Energiewende in Österreich : Verzögerung des neuen Stromgesetzes: Verbund-Chef Strugl erwartet Umsetzung erst 2025

Michael Strugl Topmanager Verbund

Verbund-Chef Michael Strugl

- © Verbund / redtenbacher.net

Verbund-Chef Michael Strugl geht nicht mehr davon aus, dass das geplante neue Stromgesetz vor den Nationalratswahlen verabschiedet wird. "Wir hatten gehofft, dass das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz und das Beschleunigungsgesetz beschlossen werden. Jetzt endet die Legislaturperiode, daher wird es realistischerweise 2025 werden", erklärte der Chef des teilstaatlichen Stromkonzerns in den "Salzburger Nachrichten" (Dienstagsausgabe).

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Der Photovoltaik-Boom der letzten Jahre führt an sonnigen Tagen zu einem Überangebot an Strom und zu negativen Preisen an der Strombörse. Strugl betonte die Notwendigkeit besserer Rahmenbedingungen für Investitionen ins Netz, um die Überschüsse zu den Pumpspeichern in den Alpen zu leiten. Der Export von PV-Strom sei problematisch, weil der Überschussstrom "überall zur gleichen Zeit entsteht", so Strugl.

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- © Industriemagazin

Überlastungen im Stromnetz

Am Wochenende wies auch Flughafen-Vorstand Günther Ofner auf den dringenden energiepolitischen Handlungsbedarf hin. "Im Mai 2024 gab es in Österreich bereits 78 Stunden mit einem negativen Strompreis und die Tendenz steigt stark. Immer öfter gibt es in Ostösterreich ein Überangebot an Solarstrom und die Strompreise stürzen in den Negativbereich, was bedeutet, dass Erzeuger dann für den Strom, den sie ins Netz einspeisen, zahlen müssen, sofern sie ihre Erzeugungsanlagen nicht abschalten", kritisierte Ofner. Der Flughafen Wien, mit einer Spitzenleistung von 46 Megawatt, ist einer der größten PV-Anlagenbetreiber des Landes.

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Dass es im Stromsystem Probleme gibt, verdeutlichen auch die Zahlen des Übertragungsnetzbetreibers APG. Im Juni mussten wegen der Überschüsse Windräder und Laufwasserkraftwerke gedrosselt werden, um Überlastungen im Stromnetz zu vermeiden. Seit Januar gingen durch das Abregeln laut APG 39.000 Megawattstunden (MWh) Strom verloren.

Gesetzesentwurf liegt seit Juni auf Eis

Abhilfe sollte eigentlich das von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne vorbereitete Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) schaffen. Die für Energie zuständige Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezeichnete es als "Betriebssystem" für die Energiewende. Der Gesetzesentwurf liegt jedoch seit Juni auf Eis, da die ÖVP auf EU-Ebene noch ungelöste Themen sieht. Für die nötige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat wären zudem die Stimmen von SPÖ oder FPÖ erforderlich.

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Der Juni des heurigen Jahres war durch eine bemerkenswert hohe Produktion erneuerbarer Energien von 5.314 GWh (Gigawattstunden) gekennzeichnet, was etwa 25 Prozent über dem Vorjahreswert von 4.262 GWh lag. Dadurch konnte Österreich seinen gesamten Strombedarf von 4.257 GWh bilanziell vollständig mit erneuerbarer Energie decken. Die Wasserkraft trug im Juni mit 3.999 GWh etwa 75 Prozent zur erneuerbaren Energie bei und stieg im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent. Noch höhere Zuwächse gab es bei der Windenergie mit etwa 15 Prozent (417 GWh) und bei der PV-Produktion, die um erstaunliche 153 Prozent auf 763 GWh zunahm.

Robustes Stromnetz erforderlich

Um den volatilen erneuerbaren Strom effektiv zu nutzen, ist ein robustes Stromnetz erforderlich, das den Strom dorthin transportiert, wo er benötigt wird. Um Überlastungen im Stromnetz zu verhindern und die sichere Stromversorgung zu gewährleisten, werden sogenannte Redispatch-Maßnahmen eingesetzt. Diese Maßnahmen beinhalten den gezielten und kontrollierten Einsatz von Kraftwerken.

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Im Juni musste an 17 Tagen (Vergleichswert 2023: 16 Tage) in die Einsatzplanung der Kraftwerke in Österreich eingegriffen werden, um die sichere Stromversorgung sicherzustellen. Dabei entstehen Kosten, die letztlich vom Stromkunden getragen werden müssen. Im Juni beliefen sich diese Kosten auf etwa 9,9 Millionen Euro.

Ein negativer Effekt neben den Kosten und dem steigenden CO2-Verbrauch ist das "Abregeln" der erneuerbaren Kraftwerksproduktion. Dies bedeutet, dass beispielsweise Windkraftwerke oder Laufwasserkraftwerke, die eigentlich Strom produzieren könnten, heruntergefahren werden, um Überlastungen im Stromnetz zu vermeiden. Seit Anfang des Jahres sind auf diese Weise durchschnittlich rund 6.500 MWh Strom pro Monat verloren gegangen (im Juni betrug der Wert etwa 1.500 MWh; die Gesamtsumme von Januar bis Juni lag bei etwa 39.000 MWh).

Um die geplanten Zuwachsraten im Bereich der erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren uneingeschränkt nutzen zu können, ist eine kapazitätsstarke Strominfrastruktur, ausreichende Speicherkapazitäten und digitale Intelligenz im Stromsystem erforderlich. Das 9 Milliarden Euro schwere Investitionsprogramm der APG bis 2034 und dessen rechtzeitige Umsetzung sind daher zentral für das Gelingen einer versorgungssicheren Energiewende. Die Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren sind dabei unabdingbar.

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9 Milliarden Euro investiert die APG in die Strominfrastruktur des Landes - © Georg - stock.adobe.com
Der Windkraft-Industrie könnte das gleiche Schicksal wie der Solar-Branche drohen. In Europa sind 2023 zwar so viele Windkraftanlagen neu gebaut worden wie noch nie zuvor – und der Trend setzt sich 2024 fort, die Auftragsbücher der großen Windanlagen- und Turbinenbauer sind randvoll. Perfekte wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Hersteller von Windanlagen, sollte man meinen. Doch fast alle europäischen Hersteller haben in den letzten Jahren durchaus durchwachsene Ergebnisse geliefert. Die zur deutschen Siemens-Gruppe gehörende spanische Gamesa, einer der größten Hersteller der Welt, schrumpft sich gerade gesund, nachdem sie im Vorjahr sogar mit Staatsgarantien vor dem Untergang bewahrt werden. Während westliche Anbieter nicht vom Fleck zu kommen scheinen, schickt sich China an, die Welt zu erobern: Die drei größten Hersteller der Volksrepublik – Goldwind, Envision und Ming-Yang – erhielten zuletzt 2022 zusammen Aufträge in Höhe von 55,3 Gigawatt. Die drei größten Westlichen Hersteller, die dänische Vestas, GE aus den USA und Siemens Energy kamen zusammen auf nur knapp die Hälfte, nämlich 26,7 Gigawatt. Droht der Windkraft-Branche weltweit das Schicksal der Solarindustrie in Europa?