Rechtstipp : Compliance: Verantwortung in der Lieferkette

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Wer ist betroffen? Nach dem Entwurf des deutschen Lieferkettengesetzes werden deutsche Unternehmen verpflichtet, in ihrer Lieferkette menschenrechtliche und umweltbezogene Vorgaben einzuhalten. Davon werden auch österreichische Lieferanten betroffen sein, unabhängig von ihrer Unternehmensgröße. Gemäß diesem Entwurf werden betroffene Unternehmen für die Produktionsbedingungen ihrer Zulieferer zur Verantwortung gezogen werden. Erleichterungen be- stehen nur hinsichtlich mittelbarer Lieferanten: Sorgfaltspflichten sind dann nur einzuhalten, wenn das Unternehmen Kenntnis von möglichen Verletzungen bzw. Verstößen hat. Betroffen sind in einem ersten Schritt deutsche Einkäufer mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern. Ab 2024 sollen Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern einbezogen werden.

Was gilt als Lieferkette?

Als Lieferkette gelten alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind. Unmittelbare Zulieferer müssen die entsprechenden Vorgaben des deutschen Einkäufers einhalten und entlang ihrer eigenen Lieferkette verankern. Bei festgestellten Verletzungen sind Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Als letzte Konsequenz droht der Abbruch der Geschäftsbeziehung. Es sind Hinweisgebersysteme nach den Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie einzurichten.

Worum geht es inhaltlich

Es geht um die Einhaltung von international verankerten Menschenrechten, z. B. hinsichtlich Kinder- und Zwangsarbeit, Sklaverei, Missachtung von Arbeitsschutzpflichten sowie Diskriminierungen. Es geht auch um Umweltschutz, wenn die Umweltschädigung eine Menschenrechtsverletzung auslöst.

Was ist zu tun?

Die betroffenen (deutschen) Unternehmen haben Maßnahmen zu ergreifen, welche die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sicherstellen sollen. Es ist ein angemessenes und wirksames Risikomanagement einzurichten. Dieses Risk Assessment ist jährlich durchzuführen.

Gibt es Sanktionen?

Es sind Geldbußen von bis zu 800.000 Euro vorgesehen, bzw. von bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Diese Geldbuße wird der deutsche Einkäufer möglicherweise an den österreichischen Lieferanten weiterreichen.

Kommt etwas aus der EU?

Auf EU-Ebene werden erste ähnliche Schritte gesetzt. Das Europäische Parlament hat kürzlich die Eckpunkte für ein europäisches Lieferkettengesetz verabschiedet. Die EU-rechtlichen Bestimmungen werden aller Voraussicht nach strenger werden als die deutschen. Darüber hinaus sollen bereits Unternehmen ab 250 Arbeitnehmern erfasst werden. Auch werden keine Unterscheidungen zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern getroffen. Wesentlich ist aber, dass auch zivilrechtliche Haftungsansprüche geltend gemacht werden können.

Ab wann gelten die neuen Regeln?

Das deutsche Gesetz soll am 1. Jänner 2023 in Kraft treten. Auf EU-Ebene wird noch für heuer ein Richtlinien-Vorschlag erwartet. Es ist also noch Zeit, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Zeit lassen sollte man sich aber nicht, weil gerade Lieferketten nicht von einem Tag auf den anderen umgespult werden können.

Prof. DDr. Alexander Petsche ist Partner von Baker McKenzie in Wien. Er ist auf Compliance, Internal Investigations und White-Collar Crime spezialisiert. Er ist Schriftleiter der Zeitschrift Compliance Praxis und unterrichtet Compliance an der Central European University.

Unternehmerische Kooperationen sollen zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft vom Kartellverbot freigestellt werden. Hierzu muss der aus der wettbewerbsbeschränkenden Absprache erzielte Effizienzgewinn zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft beitragen. Es reicht aus, wenn sich die diesbezüglichen Vorteile erst zeitlich versetzt auf künftige Generationen auswirken. Die Judikatur wird dafür erst Kriterien entwickeln müssen. Klar ist, dass der Vorteil ein gewisses Maß an Intensität erreichen muss und tatsächlich spürbare positive Auswirkungen auf Nachhaltigkeit, Umwelt oder Klima vorliegen sollten.

Ein Beispiel könnten Pilotprojekte (auch für die öffentliche Hand) sein, bei denen sich Unternehmen bezüglich technologischer Entwicklungen mit positiven Effekten auf die Umwelt abstimmen. Das EU-Recht kennt eine solche Freistellung (noch) nicht, weshalb es zu keiner Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels kommen darf. Dies kann auch eine Rolle bei Vergabeverfahren spielen, nachdem wettbewerbswidrig handelnde Bieter auszuscheiden sind. Für öffentliche Auftraggeber erweitert sich dadurch u. U. der Prüfrahmen und folgt daraus zugleich mehr Spielraum zugunsten umweltfreundlicher Zusammenarbeit.

Dr. Kathrin Hornbanger ist Counsel bei Baker McKenzie in Wien und leitet dort die Praxisgruppe Öffentliches Wirtschafts­recht mit Schwerpunkt Vergabe und Umweltrecht.