Konjunktur : Österreich sucht den Aufschwung

Energiepreise sind tragen über Zweitrundeneffekte zur Inflation bei.

Energiepreise sind tragen über Zweitrundeneffekte zur Inflation bei.

- © bluedesign - stock.adobe.com

Österreich startet mit einer doppelt so hohen Inflation wie im EU-Durchschnitt ins Jahr 2024. Mit 7,8 Prozent mit Ende 2023 liegt man vier Mal so hoch wie die eigentliche Zielvorgabe der EZB von zwei Prozent wäre. Der Rest Europas hat sich dieser Zielmarke schon ziemlich angenähert, sodass die EZB bereits über Zinssenkungen im Laufe des ersten Quartals nachdenkt.

Trotz teilweiser Abschaffung der kalten Progression ist auch die Steuer- und Abgabenquote weiter gestiegen und mit 43,2 Prozent ebenfalls eine der höchsten in der EU. Bei den Löhnen und Arbeitskosten gehört Österreich auch nicht gerade zu den Billiglohnländern und die Energiekosten bleiben trotz mehrfacher Senkungen in den letzten Monaten in luftigen Höhen. Der Energiepreisindex liegt im Vergleich zu 2021 immer noch um rund 38 Prozent höher. Bei Fernwärme sind es sogar über 86 Prozent.

Zu diesen ökonomischen Ausgangsdaten kommt auch noch ein schwieriges internationales Marktumfeld hinzu. Die Lieferketten sind wegen des Gaza-Krieges und der Angriffe auf Container-Schiffe im Roten Meer durch Huthi-Rebellen erneut gestiegen und volatil. Die Auftragslage der Exportbetriebe ist gemischt bis sehr verhalten.

Wichtige Wirtschaftssektoren wie etwa die Autobranche oder die chemische Industrie kämpft mit einem Transformationsprozess mit ungewissem Ausgang. Zudem schlägt die Energie- und Mobilitätswende in den Infrastrukturkosten teuer zu Buche. Herr und Frau Steuerzahler werden zur Kasse gebeten.

Prognosen von WIFO und IHS

Dementsprechend sehen auch die Prognosen der beiden großen Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS für Österreich aus. Das im Oktober 2023 prognostizierte leichte Wachstum wurde inzwischen nach unten korrigiert. Grund: die schwächelnde Industrie. Just jene Branche, die während der Corona-Pandemie eine Stütze für die Wohlstandssicherung im Land war. Schwacher Konsum und noch schwächere Investitionen sowie eine Rezession im Handelssektor seinen laut WIFO-Chef Gabriel Felbermayr Hauptursachen für die getrübte Stimmung. Für 2024 prognostiziert er, dass vor allem der Bausektor weiter schrumpfen wird und die Industrie sich nur sehr schleppend erholen wird. Erst 2025 soll das Wirtschaftswachstum wieder bei rund 1,5 bis zwei Prozent liegen. IHS-Direktor Holger Bonin sorgt sich zudem um die hartnäckige Teuerung. „Die Inflation ist nicht nur ein soziales Problem, sie wird zu eine Standortproblem“, warnt Bonin.


Deshalb fordert unisono mit Felbermayr von der Regierung eindringlich eine stärkere Inflationsbekämpfung, etwa durch Senkung der staatlichen Ausgaben.


Mit ORF-Steuer, CO2-Steuer und Co. hebt die Politik ständig die Kosten für die Bevölkerung an, anstatt zu entlasten. Der Klimabonus verpufft als Umverteilungsfaktor. Während Konsumentenschutzminister Johannes Rauch (GRÜNE) letztes Jahr noch Banken und Lebensmittelkonzerne wegen zu hohen Zinsen und zu hoher Preise an die Kandare nehmen wollte und mit Preiseingriffen drohte, hat der Staat bisher in einem Sektor völlig die Augen zugedrückt: dem Energiesektor.

Die Margen im Lebensmittelhandel sind im Schnitt gesunken.
Die Margen im Lebensmittelhandel sind im Schnitt gesunken. - © Kzenon - stock.adobe.com

Politische Hebel bei Energie

Während die private Wirtschaft versucht die Mehrkosten, die wegen steigender Inflation und hoher KV-Lohnabschlüsse und Energiepreise entstehen, nur moderat an die Bevölkerung weiterzugeben, haben die großen Landesenergieversorger, die allesamt zur Gänze oder in wesentlichen Teilen in öffentlicher Hand sind, Rekordgewinne eingefahren. Zuletzt steigerte EVN den Gewinn um 84 Prozent. Die Energie Steiermark konnte ihr Ergebnis nach Ertragssteuern 2022 um rund 50 Prozent steigern. Auch der Verbund hat 2022 seinen Gewinn verdoppelt und 2023 abermals gesteigert. Die Kärntner Kelag verdoppelte das Konzernergebnis im ersten Halbjahr 2023. Der Gewinn der Energie AG stieg um 45 Prozent. Die Liste ließe sich fortsetzen.


Ob dieser Zahlen stellt sich natürlich die Frage, ob die Preissteigerungen volkswirtschaftlich gerechtfertigt waren. Wie Johannes Mayer, Leiter der Abteilung für Volkswirtschaft bei der E-Control auf Anfrage bestätigt, hätte es durchaus in Absprache mit der EU, Möglichkeiten gegeben, preisregulierend in den Strommarkt einzugreifen. Andere EU-Länder hätten jedenfalls Wege gefunden.


Beim größten Teuerungsfaktor für Energie, der Fernwärme, hätte sogar das Preisgesetz von 1992 angewandt werden können. Darin ist festgelegt, dass das Bundesministerium für Wirtschaft für die Lieferung von Fernwärme volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preise festlegen kann. Die Landesregierungen sind durch Delegationsbescheide damit beauftragt, in ihren Bundesländern die Fernwärmepreise festzulegen. Doch nur das Land Oberösterreich hat davon entsprechend Gebrauch gemacht und nur Preissteigerungen von maximal acht Prozent genehmigt, während in anderen Bundesländern die Fernwärme teilweise um über 80 Prozent und mehr anstieg.


Im Preisgesetz von 1992 ist die Lieferung von Strom extra ausgenommen, dennoch sehen Experten, dass es für den Eigentümer immer Möglichkeiten gibt, preisregulierend einzugreifen. Beispielsweise könnte ein Lenkungsfall nach dem Energielenkungsgesetz gesetzlich definiert werden, der einen Preiseingriff bei Marktversagen erlaubt, wenn dies im volkswirtschaftlichen Sinne wäre. Die Verlängerung der Gewinnabschöpfung bei Energiekonzernen ist zwar eine Möglichkeit, aber die Preise werden dadurch offenbar nicht schnell genug gesenkt, um auch die Inflation entsprechend dämpfen zu können.

Österreich hat inzwischen die höchsten Lohnkostenzuwächse in Westeuropa und steht deshalb im internationalen Umfeld besonders unter Druck.

Höhere Gewinne durch hohe Margen

Dank des Merit-Order-Prinzips am Strommarkt haben Energiekonzerne nicht nur im Stromeinkauf höhere Kosten, sondern sie verdienen auch als Erzeuger selbst mehr beim Verkauf ihres Stroms, weil dieser etwa aus erneuerbaren Energiequellen mit sehr niedrigen Entstehungskosten zu hohen Marktpreisen verkauft werden kann. Durch die EU-Strommarktliberalisierung müssen Netzbetreiber, Erzeugungs- und Vertriebsgesellschaften aber getrennt werden. Dennoch sind diese meistens einem großen Gesamtkonzern untergeordnet. Warum daher bei Konzernen, die ohnehin im öffentlichen Eigentum sind, Bilanzen von Mutter- und Tochtergesellschaften im volkswirtschaftlichen Sinne konsolidieren werden können, um günstigere Energiepreise abdecken zu können, ist in der aktuellen Krisenzeit vielen unverständlich.


So fand auch Karlheinz Kopf, Generalsekretär der WKO, deutliche Worte. Die Weigerung, direkt in die Energiepreise einzugreifen, schade dem Wohlstand. „Bei Fortführung dieses Kurses braucht es Entlastungsmaßnahmen, wie z.B. die Verlängerung der Reduktion der Erdgas- und Elektrizitätsabgabe oder des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes (SAG) bis 2030“, warnt Kopf.  


Böse Zungen würden aber behaupten, dass vor allem die grüne Energieministerin Leonore Gewessler sich gar nicht so sehr an den hohen Energiepreisen stört. Räume auf 19 Grad kühlen, Pullover anziehen und beim Kochen Deckel drauf. Passt schon.

Hinter uns die Sintflut

Die hohen KV-Abschlüsse von rund 10 Prozent quer durch mehrere Branchen sind ein weiteres heißes Eisen. Richtig ist, dass die Kaufkraft der Österreicher erhalten blieb und teilweise sogar angestiegen ist. Die vorschnellen Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst Ende 2023 von 9,1 Prozent waren aber ein Bärendienst für die private Wirtschaft und hat die Verhandlungen der Metaller und im Handel verzerrt. Dem für den öffentlichen Dienst zuständigen Vizekanzler Werner Kogler möchte man an dieser Stelle eindringlich näherbringen, dass es die Wertschöpfung der privaten Wirtschaft ist, die den öffentlichen Dienst durch Steuern finanziert.


Überhaupt stellt sich der Staat als größter Profiteur der KV-Verhandlungen heraus und zwar durch deutlich höhere Lohn- und Einkommenssteuern.


Dass Österreich die dritthöchste Steuer- und Abgabenlast (wie bereits erwähnt) in der EU hat, ist für unsere exportorientierte Volkswirtschaft nicht länger verkraftbar. Wie ein Damoklesschwert schweben schon jetzt die Herbstlohnrunden 2024 über der heimischen Wirtschaft. Wenn die Inflation im Laufe des Jahres nicht deutlich sinkt, werden die Gewerkschaften dann wieder Lohnabschlüsse um die 10 Prozent fordern?


Dass die Arbeitnehmervertreter Forderungen nach Senkungen der Lohnnebenkosten so „hartnäckig blockieren“ ist wohl eher der aktuellen politischen Konstellation und der Oppositionsrolle der SPÖ geschuldet. In der Regierung hat die Sozialdemokratie sich durchaus mit einer Senkung der Steuer- und Abgabenquote immer wieder anfreunden können.

Wie ein Damoklesschwert schweben schon jetzt die Herbstlohnrunden 2024 über der heimischen Wirtschaft.

Kein Verlust des Sozialstaates

Die aktuellen Forderungen der Wirtschaft nach einer Senkung der Lohnnebenkosten stellen bei genauerer Betrachtung selbstverständlich keine Schwächung des Sozialstaates dar. Eine derartige Behauptung wäre zu simpel gestrickt. Beiträge zu Pensions- und Krankenversicherung sind in den SV-Abgaben enthalten.

Rund 8,4 Prozent arbeitsunabhängige Abgaben könnten auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite aber entlastet werden. Beispielsweise der Beitrag zur Wohnbauförderung (bleibt den Menschen mehr Netto vom Brutto, muss diese auch weniger in Anspruch genommen werden), der Beitrag zum Familienlastenausgleich FLAF sowie Kammerumlagen und Kommunalsteuern. Eine Reduktion der Lohnsteuer an sich ist hier noch gar nicht inbegriffen.

Warum eine entsprechende Entlastung nicht durch das Budget gegenfinanzierbar wäre, ist daher wenig glaubhaft. Hier könnte durchaus eine Diskussion um höhere Vermögenssteuern einhaken und zur Gegenfinanzierung beitragen. Die Geschichte muss aber zuerst mit einer Entlastung der Arbeitskosten und der Arbeitseinkommen beginnen, was eigentlich im natürlichen Interesse der Arbeitnehmervertreter sein müsste.

Dass die größte Schwächung des Sozialstaates von sinkenden Gesamt-Arbeitsstunden ausgeht, sollte an der Tatsache bewusstwerden, dass man immer länger auf Arzttermine oder auf einen OP-Termin warten muss, in Kindergärten und Schulen eklatanter Personalmangel herrscht und auch in der Altenversorgung das Pflegepersonal immer knapper wird. Die Leistungen des Sozialstaates erodieren dort, wo Personaleinsatz notwendig ist. Leistungsanreize, damit sich mehr Arbeit auch wieder mehr auszahlt, sind daher eher als Erhaltungsmaßnahme für den Sozialstaat zu verstehen.

Perspektive für den Standort

Österreich hat inzwischen die höchsten Lohnkostenzuwächse in Westeuropa und steht deshalb im internationalen Umfeld besonders unter Druck. Für die Finanzierung des Sozialstaates ist ein funktionierender Wirtschaftsstandort notwendig.

Es sollte in diesem Land also möglich sein, die steuerliche Begünstigung der Teilzeitarbeit zugunsten der Vollzeitarbeit zu verschieben. Dass nur mehr rund 20 Prozent der Arbeitnehmer Nettozahler für das System sind, ist kein gerechter Dauerzustand. Wer 100 Prozent mehr arbeitet, verdient auch 100 Prozent mehr Lohn. Das sollte als Perspektive von allen Parteien erkannt werden.