Rüstungsindustrie Österreich : Doppelte Bedrohung: Trumps Russland-Kurs wird zur Kostenfalle für Österreich

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"Enorme Unsicherheit": PwC-Österreich-Experte Bernhard Müller 

- © PwC

Donald Trumps Russland-Kurs hat direkte Folgen für Europas Industrie – und trifft Österreich besonders empfindlich. Energieintensive Betriebe sehen sich mit wachsender Unsicherheit konfrontiert: Die Abhängigkeit von russischem LNG bleibt hoch, während Sanktionen und volatile Märkte die Gaspreise in die Höhe treiben. Gleichzeitig bröckeln transatlantische Strukturen – technologische Abhängigkeiten, US-kontrollierte Rüstungssysteme und schwindende militärische Rückendeckung verändern die Spielregeln grundlegend. 

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PwC-Experte Bernhard Müller sieht Österreich in einer kritischen Lage: Ohne strategische Industriekooperationen drohen heimische Zulieferer abgehängt zu werden. Inmitten globaler Aufrüstung und verschärfter Sicherheitslage muss Österreich seine Position in der Verteidigungsindustrie rasch und entschlossen neu definieren.

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Warum Trumps Russland-Kurs Österreichs Industrie gefährlich wird

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Müller, was bedeutet Trumps Russland-Kurs für europäische Lieferketten, die hiesige Rohstoffversorgung und Investitionsentscheidungen?

Bernhard Müller: Zunächst einmal herrscht enorme Unsicherheit – insbesondere auf den ohnehin volatilen Energiemärkten. Für energieintensive Betriebe in Österreich ist das ein Problem. Manche hoffen noch immer, dass russisches Gas wieder in größerem Umfang fließt, wie vor einer Dekade. Realistisch betrachtet wird es kurzfristig nicht gelingen, diese Mengen durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Österreich ist weiterhin stark von ausländischem Gas abhängig, auch von russischem Flüssigerdgas (LNG) – oft über Umwege – und in hohem Maße von US-LNG. Sollten die USA oder die EU russisches LNG sanktionieren, verteuern sich automatisch auch die amerikanischen Lieferungen. Das wirkt sich direkt auf unsere Gaspreise und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie aus. Trumps Russland-Kurs wird die Industrie also sehr direkt treffen.

Wie abhängig sind sicherheitskritische Industrien in Europa von den USA – und welche Szenarien drohen, wenn sich die US-Unterstützung weiter wandelt?

Müller: Die Abhängigkeit ist groß, sowohl technologisch als auch bei einzelnen Schlüsselkomponenten. Die Amerikaner kontrollieren nicht nur manche exklusive Technologien, sondern auch viele Systeme, die in Europa im Einsatz sind – inklusive deren Updates und Einsatzfreigaben. Die transatlantische Komponente ist meines Erachtens angeschlagen. Die US-Regierung hat klar signalisiert, dass Europa künftig stärker selbst für seine Verteidigung einstehen muss. Die strategischen Interessen Washingtons liegen zunehmend im Pazifikraum, nicht mehr in Osteuropa. Für Länder wie Estland, Lettland oder Litauen bedeutet das: Sie können nicht mehr in jedem Szenario auf umfassende US-Militärhilfe setzen. Österreich als neutraler Staat ohnehin nicht.

Welche Rolle spielt die NATO in diesem Zusammenhang?

Müller: NATO-Staaten werden in erster Linie sich selbst beliefern. Für neutrale Länder wie Österreich ist der Zugang zu Rüstungslieferketten schwieriger – auch wegen Re-Export-Beschränkungen. Das mindert unsere Chancen bei großen Beschaffungsprogrammen, außer wir nutzen gezielt Industriekooperationen, also verbindliche Gegengeschäfte. Wenn Österreich etwa Trainingsjets kauft und vertraglich festlegt, dass ein bestimmter Prozentsatz der Wertschöpfung im Land erfolgen muss, sichern wir uns Technologie, Kapazitäten und industrielle Beteiligung. Ohne solche Mechanismen ist der Einstieg für österreichische Zulieferer oft langwierig und komplex.

NATO-Staaten werden in erster Linie sich selbst beliefern. Für neutrale Länder wie Österreich ist der Zugang zu Rüstungslieferketten schwieriger. 

- © Das österreichische Bundesheer

Aufrüstung mit Anlauf: Warum Europa beim Verteidigungsausbau hinterherhinkt

Welche Effekte haben die geopolitischen Spannungen auf die Standortstrategien österreichischer Unternehmen?

Müller: Auf dem Energiemarkt sehen wir eine dauerhafte Preisvolatilität. Energieintensive Industrien müssen sich auf höhere und schwankende Kosten einstellen und prüfen daher ihre Standorte sehr genau. Im Verteidigungsbereich gibt es zwar hohe Investitionsankündigungen – Deutschland spricht von 500 Milliarden Euro, Österreich bis zu 30 Milliarden bis 2032 – aber der Hochlauf ist langsam. Produktionskapazitäten lassen sich nicht beliebig schnell hochfahren, zumal viele Prozesse in der Rüstungsfertigung nach wie vor Handarbeit sind. Kurzfristig sehen wir dennoch einen deutlichen Schub, auch in Österreich. Klassische Zivilunternehmen prüfen, ob sie in den Defense-Bereich einsteigen, etwa als Zulieferer für Panzer- oder Flugzeugkomponenten. Langfristig hängt die Wettbewerbsfähigkeit aber davon ab, ob wir Kapazitäten auslasten können. Ohne kontinuierliche Aufträge verschwinden sie wieder. Hier sind Industriekooperationen entscheidend.

Wo steht Europa bei der Sicherung seiner Verteidigungsfähigkeit?

Müller: Wir stehen am Anfang. Selbst bei einem Waffenstillstand in der Ukraine wird Russland weiter versuchen, Europa zu destabilisieren – durch Cyberangriffe, Desinformation oder gezielte Sabotage. Deshalb ist es naiv, zu glauben, man könne die Aufrüstung nach einem Frieden sofort stoppen. Wir müssen konventionelle Landesverteidigung wiederherstellen. Das Tempo ist allerdings begrenzt: Produktionsaufträge sind noch nicht überall erteilt, Lieferzeiten reichen bis 2030 oder länger. Länder wie Polen kaufen deshalb in Südkorea, wo Rüstungsgüter wie Autos industriell gefertigt werden.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Schritte für die Stärkung Österreichs Wehrtüchtigkeit?

Müller: Erstens den Aufbauplan 2032+ konsequent fortzusetzen, trotz Sparzwängen. Zweitens Industriekooperationen bei allen größeren Beschaffungen verbindlich einzufordern, um inländische Wertschöpfung und Versorgungssicherheit zu sichern. Weiters sollten wir unsere Stärken im Dual-Use-Bereich ausbauen – dort, wo zivile und militärische Anwendungen sich überschneiden. Das schafft Flexibilität, Auslastung und technologische Unabhängigkeit.

📌 Zur Person: Bernhard Müller

Bernhard Müller ist Senior Manager und Verteidigungsexperte bei PwC Österreich. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler berät Unternehmen und öffentliche Institutionen zu sicherheitsrelevanten Industriefragen – mit Fokus auf Rüstungsbeschaffung, geopolitische Risikoanalyse und strategische Industriekooperationen. Müller gilt als anerkannte Stimme, wenn es um die Auswirkungen globaler Machtverschiebungen auf Österreichs Industrie, Energieversorgung und Verteidigungsfähigkeit geht. Seine Analysen erscheinen regelmäßig in Fachmedien und Branchenreports.

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