Maschinenbau : Warum WFL-Chef Jungreithmayr keine Standortdebatte führen will
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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Jungreithmayr, welche drei Fragen beschäftigen Sie als Industriemanager gerade am meisten?
Norbert Jungreithmayr: Dürfen es auch vier sein? Ich sehe nämlich vier große Themen, mit denen wir uns in den nächsten Jahren beschäftigen müssen, um unsere Position am Markt auszubauen: Lieferketten, Fachkräftemangel, Automatisierung, Digitalisierung.
Energie ist da gar nicht dabei?
Jungreithmayr: Doch, aber ich hätte das unter den Punkt Digitalisierung subsumiert. Wir entwickeln und montieren dieMaschinen, haben aber keine eigene Fertigung. Daher sind wir deutlich weniger energieintensiv als Maschinenbauer, die selbst produzieren. Was uns allerdings ganz stark beschäftigt, ist die Energieeffizienz unserer Maschinen. Da geht es darum, dass die Maschine selbst hocheffizient ausgelegt ist, aber auch darum, dass die Antriebe verbrauchsabhängig gesteuert werden. Bei vielen Aufgaben ist es heute möglich, schon mit zwanzig Prozent der maximal möglichen Leistung perfekte Ergebnisse zu erzielen. Am besten geht das mit intelligenten Steuerungen und da sind wir dann eben voll im Digitalisierungsthema drinnen. Wir sind heute in der Lage, Maschinen so zu bauen, dass der Kunde bei jedem Bauteil exakt nachvollziehen kann, wie viel Energie, wie viel Druckluft drinnen steckt und somit wirklich genau sagen kann, wie der CO2-Abdruck eines Bauteils ist.
Andere können das nicht?
Jungreithmayr: Wir sind da schon Pioniere. Wenn heute der Energieverbrauch und der CO2-Abdruck von Bauteilen beurteilt werden, dann passiert das meist annäherungsweise. Man hängt an die Stromzuleitung ein Messgerät und rechnet das auf die einzelnen Teile herunter. Was wir hingegen anbieten, ist eine exakte, digitalisierte Angabe für jede einzelne Programmsequenz. Das können nicht viele, da sind wir sicher weltweit ganz vorne dabei.
Und deshalb würden Sie auch zustimmen, wenn WFL als Weltmarktführer bezeichnet wird?
Jungreithmayr: Das müssen andere beurteilen. Für den Werkzeugmaschinenbau gibt es auch nicht wirklich Statistiken, die eine solche Zuschreibung eindeutig ermöglichen würde. Wir sehen uns aber auf jeden Fall an der Spitze dieses Marktes. Wir haben uns hier am Standort Linz vor vierzig Jahren mit dem Thema Dreh-Bohr-Fräszentren zu beschäftigen begonnen und sind dem treu geblieben: drehen, bohren, fräsen und sonst nichts. Da bekommt man eine Erfahrung und Expertise, die andere so nicht haben. Dadurch, dass wir sehr früh in die Digitalisierung eingestiegen sind, können wir unseren Kunden auch zu allen Anwendungsfällen die entsprechende Software anbieten.
Vierzig Jahre Erfahrung am Standort Linz, als ehemaliger Teil der Voest bedeutet auch: Vierzig Jahre Erfahrung mit der österreichischen Wirtschaftspolitik. Fühlen Sie sich am Standort Österreich noch immer wohl?
Jungreithmayr: Wir führen ganz sicher keine Abwanderungsdiskussion. Wir haben hier tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, tolle Produkte. Das wird bestehen bleiben. Dass Österreich es von allen EU Staaten bislang am schlechtesten geschafft hat, aus der Inflationsspirale herauszukommen, das macht uns allerdings als einem exportorientierten Unternehmen schon Sorgen. Andere Länder haben es geschafft, die Preise zu deckeln, wie etwa Spanien bei Energie. Österreich hat auf Zuschüsse gesetzt, das mag zwar eine kurzfristige Hilfe sein, bekämpft die Ursachen der Inflation aber nicht. Diese Entkoppelung sehe ich schon sehr kritisch. Es wird eine Menge an Steuergeld für Maßnahmen ausgegeben, die die Kosten weiter in die Höhe treiben.
Merken Sie die aktuelle Lage auch in Ihren Auftragsbüchern?
Jungreithmayr: Erfreulicherweise machen wir in allen Branchen, die wir beliefern, gute Verkäufe. Die Luftfahrtindustrie nimmt derzeit sehr gut Fahrt auf. Es gibt hier neue, leisere, effizienter Triebwerke, die produziert werden und für die unsere Maschinen gebraucht werden. Die Energiewende löst bei uns viele Aufträge aus. Egal, ob Windräder oder elektrische Antriebe für Fahrzeuge, die Kraft muss ja immer irgendwie übertragen werden und alles was mit Getriebe zu tun hat, generiert für uns Geschäft. Wo derzeit weniger los ist, das ist die Erdölförderung. Wir haben früher auch viel in diesen Bereich geliefert, da werden zwar bestehende Felder bewirtschaftet, es gibt aber keine Neuerschließungen.
Die Automotive-Industrie ist für Sie kein Treiber?
Jungreithmayr: Indirekt schon. Alles, was mit Elektromobilität zu tun hat, kommt uns zugute, weil da natürlich auch die entsprechenden Bauteile gefertigt werden müssen. Direkt in die Automobilindustrie liefern wir ja nicht. Unsere Systeme zur Komplettbearbeitung sind für kleinere bis mittlere Stückzahlen geeignet und kommen eher bei Spezialisten, in Nischen zum Einsatz. BMW Steyr hat zum Beispiel keine Maschinen von uns, BMW München schon, weil dort nicht nur für den allgemeinen Markt, sondern auch für den Rennsport gefertigt wird.
Im Gegensatz zur Automobilindustrie, die sehr schnelle Produktzyklen hat, fertigen die Abnehmer, an die Sie liefern, ihre Werkstücke langsamer. Effizienzsteigerung durch Automatisierung ist da nicht so leicht möglich. Trotzdem ist Automatisierung eines Ihrer großen Zukunftsthemen. Warum?
Jungreithmayr: Sie haben Recht, bei unseren Kunden ist es tatsächlich nicht so, dass sich eine Maschine durch schnellere Taktung innerhalb kurzer Zeit amortisiert. Dafür sind díe Stückzahlen zu klein. Automatisierung hat für unsere Kunden aber einen anderen sehr wichtigen Aspekt. Viele Unternehmen bekommen heute keine Mitarbeiter mehr für das Wochenende, für die dritte Schicht. Je mehr sie automatisieren können, desto mehr können sie auch mit einer kleineren Belegschaft produzieren. Deshalb ist Automatisierung für unsere Kunden so wichtig. Nicht um Mitarbeiter zu ersetzen, sondern um überhaupt so fertigen zu können, dass sich das rechnet.
Automatisierung der Oberösterreicher ist Gamechanger
Die andere Lösung wäre, Maschinenbediener anzulernen.
Jungreithmayr: Das wird auch gemacht. Aber auch hier ist Automatisierung ganz wichtig. Gerade wenn Sie Leute anlernen, müssen Sie damit rechnen, dass die nicht so erfahren sind wie jemand, der das sein Leben lang macht und sofort weiß, wie ein heikler Bauteil einzuspannen ist, damit keine Fehler passieren. Ein Roboter macht jeden Handgriff immer perfekt in derselben Position und derselben Qualität. Gerade wenn ein Unternehmen auf Maschinenbediener zurückgreifen muss, die frisch angelernt wurden, die aus anderen Berufen einsteigen, ist das eine Riesenhilfe.
Apropos ein Leben lang. Sie sind jetzt seit zwanzig Jahren als Manager bei WFL. Haben Sie nie überlegt, zu wechseln? Zum Beispiel in eine Branche, die auch in einer breiteren Öffentlichkeit Aufmerksamkeit findet?
Jungreithmayr: Nein. Weder, was das Unternehmen betrifft, noch die Branche. Ich habe das Glück, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem es ein tolles Team, ein tolles Produkt und spannende Kunden in der ganzen Welt gibt. Und einen Eigentümer, der stets ein offenes Ohr für neue Ideen hat. Und die Branche selbst? Ja, es stimmt: Einem jungen Mechatroniker, den wir einstellen wollen, müssen wir unter Umständen erst einmal erklären, was wir überhaupt machen, wofür unsere Produkte gebraucht werden. Das ist bei einem Autohersteller sicher anders, da kennt jeder das Produkt. Wenn man unsere Technologie aber erst einmal kennengelernt und erfahren hat, verliebt man sich ein Stück weit und will dann einfach dabei bleiben. So ist es jedenfalls mir gegangen.
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ZUR PERSON
Nobert Jungreithmayr , ausgebildeter Betriebswirt, ist seit über zwanzig Jahren für WFL Millturn als Manager tätig. Zuvor war der heute 58-jährige unter anderem Produktionsleiter bei Saatbau Linz. Die von ihm als CEO geführte WFL Millturn ist heute Teil der deutschen Autania Aktiengesellschaft für Industriebeteiligungen, einer Holding für mittelständische Werkzeug- und Maschinenbauunternehmen. Bis 1993 gehört WFL Millturn zur damaligen Voest-Alpine. Das Unternehmen unterhält außer in Europa Niederlassungen in USA, Brasilien und China.