Schweißtechnik : Wie Fronius an neuen Geschäftsmodellen fürs Schweißen schraubt

Fronius-Schweißtechnikprofis Holzleitner und Ennsbrunner
© Fronius

Es gibt Visionen in der Schweißtechnik, die selbst Leute vom Fach rhetorisch aus der Deckung holen. Die Abrechnung von Schweißgeräteleistung pro Laufmeter Naht ist eine solche. "Absolut spannend - und ein absolut verfolgenswerter Ansatz", findet Ronald Holzleitner, der bei Fronius das New Business der Schweißtechniksparte leitet. Auch sein Kollege, Helmut Ennsbrunner, seines Zeichens Leiter der Vorentwicklung, kann einem pay-per-use-Ansatz einiges abgewinnen. Gut 20 Millionen Kilometer Schweißnaht werden jedes Jahr produziert, triftigere Gründe, warum ein solches neues Geschäftsmodell mit einiger Spannung zu erwarten ist, braucht es also nicht.

Doch selbst damit wäre der Schweißprozess noch lange nicht ausgereizt. Und deshalb verfolgen die Pettenbacher auch die Idee einer gemeinsamen Datendrehscheibe. In dieser würden über den kompletten Schweißprozess mit vor- und nachgelagerten Stufen der Wertschöpfung Daten "korrelieren und zirkulieren" (O-Ton Ennsbrunner) und so ein "Superergebnis am Bauteil" (O-Ton Holzleitner) bringen. "Ist das Spaltmaß an zwei Flächen etwa um ein paar Zehntelmillimeter zu groß, könnte dieses Wissen automatisiert "in die Konfiguration des nachfolgenden Schweißprozesses finden", sagt Ennsbrunner.

Neue industrielle Logik

Damit denken die Traunviertler die industrielle Logik radikal neu. Denn wo bisher jeder in der Wertschöpfungskette seinen angestammten Platz einnimmt und in seiner Domäne Wissen hortet, könnten - die Kombination von Datenquellen und Wissensströmen vorausgesetzt - frei flottierende Informationen den Community-Ansatz stärken. Das ist auch klar das Ziel bei Fronius.

"Da geht es um das prinzipielle Bekenntnis zur permanenten Kundenverbindung", sagt Holzleitner. Um eine grundlegend neue Form, die Zusammenarbeit zu organisieren. Um neue Netzwerke für Bediener, Ingenieure oder Einkäufer. "Die wertschöpfendste Lösung kann nicht jene sein, das Schweißgerät zu kaufen und dann unkonfiguriert in die Ecke zu werfen", erteilt Holzleitner einem wohl wenig zukunftsträchtigen fire-and-forget-Ansatz im Vertrieb eine Absage. Denn mit der steigenden Komplexität neuer Werkstoffe - Stichwort hochfeste Stähle oder Speziallegierungen - werden auch deren Optimierungszyklen kürzer. "Hersteller von Industriegütern sind auf allen Ebenen der Materialeinsatzes gechallenged", heißt es bei Fronius.

Weichen gestellt

Erste Weichen für einen solchen datenbasierten Ansatz sind bei Fronius schon gestellt. Eine Lösung (WireSense) erhöht die Effizienz beim Roboterschweißen, indem sie die Drahtelektrode als Sensor benutzt. "Da wird ganz einfach mit dem Schweißbrenner vermessen", sagt Helmut Ennsbrunner. Bei einer weiteren Lösung (Acerios) wird in einem teilautomatisierten Prozess Plasma zur Oberflächenbehandlung vor dem Schweißvorgang herangezogen. "Dadurch entfällt die chemische Waschung, von der gesamten Logistik der Chemikalien bis zu deren Entsorgung", so der Experte.

Im FFG-geförderten Projekt PRIMAL schrauben die Oberösterreicher zudem bis 2022 mit dem Lagerautomatisierer TGW und Forschungspartnern wie der Uni Linz an Verfahren, die die gemeinsame Nutzung verteilter Daten effizienter - und vor allem sicherer - machen soll. Ziel sei es, private Daten jedes Einzelnen zu schützen und gleichzeitig eine maschinelle, lernbasierte Analyse der Gesamtdaten aller Beteiligten als Ganzes zu ermöglichen", heißt es im Forschungsantrag. So würde Fronius vielleicht Prozessdaten wie Spannung, Strom oder Prozesszeiten in den Datentopf schmeißen und Daten aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette aufbereitet einsehen können.

Nicht zu tief - gerade so weit, um daraus wiederum Kundenmehrwert zu generieren.