Energiewende : Tiwag passt Pläne für das Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal an: Kein Wasser aus dem Ötztal nötig

Die Pläne für die von Umweltschutzorganisationen vielfach kritisierte Erweiterung des Kraftwerks im Tiroler Kaunertal des landeseigenen Energieversorgers Tiwag werden adaptiert.

Die Pläne für die von Umweltschutzorganisationen vielfach kritisierte Erweiterung des Kraftwerks im Tiroler Kaunertal des landeseigenen Energieversorgers Tiwag werden adaptiert.

- © Tiwag

Die Pläne zur umstrittenen Erweiterung des Kraftwerks im Kaunertal, betrieben von der landeseigenen Tiwag, werden überarbeitet. Das Vorhaben, das von Umweltschutzorganisationen stark kritisiert wird, wird nun in zwei separate Projekte unterteilt, wodurch die geplante Wasserableitung aus dem Ötztal vorerst entfällt, wie das Unternehmen am Dienstag bekannt gab. Zunächst soll das neue Pumpspeicherkraftwerk Versetz in Kombination mit dem Speicher Platzertal umgesetzt werden.

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Die Tiwag fokussiert sich „darauf, was es vorrangig für die österreichische und europäische Energiewende braucht und trennt die Erweiterung Kaunertal in zwei Projektteile“, erläuterte Vorstandsdirektor Alexander Speckle. Das Pumpspeicherkraftwerk Versetz und der Speicher Platzertal sollen es ermöglichen, erneuerbare Energie zu speichern und „dringend notwendige Speicherkapazitäten und Flexibilitäten für den nationalen wie internationalen Ausbau von Wind- und Sonnenenergie innerhalb des europäischen Verbundsystems“ zu schaffen.

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Tiwag verteidigt Kraftwerk

Dabei sollen bestehende Wasserressourcen des Gepatschspeichers und im Einzugsgebiet des Platzertals genutzt werden. „Wasserableitungen aus dem Ötztal sind vorab nicht notwendig“, hieß es weiter. Diese Ableitungen waren im touristisch geprägten Bezirk Imst auf Widerstand gestoßen, auch von ÖVP-Bürgermeistern. Eine geplante Volksbefragung zu diesem Thema sollte am Sonntag stattfinden.

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Trotzdem ist die Wasserableitung noch nicht endgültig vom Tisch, da sie im zweiten Projektteil, der „u.a. das Unterstufenkraftwerk Prutz 2 und das Kraftwerk Imst 2 sowie die Ableitungen aus dem Ötztal beinhaltet“, wieder vorgesehen ist, erklärte die Tiwag. Diese Pläne bleiben Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). „Die weiteren Planungsschritte für den zweiten Projektteil werden wir aber erst vornehmen, wenn die Überprüfung der Rahmenbedingungen abgeschlossen ist, die finale Entscheidung zu Imst-Haiming vorliegt und somit die gewässerökologischen Vorgaben klar sind“, betonte Speckle.

Für die erste Projektphase strebt die Tiwag nun einen rechtskräftigen Bescheid in fünf Jahren an, die Bauzeit soll sich auf sechs Jahre bis 2034 erstrecken. Hinsichtlich des zweiten Projektteils wollte Speckle aufgrund der UVP keinen Zeithorizont nennen. Die Tiwag verteidigte das Kraftwerksprojekt erneut und betonte, der Standort Platzertal erfülle „alle Voraussetzungen für einen modernen Speicher.“ Dass dafür ein Hochmoor im Platzertal geflutet werde, wies der Energieversorger zurück: Das „immer wieder kolportierte Hochmoor ist im Platzertal nicht vorhanden.“ Stattdessen seien sieben Hektar wertvoller Feuchtböden betroffen, wobei ein „Vielfaches dieser Fläche“ als Ausgleich im Umfeld des Speichers vernässt bzw. neu angelegt werde.

Staudamm so hoch wie Stephansdom in Wien

Die Grünen fühlten sich in ihrer Kritik am Projekt bestätigt und sahen ohne das Ötztaler Wasser „ganz neue Möglichkeiten statt des Speichers Platzertal“. „Für den bestehenden Gepatschspeicher ist die Ergänzung mit einer kleineren Anlage als Pumpspeicher sinnvoll. Dann kann diese Anlage aber völlig neu dimensioniert werden und damit auch ein neuer Standort abseits des Platzertals gesucht werden“, sagte Klubobmann Gebi Mair in einer Aussendung. Er sprach von einer „Zerstörung des Hochmoors im Platzertal“, von der nun „abgerückt“ werden müsse.

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Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk wurden erstmals 2009 eingereicht, und die UVP erfolgte 2012. Zuletzt erhielt die Tiwag einen Verbesserungsauftrag. Ursprünglich plante der Energieversorger, bis zu 80 Prozent des Wassers aus der Venter und Gurgler Ache im 34 Kilometer entfernten Ötztal abzuleiten, einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols. Zusätzlich sollten im Platzertal neun Fußballfelder an Moorflächen geflutet werden. Der geplante Staudamm wäre mit 120 Metern fast so hoch wie der Stephansdom in Wien und sieben Mal so hoch wie das Goldene Dachl – Vergleiche, die Naturschutzorganisationen regelmäßig zur Abschreckung heranziehen.

Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ hat sich weiterhin zum Kraftwerksausbau im Kaunertal bekannt. Die Tiwag betonte stets, dass am Kraftwerksprojekt Kaunertal kein Weg vorbeiführe, um die für 2050 angestrebte Energieautonomie in Tirol zu erreichen.

Dürren stellen Wasserkraftwerke vor Herausforderungen

Die zunehmenden Dürren, die durch den Klimawandel verstärkt werden, haben erhebliche Auswirkungen auf die Wasserkraftwerke in Europa und weltweit. Insbesondere in Ländern wie Deutschland und Österreich, die stark auf Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle angewiesen sind, stellen die veränderten klimatischen Bedingungen eine Herausforderung dar.

Dürreperioden führen zu niedrigeren Wasserpegeln in Flüssen und Stauseen, was die Kapazität der Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung verringert. Beispielsweise musste die Stromproduktion der Wasserkraftwerke in Österreich im Juli 2022 um 31 Prozent reduziert werden, weil die hohen Temperaturen und die Trockenheit die Wassermengen stark dezimierten​. Ein weiteres Beispiel ist das Rheinkraftwerk Iffezheim in Deutschland, eines der größten Laufwasserkraftwerke Europas. Während extremer Dürreperioden im Sommer 2022 führten die sinkenden Wasserstände des Rheins zu erheblichen Einschränkungen in der Stromproduktion und der Schifffahrt.

Um den Herausforderungen der Dürren zu begegnen, müssen Wasserkraftwerke flexibler und widerstandsfähiger gestaltet werden. In Österreich wird bereits in die Modernisierung der bestehenden Wasserkraftwerke investiert, um Verluste bei niedrigen Wasserpegeln zu minimieren und extreme Abflüsse effizient zu nutzen. Dies umfasst auch den Bau neuer Pumpspeicherwerke, die als „Akkus“ für überschüssige Energie aus Wind- und Solarstrom dienen können​.

Die Anpassung an saisonale Veränderungen ist ebenfalls von Bedeutung. So zeigt eine Studie, dass die Wassermengen im Winter zunehmen werden, während sie im Sommer abnehmen. Dies könnte sich als Vorteil erweisen, da die zusätzliche Wasserkraft im Winter genutzt werden kann, um die Versorgungslücken zu schließen, die durch den geringeren Beitrag von Solar- und Windenergie entstehen​.

Windkraft ist zu einem wichtigen Teil im Energiemix der Zukunft geworden. Denn Wind weht meist, wenn die Sonne nicht scheint und am stärksten im Winter, wenn auch Wasserkraftwerke weniger Strom produzieren. In der EU sind deshalb 2023 so viele Windkraftanlagen neu gebaut worden wie noch nie zuvor. Und die Auftragsbücher der großen Windanlagen- und Turbinenbauer sind randvoll. Perfekte wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Hersteller von Windanlagen, sollte man meinen. Doch fast alle europäischen Hersteller schreiben seit Jahren tiefrote Zahlen. Die zur deutschen Siemens-Gruppe gehörende spanische Gamesa, einer der größten Hersteller der Welt musste im Vorjahr sogar mit Staatsgarantien vor dem Untergang bewahrt werden. Warum verdient die Branche angesichts dieser nahezu perfekten Marktbedingungen eigentlich kein Geld?