Automatisch fehlerfreie Software : Selmo-Gründer Markus Gruber: "Es war höchste Zeit, Maschinensoftware neu zu denken"
Markus Gruber ist ein Mann, der im Auftrag internationaler Industrieunternehmen Anlagen und Maschinen auf der ganzen Welt in Betrieb genommen, gewartet und wieder flott gemacht hat. „Ich habe 30 Jahre selbst automatisiert und rasch erkannt: Es ist höchste Zeit, Maschinen-Software neu denken", erzählt der erfahrene Automatisierungstechniker. Dafür musste er anerkennen, dass der Reifegrad von Software noch nicht an die gewünschte Nutzung im Maschinenbau herankommt. "Gerade heute können wir nicht mehr ignorieren, dass Software-Fehler mitunter fatale Folgen haben“, erklärt der 50-Jährige. Aus dieser Triebfeder heraus sei es ihm gelungen, eine Methode zu entwickeln, die aus der frühen Modellierung des Maschinen-Prozesses heraus Software generiert. Diese sei erstens fehlerfrei und zeige zweitens Fehler im Maschinen-Prozess in Echtzeit an. „Herkömmliche Software steuert die Maschine. Wir aber steuern nicht nur. Wir überwachen die Maschine ständig, damit sie nicht ungeplant stillsteht oder unerwünschte Prozesse ausführt. Selmo schafft Software, die laufend Soll und Ist vergleicht und Abweichungen detektiert. Dieser Faktor macht Software erst vollständig, fehlerfrei und verlässlich“, bringt Gruber seine Innovation auf den Punkt.
Vom Start up zum Scale up.
2018 startete Gruber die Selmo Automation GmbH als operatives Unternehmen im Science Park Graz; ein Jahr darauf folgte die Gründung der Selmo Technology GmbH. Mit einem Startkapital von 1,6 Millionen Euro als gefördertes Projekt der FFG wurden das Selmo Studio und der erste PLC-Generator entwickelt. Treibende Kraft von Anfang an war Christoph Wider als CTO. An seinen ersten Auftrag erinnert sich Gruber heute noch. „Unser erster Auftrag war ein kleiner Prüfautomat bei einem Deutschlandsberger Unternehmen. Die Entwicklung mit dem Selmo Tool dauerte nur zwei Tage, die Schulung 5 Minuten und seitdem ist der Automat im Einsatz. Wir haben nie mehr etwas von ihm gehört, und das ist gut so“. Der rasante Unternehmenserfolg spiegelt die Eigendynamik wider und zeigt sich in der Bilanz: Die Umsatzzahlen erfuhren von 2020 bis 2022 eine jeweils 100-prozentige Steigerung. Auf dieser Basis plant Selmo, jährlich 15 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung zu investieren. Auch für die Produkt- und Marktentwicklung bis Ende 2022 soll die Mitarbeiterzahl von derzeit 15 auf 25 ansteigen. „Ziel ist es in diesem Jahr 30.000 Selmo Tags in den Markt zu bringen. Damit streben wir die Umsatzgrenze von einer Million Euro an“, so Gruber.
„Schon in der frühen Planung der Maschine bringt Selmo Wettbewerbsvorteile“, so Gruber. Anders als bisher werde der Prozess – also das, was die Machine tun soll - nicht am Ende des Engineerings langwierig ausprogrammiert. Selmo schaffe es, den Prozess ganz am Anfang zu modellieren, und zwar so, dass jeder ihn versteht. Daraus generiere Selmo automatisch fehlerfreie Software, die lange vor der Hardware und der eigentlichen Maschine in Betrieb genommen werden kann. „Das ist der Clou in Zeiten unsicherer Lieferketten: Man muss nicht auf die Hardware warten, bis Software umständlich getestet werden kann. Die Maschinen-Software liegt frühestmöglich fehlerfrei vor, und das reduziert die Inbetriebnahme-Zeit insgesamt", sagt er.
Man sage der Maschine, was sie tun soll und sorgen dafür, dass unkontrollierbare Zustände der Vergangenheit angehören. "Dieses Prozessdenken unterstützt alle Digitalisierungsstrategien", so Gruber. Unnötige Stillstandszeiten inspirierten Gruber also, an neuen Lösungen zu arbeiten, die funktionsstabile Maschinen sicherstellen, die nicht nur digitalisiert, sondern digital nutzbar sind. „Wenn die Maschine im Betrieb dann doch steht, dann weiß ich exakt, warum. Ich habe alle Daten immer sichtbar, und das ist ein Riesenvorteil. Digitalisiert ist heute schon alles – praktikabel nutzbar gemacht das wenigste. Das große Rätselraten um den einen Fehler im Code hat damit ein Ende“, so Gruber. Dass dahinter ein internationales Patent und ein Algorithmus zur Erzeugung automatisch generierter Software stecken, erwähnt er am Rande. Erleichternd für den Selmo Anwender seien vor allem die „einheitliche Maschinen-Bedienung wie bei einem Betriebssystem, zweitens eine beinahe vollständige Maschinen-Verfügbarkeit und drittens der Umstand, dass alle digitalen Daten sichtbar, auswertbar und optimierbar sind.“
Auf dieser Basis sieht Gruber weltweites Selmo Potenzial für Maschinenbauer, Produktionsbetriebe und Programmierer. Fehlerfreie Maschinenprogramme blieben bisher aufgrund unterschiedlicher Denkweisen von Maschinenbauern und PLC-Programmierern ein unerfüllbarer Wunsch. „Das Team unserer Selmo Technology überwindet diese Barriere bereits in der Definitionsphase und ermöglicht die parallele Maschinenentwicklung in allen drei mechatronischen Disziplinen: Maschinenbau, Elektrotechnik und Informationstechnik. So sorgt es für verkürzte Entwicklungs- und Inbetriebnahmezeiten von Maschinen, die einen Produktionssprung erlauben“, erläutert der leidenschaftliche Golfer.
Selmo selbst steht für „Sequence Logic Modelling“ als ablauflogisches Modellieren. Maschinenlogik konstruieren statt Maschinenprogramme codieren: Dieser logische Zugang blieb im nationalen wie internationalen Markt nicht unbemerkt. Kooperationen mit großen Hardware- und Plattform-Anbietern wie Beckhoff, ctrlX (Bosch/Rexroth) oder CoDeSys bestehen bereits. Mit dem Entwicklungstool Selmo Studio implementiert das Unternehmen erfolgreich den Selmo Standard; das Tool fungiert als Modellierungswerkzeug, SPS und HMI-Generator in einem.
„Selmo Tag dient zur dauerhaften Aktivierung der getesteten Software. Dabei garantieren wir das Prinzip ‚Pay per Use‘. Heißt: Erst nutzen, dann zahlen – von der Applikation Selmo Studio abgesehen. Programmierer können zunächst alle Anwendungen frei nutzen und auf alles frei zugreifen, bis zum Testen hin. Wenn alle zufrieden sind – Kunde, Maschinenbauer und Programmierer – wird die Runtime-Lizenz aktiviert. Erst, wenn die Software dauerhaft nutzbar ist, wird bezahlt. Das ist unser Geschäftsmodell“, erklärt der Selmo CEO, der auch über Projekte berichtet, die seine Ausführungen untermauern: „Die IGM Robotersysteme AG ist ein namhaftes niederösterreichisches Unternehmen, das auf Schweißroboter-Lösungen spezialisiert ist. Bei der Planung einer neuen Maschine hat es bewusst auf uns als Technologiepartner gesetzt. Weil wir den Prozess der Maschine so früh fokussieren und mit dem Kunden abstimmen, profitierte die IGM von einer Maschinen-Software, die rasch fertig und einsatzbereit war“, erklärt Gruber.
Inbetriebnahme in Rekordzeit.
Konkret wurde der Prozess in nur zwei Wochen modelliert und die automatisch generierte Software sogleich virtuell implementiert. „Statt also rund drei Monate Programmierzeit zu verschwenden, erfolgte die Inbetriebnahme an einem virtuellen Modell, das IGM zur Verfügung gestellt hatte, in Rekordzeit. Erst danach wurde die eigentliche Maschine gebaut. Unabhängig von der Hardware fehlerfreie Software zu haben, die keine langen Implementierungsphasen und teuren Ausfälle mehr verursacht – das sichert die Krisenfestigkeit unserer Kunden auf lange Sicht“, so Gruber.Dass die richtige Technologie auch bestehende Maschinen voll produktiv macht, zeige ein Retrofit-Projekt in Kärnten. „Hier haben wir eine alte, komplexe Plattenschneide-Anlage automatisiert. Im laufenden Maschinen-Betrieb informiert die fehlerfreie Software nun den Bediener in Echtzeit über den nächsten Schritt, darüber, was zu tun ist und was fehlt. Aufgaben zur weiteren Optimierung sind dadurch leicht ableitbar“, so Gruber. Die besseren Zykluszeiten bedeuten für den Kunden eine Durchsatz-Steigerung um 25 Prozent und eine Maschinen-Verfügbarkeit, die bei 99 Prozent liegt. „Selmo minimiert also Stillstandszeiten sowohl bei alten wie bei neuen Maschinen messbar“, sagt Gruber.