Super-Wahljahr : Kommt der steirische Wahlkampf ohne Themen aus?

Der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang wird mit seinen Infrastruktur-Themen positiv als Gestalter wahrgenommen. Er geht als Spitzenkandidat der SPÖ Steiermark ins Rennen und hat Chancen auf den Landeshauptmann.

Der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang wird mit seinen Infrastruktur-Themen positiv als Gestalter wahrgenommen. Er geht als Spitzenkandidat der SPÖ Steiermark ins Rennen und hat Chancen auf den Landeshauptmann.

- © David Visnjic

Als Landeshauptmann Christopher Drexler in seiner Funktion als Landesparteiobmann der Steirischen Volkspartei Mitte Februar zur großen Steiermark-Konferenz nach Graz lud, war dies wohl der inoffizielle Startschuss für den Landtagswahlkampf. Auch wenn die Wahl selbst erst im Herbst stattfindet, steht dem Bundesland eine lange Wahlkampfphase bevor. Dass diese nicht einfach wird, scheint Landeshauptmann Drexler bereits zu wissen, der in seiner Rede vor 700 Parteimitgliedern die Herausforderungen für 2024 hervorhob und eine Abgrenzung zur Bundespolitik versuchte. „Ich würde lieber unser steirisches Klima der Zusammenarbeit exportieren, als gewisse Stilnoten aus der Bundespolitik zu importieren“, so Drexler.

Einen Kurz-Bonus wie zuletzt 2019 wird es diesmal wohl nicht geben. Vielmehr ist zu erwarten, dass die schlechten Umfragewerte der Bundespolitik auf die Steiermark durchschlagen und auch der Prozess rund um Sebastian Kurz wenig hilfreich sein wird.

Drexler ist daher vor allem um Zusammenhalt bemüht, denn die bis auf den letzten Platz gefüllte Grazer Seifenfabrik täuscht nur allzu leicht darüber hinweg, dass die Steirische Volkspartei in den Umfragen derzeit nur bei rund 20 Prozent liegt. "Wir stehen für Gemeinschaft. Für Zusammenhalt. Für Zusammenarbeit. Für die Steiermark. Und weil für uns die Steiermark an erster Stelle steht, ist es so wichtig, dass die Steirische Volkspartei auch nach der Landtagswahl 2024 die stärkste Kraft in unserem Land bleibt. Nicht aus Selbstzweck - sondern weil wir noch so viel vorhaben, um die Steiermark zu gestalten“, gibt Drexler die Parole aus.

Leistung, Eigenverantwortung und Sicherheit hat sich die Volkspartei auf die Fahnen geschrieben. Doch wie sieht es mit den dazu passenden wirtschaftspolitischen Inhalten aus? Mit welchen „Vorhaben“ will Drexler die Steiermark gestalten? Hier fühlen sich die Wählerinnen und Wähler vom Landeshauptmann noch unterinformiert, um es vorsichtig auszudrücken.

Ein Wahlkampf ohne Themen?

Inflation, hohe Energiepreise und wirtschaftliche Unsicherheit beschäftigen die Steirerinnen und Steirer derzeit am meisten. Ob die von Landeshauptmann Drexler skizzierte Themenpalette ausreicht, um die Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren, darf daher kritisch hinterfragt werden. Der Ausbau der A9 südlich von Graz dürfte kaum von überregionalem Interesse sein.

In der Gesundheits- oder Raumordnungspolitik mangelt es der Steirischen Volkspartei derzeit an kommunikativer Glaubwürdigkeit und der Appell an die Leistungsbereitschaft ist wichtig, darf aber nicht mit einem inhaltlichen Programm verwechselt werden. Angesichts der immensen wirtschaftlichen Herausforderungen ist nicht nur die ÖVP sehr wortkarg, wenn es um Visionen für das Land geht.

  • Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler auf der Steiermark Konferenz 2024.
    Landeshauptmann Christopher Drexler

    „Und weil für uns die Steiermark an erster Stelle steht, ist es so wichtig, dass die Steirische Volkspartei auch nach der Landtagswahl 2024 die stärkste Kraft in unserem Land bleibt. Nicht aus Selbstzweck – sondern weil wir noch so viel vorhaben, um die Steiermark zu gestalten“

Wirtschaftliche Visionen fehlen

Generell scheint es den drei großen Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ an wirtschaftspolitischen Inhalten zu mangeln. Konkrete Konzepte und inhaltliche Positionen, die über einzeilige Überschriften hinausgehen, sucht man derzeit vergebens. Wie man die Steiermark wirtschaftlich weiterentwickeln will, bleibt sehr diffus. Die FPÖ, die mit ihrem Spitzenkandidaten Mario Kunasek derzeit in den Umfragen führt, setzt beispielsweise auf regionale Wirtschaftsförderung und den Erhalt des Straßennetzes. Gut und notwendig, aber als Wirtschaftsprogramm unzureichend. Bessere Karten hat hier schon LH-Stv. Anton Lang von der SPÖ, der mit seinen Infrastrukturagenden positiv als Gestalter im Land auftreten kann und von vielen Wirtschaftstreibenden auch so wahrgenommen wird.

Die Sorgen und Unsicherheiten vieler Wirtschaftstreibender sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land werden von der steirischen Landespolitik derzeit aber nur sehr zurückhaltend adressiert. Auch kommunikativ ist man „noch“ sehr zurückhaltend, die eigenen Stärken in den Vordergrund zu stellen, obwohl mit der Wohnbauförderung-Neu, der hohen Forschungsquote oder der erst kürzlich gestarteten millionenschweren Beschäftigungsinitiative des Landes in Kooperation mit dem AMS Steiermark (um nur einige zu nennen) gute Programme auf den Weg gebracht wurden. Bei den Wählerinnen und Wählern scheint dies aber noch nicht angekommen zu sein, wenn man die jüngsten Umfragen betrachtet. Eine klare wirtschaftspolitische Vision für die Steiermark wird derzeit vermisst.

Mario Kunasek, Spitzenkandidat der steirischen FPÖ, führt aktuell in Umfragen und gilt als großer Herausforderer für die aktuelle Landesregierung, wird aber durch einen Finanzskandal in seiner Partei belastet.

- © Symbol

Wirtschafts- und Sozialthemen entscheiden Wahl

Die kommunikative Zurückhaltung mag der frühen Phase des Wahlkampfes geschuldet sein, ist aber angesichts der Priorität wirtschaftspolitischer Inhalte auch etwas unverständlich. In mehreren Umfragen werden beispielsweise Inflationsbekämpfung, Arbeitsplatzsicherung und soziale Gerechtigkeit als die wichtigsten Themen genannt, die die Wählerinnen und Wähler zum Urnengang motivieren. Die Appelle der Wirtschaft scheinen aber derzeit in der Landespolitik weniger Gehör zu finden, als sie sollten. SPÖ und ÖVP sind kommunikativ auf verdächtiger Tauchstation und auch die FPÖ liegt mit ihren Lösungsvorschlägen für die wirtschaftlichen Herausforderungen unverdient an der Spitze der Umfragen.


Land braucht Reformer



Die Zurückhaltung der drei Großparteien ist Strategie und Selbstschutz zugleich. Die steirische Volkspartei muss aufpassen, dass ihre Glaubwürdigkeit nicht durch bundespolitische Querschüsse angekratzt wird, die steirische Sozialdemokratie versucht, das eher zweifelhafte Image ihres Bundesparteichefs Andreas Babler nicht zu sehr über den Semmering schwappen zu lassen und die FPÖ hält sich wegen des schwelenden Finanzskandals rund um die Grazer Stadtpartei und der vermeintlichen Verwicklung ihres Parteichefs Mario Kunasek wohlweislich zurück. Doch das Motto „Lieber nichts sagen, als das Falsche sagen“ wird die Steiermark nicht weiterbringen. Wie Landeshauptmann Drexler in seiner Rede sagte: Die Herausforderungen sind groß, nicht nur für seine Partei.

Die rot-schwarze Koalition in der grünen Mark kann derzeit nicht an die reformfreudigen Zeiten unter Franz Voves und Hermann Schützenhöfer anschließen. Dabei wäre gerade jetzt wieder Zeit für Reformer. Derzeit versucht sich Christopher Drexler als Landesvater zu präsentieren, doch diese Rolle liegt ihm weit weniger als seinem Vorgänger Hermann Schützenhöfer. Dabei würde Drexler, der intellektueller und zugleich zurückhaltender wirkt, gut ins Bild des hemdsärmeligen Reformers passen. Wirtschaftsthemen sowie Wissenschaft, Forschung und Bildung kann er zudem authentischer ansprechen als Volkskultur und Gesundheitspolitik.

Aktuelle Umfragewerte für die steirische Landtagswahl

FPÖ: 26 Prozent

SPÖ: 24 Prozent

ÖVP: 20 Prozent

KPÖ: 14 Prozent

Grüne: 8 Prozent

NEOS: 7 Prozent

Quelle: politpro.eu/Market

Solide Arbeit in den Vordergrund stellen

Die steirische Koalition von ÖVP und SPÖ hat neben vielen Baustellen, etwa im Gesundheitsbereich, in der Raumordnung, in der Pflege und im Kinderbetreuungsbereich, um nur einige zu nennen, auch zahlreiche Erfolge vorzuweisen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes war bis zuletzt sehr erfreulich. Die Tourismus- und Exportzahlen sind stetig gestiegen. Die hohe Forschungsquote ist ohnehin ein Trumpf, den die Landesregierung immer wieder als wirtschaftspolitischen Erfolg ausspielen kann und zahlreiche wichtige Infrastrukturprojekte wurden in letzter Zeit umgesetzt. Allen voran ist hier die Koralmbahn zu nennen.

Erfolge hängen aber oft auch von den handelnden Personen ab. Die gute wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kärnten ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die beiden Landesregierungen auch auf persönlicher Ebene gut verstehen. Landeshauptmann Drexler will den Zusammenhalt in den Vordergrund stellen, dann muss er aber auch die Stärken und Erfolge der Regierungszusammenarbeit besser verkaufen.

Leichtes Spiel für die Opposition

Von der kommunikativen Schwäche der Landesregierung profitieren derzeit alle Oppositionsparteien, allen voran die FPÖ, die - wie bereits erwähnt - die Umfragen anführt. Auch die steirischen Kommunisten können mit starken Zuwächsen rechnen und die jüngsten Umfragen bescheinigen auch NEOS Steiermark eine solide Ausgangsbasis für das Wahlkampfjahr.

Ob die Opposition neben Schlagzeilen und populistischem Geschrei auch Inhalte nachschießen wird, die man als echtes Programm für dieses Bundesland bezeichnen könnte, darauf wartet der schwankende Wechselwähler noch mit Spannung. Einzig die Grünen profitieren als Oppositionspartei derzeit nicht davon. Unzufriedenheit mit der grünen Bundespolitik wäre allerdings eine zu einfache Erklärung. Die grüne Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl gilt als sehr beliebt und authentisch, die steirischen Grünen brauchen aber ein stärkeres wirtschaftspolitisches Profil. Energiewende, ökologischer Umbau der Industrie und Mobilitätswende brauchen Wirtschaftskompetenz. Die Kandidatenliste der Grünen für die steirische Landtagswahl spiegelt das deutlich zu wenig wider.

Die Schlacht um Graz

Auch wenn die inhaltlichen und thematischen Positionierungen der Parteien noch vage sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Wahl diesmal in Graz entschieden wird. Die steirische Landeshauptstadt hat in den letzten Jahren eine in Österreich einzigartige Unberechenbarkeit bei Wahlen entwickelt. Einmal mehrheitlich grün, dann wieder mehrheitlich blau und plötzlich kommunistisch dunkelrot. Und so dürfte auch diesmal die schwankende Wählerschaft in Graz den Ausschlag geben, wer letztlich in die Landesregierung einzieht.

Derzeit profitieren die steirischen Kommunisten am stärksten vom Bürgermeisterbonus in der Stadt, während die beiden Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ in der Landeshauptstadt auffällig schwächeln. Die große Unbekannte ist die FPÖ. Trotz des Finanzskandals in der Grazer Stadtpartei könnte die Landes-FPÖ in Graz wieder zulegen, was letztlich darüber entscheiden wird, welche der drei Großparteien die Nase vorn haben wird. Gerade in Graz wird sich der Wahlkampf stark um soziale und wirtschaftliche Themen drehen. Viele Wirtschaftstreibende sehen die Errungenschaften des Standortes in Gefahr.

Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) bedient vor allem soziale Themen wie leistbares Wohnen, interessiert sich aber wenig für die Wirtschaft. Das Thema Arbeitsplätze schaffen und sichern ist in Graz noch eine politische Marktlücke, die vielleicht bis zur Landtagswahl geschlossen wird.

Stimmung ist die halbe Konjunktur – oder der Wahlerfolg

Die Stimmung in der steirischen Wirtschaft war schon einmal besser. Das haben hoffentlich auch die Spitzen der steirischen Parteien bemerkt. Aber die Stimmung ist schlechter, als sie sein müsste. Wir haben nach wie vor eine gute Arbeitsmarktsituation, die Lage der Unternehmen ist weitgehend solide und entwickelt sich wieder positiv. Was das Land jetzt wirklich braucht, ist ein Stimmungsmacher.

Jemanden, der in diesen trüben Zeiten glaubwürdig Aufbruch, Hoffnung und Zuversicht verbreitet. Der aber auch versteht, wo die wirtschaftlichen Hebel zu drücken sind. Das wäre eine Aufgabe für die steirischen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten. 2024 wird ein Jahr, in dem Politik im Wahlkampf mehr leisten muss als sonst. Man wird mehr Kilometer laufen, mehr kommunizieren, mehr bei den Menschen sein und einfach mehr Engagement zeigen müssen. Die Menschen wollen, dass man ihre Sorgen ernst nimmt, aber sie wollen nicht ständig daran erinnert werden.

Die Stimmung ist die halbe Konjunktur und wer für wirtschaftliche Aufbruchstimmung sorgt, wird die Wahl gewinnen. Denn von Krisen haben die Steirerinnen und Steirer erst einmal genug.