universitäten und Organisationen ab sofort über die neuen Marketingmaßnahmen informieren und die Inhalte, wie zum Beispiel einen neuen Standortfilm, eine Welcome-Website, ein Magazin und eine Standortpräsentation, nach Registrierung kostenlos downloaden. Mit diesem umfangreichen Maßnahmenpaket will die STG die Standortqualitäten im In- und Ausland gezielt präsentieren.

Denn die Steiermark zeichnet sich nicht nur durch hohe Lebensqualität, Kultur und Kulinarik aus, sondern ist auch ein starker Wirtschafts- und Forschungsstandort. Große Leitbetriebe, innovative Klein- und Mittelbetriebe, Hidden Champions sowie zahlreiche Institutionen tragen mit ihren Leistungen zur Wertschöpfung in der Steiermark bei.

Umwelttechnologien gelten als steirische Exportschlager, wie die Kompostieranlagen der Firma Komptech.

Vom Late Mover auf die Überholspur

Dass die Steiermark mit der Gründung einer eigenen Standortagentur eher spät dran ist, sei nur am Rande erwähnt. Andere Bundesländer haben den Bedarf früher erkannt. Nichtsdestotrotz ist die Steiermark nun mit innovativen Werbebotschaften auf der Überholspur unterwegs.

Das kommt auch bei der steirischen Wirtschaft gut an. „Für uns ist es wichtig, international sichtbar zu sein und als attraktiver Raum zum Leben und Arbeiten wahrgenommen zu werden. Mit “welcome.steiermark.com” ist es gelungen, eine zentrale Plattform zu schaffen, auf die rekrutierende Unternehmen als erste Anlaufstelle für Fragen zur Steiermark über den Job hinaus verweisen können“, zeigt sich etwa Stefan Stolitzka, Präsident der IV-Steiermark, positiv überzeugt.

Dass Österreich insgesamt in internationalen Standortrankings zuletzt von Platz 20 auf Platz 24 abgerutscht ist, zeige, dass dringender Handlungsbedarf bestehe.

  • Veronika Wolf, Geschäftsführerin CINT
    „Unsere Global Talents schätzen das Gefühl der Sicherheit, attraktive Unternehmen und Karrieremöglichkeiten, gute Ausbildungschancen für ihre Kinder und ein freundliches Miteinander.“

    Veronika Wolf, Geschäftsführerin CINT

Automotive als Leitindustrien

Der Standort Österreich zeichnet sich international vor allem durch seine Green-Tech- und Automotive-Unternehmen aus. In diesen Bereichen ist auch der Bedarf an Fachkräften besonders hoch.

Die Mobilitätsindustrie zählt mit rund 70.000 MitarbeiterInnen und ca. 17 Milliarden Euro Umsatz zu den wichtigsten Stärkefeldern der Steiermark und Österreichs. Davon beschäftigt die steirische Automobilbranche mindestens 14.000 Menschen und erwirtschaftet einen Umsatz von über 10 Milliarden Euro. Darunter befinden sich Weltmarktführer und internationale Nischenplayer, aber auch zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe sowie hochinnovative Start-ups und Scale-ups.

Entsprechend kritisch ist auch hier der Fachkräftemangel. Doch man ist gut aufgestellt, wie Michael Liebminger, Geschäftsführer des Mobilitätsclusters ACStyria, berichtet: „Wie fast alle Branchen ist auch die Automobilindustrie vom Fachkräftemangel betroffen. Mit unseren Aus- und Weiterbildungseinrichtungen in der Steiermark haben wir aber einen enormen Standortvorteil.

Unsere renommierten Bildungseinrichtungen und das traditionell hohe Know-how in der Fahrzeugtechnik machen die Steiermark nicht nur für österreichische Studierende attraktiv, sondern ziehen auch qualifizierte Studierende aus dem Ausland an. Vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung ist die Steiermark in der Automobilbranche führend. „Mit einer F&E-Quote von über fünf Prozent ist die Steiermark eine der innovativsten Regionen des Landes.

Im Netzwerk des ACstyria liegt die F&E-Quote sogar bei 12 Prozent. Durch die steirische Clusterlandschaft, die als eine ihrer Hauptaufgaben die Vernetzung relevanter Akteure aus den unterschiedlichen Bereichen hat, werden die Standortvorteile der Steiermark auch in Zukunft gesichert“, ist Liebminger überzeugt.

Pankl Racing
Die Steiermark mit ihren vielen Hightech-Betrieben hat hohen Bedarf an internationalen Fachkräften. Moderne Arbeitsplätze, wie hier bei Pankl Racing, garantieren gute Karrierechancen. - © IV/Mathias Kniepeiss

Grüne Markt punktet mit Green-Tech

Mit Green-Tech-Produkten hat sich die Steiermark in den letzten Jahren auch international einen Namen gemacht. Das Green Tech Valley, Heimat von 300 Unternehmen und 1.200 Forschenden, dominiert mit 26.500 Beschäftigten den grünen Sektor (insgesamt 58.000 Beschäftigte in diesen Unternehmen) und hat zuletzt international für Schlagzeilen und Auszeichnungen gesorgt.

„Im Jahr 2022 verzeichneten unsere Mitgliedsunternehmen eine Umsatzsteigerung im Bereich Umwelttechnik von 22 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro. Davon entfielen 75 Prozent auf erneuerbare Energien. Das Valley glänzt auch mit acht von elf neuen grünen COMET-Zentren und -Modulen und liegt an der Spitze der österreichweit 193 Green-Tech-Start-ups im Jahr 2024. Hier hat die Steiermark erstmals Wien bei den Neugründungen überholt“, berichtet Bernhard Puttinger, Geschäftsführer des Green-Tech-Clusters.

„Die heimischen Unternehmen agieren in einem internationalen Umfeld. Um Fachkräfte in die Steiermark zu holen, braucht es daher ein breites Portfolio an Maßnahmen: Verstärkte Förderungen, spezialisierte Ausbildungsprogramme, infrastrukturelle Verbesserungen, ein vereinfachtes regulatorisches Umfeld für Unternehmen, internationale Kooperationen und eine starke Integration von Nachhaltigkeitszielen in die Wirtschaftspolitik. Diese Schritte sind notwendig, um die Region als globalen Hotspot für grüne Technologien weiter zu etablieren. Mit dem neuen Standortmarketing Steiermark wird hier ein wichtiger Marketinghebel für die Sichtbarkeit gesetzt“, so Puttinger.

Arbeits- UND Lebensraum

Dass die Steiermark mit zahlreichen Hidden Champions und international erfolgreichen Unternehmen gute Arbeitsplätze zu bieten hat und mit der höchsten F&E-Quote unter den Bundesländern punkten kann, ist seit langem bekannt. Es gibt aber auch Verbesserungsbedarf bei der Standortattraktivität.

Vor allem ausreichend attraktiver Wohnraum sowie Welcome Points für Expats und ein Ausbau der Kinderbetreuung mit ausreichend englischsprachigen Angeboten sind dringend notwendig. Denn die besten Köpfe kommen nicht nur zum Arbeiten in die Steiermark, sondern wollen hier auch mit ihren Familien gut leben können. Generell könne Österreich beim Lohnniveau mit Standorten wie der Schweiz, Dänemark, Deutschland oder Großbritannien nicht mithalten, heißt es aus Expat-Kreisen.

Deshalb müsse man hierzulande verstärkt mit Lebensqualität punkten. Denn Geld ist längst nicht mehr der Hauptfaktor, der internationale Fachkräfte anzieht. Eine Anlaufstelle für Expatriates in der Steiermark ist der Club International (CINT). CINT-Geschäftsführerin Veronika Wolf berichtet, was ausländische Fachkräfte an der Steiermark schätzen: Unsere Global Talents aus über 90 Nationen haben unterschiedliche Präferenzen, aber eines ist allen gemeinsam: das Gefühl von Sicherheit, attraktive Unternehmen und Karrieremöglichkeiten, gute Bildungschancen für ihre Kinder und ein freundliches Miteinander.

Expatriates würden besonders ein gesundes und nachhaltiges Leben, öffentliche und soziale Sicherheit und eine gute Work-Life-Balance mit vielen Freizeitmöglichkeiten in der Natur schätzen. „Nachholbedarf gibt es bei der Kinderbetreuung und internationalen bzw. englischsprachigen Schulangeboten, wir haben zu wenig Plätze“, zeigt Wolf auch Verbesserungsbedarf auf. CINT berät ausländische Fachkräfte umfassend zu allen Themen rund um das Leben und Arbeiten in der Steiermark.

„Wir konzipieren individuelle Beratungsangebote für unsere Expatriates und ihre Familien, begleiten Menschen und Unternehmen langfristig und vernetzen alle durch zahlreiche Veranstaltungen und Projekte. Wir setzen auf Partnerschaft und Vertrauen und eine offene Community, in der durch gelebte Hilfsbereitschaft jeder nicht nur leichter ankommt, sondern sich auch zu Hause fühlt“, berichtet Wolf.

Bekanntheit hat Luft nach oben

Dass die Steiermark zwar viele Vorzüge hat und international mit hoher Attraktivität punkten kann, aber in wichtigen Export- und Partnerländern in Sachen internationaler Bekanntheit noch Luft nach oben ist, weiß Karl Hartleb, Geschäftsführer des ICS, der erst kürzlich mit einer großen steirischen Wirtschaftsdelegation in Indien war:

„Die Steiermark wird in Indien bisher kaum wahrgenommen, aber die Qualität und Größe der steirischen Delegation hat die indische Seite zweifellos überrascht. Im Nachhinein berichten uns Unternehmen bereits von interessanten und konkreten Gesprächen. Indien befindet sich jedenfalls auf allen Ebenen im wirtschaftlichen Aufschwung: Die öffentliche Hand arbeitet gemeinsam mit privaten Investoren an der raschen Verbesserung der Infrastruktur. Und private Unternehmen, die in Teilbereichen bereits sehr wettbewerbsfähig sind, versuchen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Und genau hier ist Technologie gefragt - im besten Fall aus der Steiermark“, so Hartleb.

Gezieltes Standortmarketing im Ausland sei daher sehr wichtig. „Entsprechende Anstrengungen sind deshalb wichtig, weil wir (in Österreich) bei hochqualifizierten Arbeitskräften bisher eher zweite, wenn nicht sogar dritte Wahl sind. Das liegt an objektiven Umständen wie der Sprache und einer bisher eher rigiden Zuwanderungsregelung für Spitzenkräfte, aber auch schon am mangelnden Bekanntheitsgrad. Wer weiß schon, dass wir neun sehr gute Universitäten haben, dass wir ein Hot-Spot für Forschung und Innovation sind und dass die Lebensqualität sehr hoch ist. Die neue Initiative der Steiermark, sich als innovativ, dynamisch und schön zu präsentieren, ist daher sicher sehr wichtig und wird Früchte tragen, wenn wir sie alle aktiv unterstützen“, ist Hartleb überzeugt.

Letztlich müsse die Werbung aber auch halten, was sie verspricht, denn entscheidend sei es, Fachkräfte auch langfristig halten zu können. In den gut vernetzten Communities der internationalen Fachkräfte spricht sich die Standortqualität schnell herum. Schließlich ist es wichtig, in Kontakt zu bleiben. Auch wenn Expatriates ihre Zelte wieder abbrechen, bleiben sie globale Botschafter für die Marke Steiermark.