Interview mit Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher : Warum die Landwirtschaft innovative Ideen braucht

Mähdrescher und Traktor bei der Ernte auf einem Weizenfeld

"Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern sitzen die Bauern in Österreich mit am Verhandlungstisch und werden gehört."

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Die Landwirtschaft wird eher mit Tradition als mit Innovation verbunden. Mit dem Vifzack Award werden z.B. innovative Konzepte in der Landwirtschaft vor den Vorhang geholt. Wie wichtig ist es heute, dass landwirtschaftliche Betriebe sich auch mit innovativen Konzepten und Geschäftsmodellen beschäftigen und wie kann die LK dies fördern?


Franz Titschenbacher:
Die Landwirtschaft ist ein Hort der Innovationen, diese passieren direkt auf den Höfen und haben für den Fortschritt in der Landwirtschaft eine entscheidende Bedeutung. Durch Innovationen machen sich die landwirtschaftlichen Betriebe zukunftsfit. Erfolgreiche Innovationen fallen aber nicht vom Himmel, sie müssen zielgerichtet entwickelt werden. Dazu braucht es neben guten Ideen, Mut und Risikobereitschaft auch Durchhaltevermögen. Daher bietet die Landwirtschaftskammer den Bäuerinnen und Bauern als besonderes Service auch eine profunde Innovationsberatung an.


Die Herausforderungen für die Landwirtschaft werden auch hinsichtlich neuer EU-Vorgaben zur Renaturierung etc. nicht kleiner, was in einigen EU-Ländern zu Bauernprotesten geführt hat. Wie ist die wirtschaftliche Lage der steirischen Bauern aktuell zu beurteilen? Und warum sind hierzulande Proteste noch ausgeblieben?


Titschenbacher:
Die wirtschaftliche Lage in der Landwirtschaft ist herausfordernd. Das ist auch an den Stundenlöhnen abzulesen. Der durchschnittliche Stundenlohn für eine Familienarbeitskraft beträgt gemäß Grünem Bericht 2023 in der steirischen Land- und Forstwirtschaft nach Abzug der Sozialversicherung lediglich 11,90 Euro. 

Gleichzeitig haben die Bäuerinnen und Bauern ein hohes Risiko zu stemmen. Zu den Protesten: Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern sitzen die Bauern in Österreich mit am Verhandlungstisch und werden gehört. Während in anderen Ländern Budgets gekürzt werden, greift Österreich den Bauern unter die Arme, wie beispielsweise mit dem europaweit einzigartigen Impulsprogramm. Aktuell machen wir uns für eine Kurskorrektur bei der EU-Agrarpolitik stark und treten für einen spürbaren Bürokratieabbau ein.

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Mit jedem Hektar verbauten Bodens erhöht sich die Gefahr der Importabhängigkeit von Lebensmitteln

"Erfolgreiche Innovationen fallen nicht vom Himmel"

Ein besonderes Problem für die Landwirtschaft ist der Bodenverbrauch in Ö. Die Steiermark ist hier Spitzenreiter bei der Versiegelung. Warum plädiert die LK für die Einhaltung des 2,5-Hektar-Ziels und wie viel landwirtschaftliche Wertschöpfung geht durch zunehmende Bodenversiegelung in der Steiermark verloren? Lässt sich das in etwa beziffern?

Titschenbacher:
Mit jedem Hektar verbauten Bodens erhöht sich die Gefahr der Importabhängigkeit von Lebensmitteln. So gilt es auch landwirtschaftliche Vorrangflächen festzulegen, die für andere Zwecke nicht genutzt werden dürfen. Des Weiteren sollen Gewerbe-, Einkaufs- und Parkflächen nicht mehr auf unbebautem Land entstehen. Bei Gewerbeflächen sollten außerdem nach Möglichkeit mehrere Geschosse genützt oder aktiv gefördert werden. Gleichzeitig ist eine Stärkung der Orts- und Dorfkerne erforderlich. Photovoltaik-Anlagen sollten primär auf Dächern und verbauten Flächen errichtet werden. 


Welche Forderungen haben Sie im Wahljahr an die steirische Politik, um Versorgungssicherheit einerseits und landwirtschaftliche Flächen andererseits in der Steiermark besser zu schützen?


Titschenbacher:
Ein wichtiger Teil unseres Zukunftsprogrammes ist die Kurskorrektur in der EU-Agrarpolitik. Deshalb haben wir der EU- Kommission ein Grundsatzpapier vorgeschlagen, das zahlreiche Maßnahmen enthält, um faire Einkommen auf den Höfen zu sichern und bürokratische Hürden abzubauen. Der Bürokratiewildwuchs muss zurechtgestutzt und eingedämmt werden.

Weiters treten wir entschieden gegen Erbschafts- und Vermögenssteuern sowie für den Schutz des Eigentums ein, erlangen einfachere Bauverfahren und unsere Erzeugnisse müssen vor Importen minderwertiger Qualitäten geschützt werden. Eine lückenlose Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln sowie eine Regionalitäts-Offensive für heimische Produkte in Gemeinschaftsküchen und in der Gastronomie stehen ebenfallen ganz oben auf der Agenda.

Franz Titschenbacher, Präsident der Landwirtschaftskammer Steiermark
"Der Bürokratiewildwuchs muss zurechtgestutzt und eingedämmt werden. Weiters treten wir entschieden gegen Erbschafts- und Vermögenssteuern sowie für den Schutz des Eigentums ein." - © Foto Fischer