Meinung : Hört auf, Software zu verkaufen

Julian Feinauer, Gründer und Geschäftsführer von pragmatic industries

Julian Feinauer, Gründer und Geschäftsführer von pragmatic industries

- © Feinauer

Souveränität ist das Zauberwort dieser Tage. Europa will unabhängig sein, Europa will selbst über seine Ziele, seine Wege dorthin entscheiden, will selbst eine Großmacht in der Welt sein – nicht unbedingt militärisch, aber kulturell und vor allem wirtschaftlich. Open Source Software ist dabei aus Sicht der Politik ein wichtiger Schlüssel.

Schön, dass die Politikerinnen und Politiker das Thema jetzt auch wahrgenommen haben – zehn Jahre nach dem Beginn der Bewegung, die wir inzwischen als „Industrie 4.0“ kennen. Europa ist momentan der Place to be, wenn es um Open Source geht. Jetzt müssen wir nur noch die vielen Mittelständler überzeugen, denn Open Source ist nicht (nur) für Bastler, sondern liefert einen enormen finanziellen und technologischen Mehrwert für die Unternehmen und macht unabhängig.

Warum? Wir arbeiten mit einigen Maschinenbauer zusammen und entwickeln in Softwareprojekten SaaS oder PaaS-Lösungen. Wir setzen dabei voll auf Open Source Software. Warum? Carsten Emde von der OSADL erklärte mir einmal: „Software kann man nicht in Tüten verkaufen. Wenn der Kunde Pech hat, ist die Software nach zehn Sekunden nichts mehr wert, weil sich die Regeln geändert haben oder Schwachstellen gefunden wurden.“ Carsten hat Recht.

Software ist eine Dienstleistung, die wir verkaufen, nicht die Codezeilen. Im Vorfeld von IT-Projekten bemühen Dienstleister und Kunden oft zahlreiche Anwälte, um das IP zu sichern oder z.B. im Fall der Insolvenz die Rechte am Code zu regeln. Das ist oft teuer, kostet viel Zeit und mit einem Open Source-Ansatz lassen sich diese Probleme schnell und einfach lösen.

Unser Kunde kann den Code nutzen, ihn verändern und sollten wir bankrott gehen, kann er mit jedem anderen Entwickler-Team weiterarbeiten. Das ist Souveränität in der Entwicklung. Gerade viele Mittelständler sorgen sich vor der Abhängigkeit von uns „IT-Buden“. Mit einem Open Source-Ansatz gehört die Angst der Vergangenheit an. Unser Kunde kann auch während des Projekts die Pferde wechseln (empfehlen wir natürlich nicht) oder später mit einem anderen Anbieter weiterarbeiten. Er ist frei und ungebunden. Er bezahlt uns für die Entwicklung, die Dienstleistung.

Darüber hinaus liefert Open Source ihm Sicherheit in den Prozessen. Die Foundations achten peinlich genau darauf, dass die Entwicklung nachvollziehbar ist, das Softwarestücklisten vorhanden sind und das Sicherheitslücken schnell geschlossen werden. Dazu kommt: Neue Ideen aus der Entwicklercommunity können schnell implementiert werden. Aber: sourct bitte eure eigene Entwicklungsarbeit nicht einfach in die Communities aus.

Wenn wir Open Source beim Kunden ansprechen, dann zucken die Verantwortlichen immer noch oft. Denn vielen Industrielenkern ist noch unklar, wie wir dann am Ende Geld verdienen. Niemand mag unklare Geschäftsbeziehungen. Wie kann man mit Freibier Geld verdienen? Dabei ist es ganz einfach: durch Dienstleistung, durch Service, Dokumentation, Wartung oder Erweiterungen und Sonderwünsche. Hört auf Software zu verkaufen.