Solarindustrie Österreich : Fronius unter Druck: So führt die Chefin das Unternehmen durch die Solar-Krise
Inhalt
- Solar-Offensive 2025: Fronius setzt auf neue Produkte für mehr Nachfrage
- Fronius-Interview: So erklärt Engelbrechtsmüller-Strauß Umsatzrückgang und Personalabbau
- Engelbrechtsmüller-Strauß über Standort Österreich, Effizienz und Europas Rolle im Solar-Markt
- „Nicht nur auf Förderungen bauen“: Fronius-Chefin zur USA-Strategie und Europas Industriepolitik
- ZUR PERSON

Fronius-Chefin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß: "Wir haben keinen Investor an Bord, der uns vielleicht nervös wird."
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420 Millionen Euro Investitionen, 2.000 neue Mitarbeiter, die Vision, Sattledt vielleicht sogar zum Solarzentrum Europas zu machen – noch 2022 stand Fronius ganz im Zeichen der Expansion. Nur zwei Jahre später folgte der Absturz: Der Umsatz brach um 42 Prozent ein, 1.000 Mitarbeiter weltweit verloren ihre Jobs. An der Spitze des Familienunternehmens: Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß. Sie hatte einen derart radikalen Schnitt in ihrer Laufbahn bisher nicht zu verantworten.
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Krisenerprobt ist sie freilich schon. Die 54-jährige Enkelin des Gründers Klaus Fronius, die 2012 die Geschäftsführung übernahm, wurde früh mit den Risiken des Solargeschäfts konfrontiert. 2012 erschütterte ein großer Markteinbruch die Branche. 2024 wiederholte sich die Geschichte - nur ungleich härter. Dass Fronius den Werksausbau in Sattledt ohne Fremdkapital finanzierte, bewahrte das Unternehmen "vor einer existenzbedrohenden Situation", sagt sie heute. Besonders hart traf der Personalabbau die Fertigung. Dort musste Engelbrechtsmüller-Strauß auch die richtigen Worte finden. "Ich habe mich nicht versteckt", sagt sie.
Solar-Offensive 2025: Fronius setzt auf neue Produkte für mehr Nachfrage
Schon zuvor hatte Fronius Schichten gestrichen und ein Teilzeitmodell - ohne staatlicher Hilfe - für 1300 Mitarbeiter eingeführt, ehe Kündigungen folgten. Engelbrechtsmüller-Strauß initiierte Effizienzsteigerungen und baute eine verschlankte, effizientere Vetriebsorganisation auf. "2012 wie heute haben wir uns nicht zu Tode gespart", sagt sie. Es war wichtig, weiterhin in Forschung & Entwicklung zu investieren und "Vetriebskanäle offen zu halten".
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Die Schweißtechnik, traditionell das stabilere Standbein, half Fronius in der Krise. Engelbrechtsmüller-Strauß spricht von Innovation als Motor, wenn auch die Rahmenbedingungen ungleich sind: Chinesische Hersteller überschwemmen den Markt mit Billigprodukten, während europäische Initiativen wie der Made-in-Europe-Bonus nur begrenzte Wirkung entfalten. Forderungen nach Schutzmaßnahmen in Brüssel blieben bisher ohne Durchschlagskraft.
Also liegt es wohl an der Fronius-Managerin und dem Unternehmen selbst. 2025 sieht Engelbrechtsmüller-Strauß als Jahr des Gestaltens. Jetzt sollen im Solarbereich neue Produkte – Wechselrichter, Speicherlösungen, E-Mobility – das Wachstum ankurbeln. Auftragseingänge haben sich erholt, die Nachfrage steigt wieder. 2025 wird - ja muss - es ein Plus geben. „September, Oktober, November werden noch stärkere Monate. Und schon in allen Monaten davor war der Auftragseingang besser als 2024“, sagt sie.
Fronius-Interview: So erklärt Engelbrechtsmüller-Strauß Umsatzrückgang und Personalabbau
Fronius-Chefin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß im Interview.
INDUSTRIEMAGAZIN: Frau Engelbrechtsmüller-Strauß, 2022 hatten Sie das Solargeschäft noch ziemlich groß gedacht: Der Ausbau in Sattledt zielte auf die Verdoppelung der Kapazitäten binnen fünf Jahren ab, zusammen mit den Investitionen im tschechischen Krumau investierten Sie in Summe 420 Millionen Euro. Der Personalstand wuchs auf 8000. Dann brach der Fronius-Umsatz 2024 um 42 Prozent ein. 1000 Mitarbeiter, davon 800 in Österreich, wurden in zwei Schritten abgebaut. Ist die heikle Phase überwunden?
Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß: 2024 war ein sehr herausforderndes Jahr. Die Geschichte ist bekannt: Wir kämpften mit hohen Lagerbeständen, rückläufigen Abrufen und einer Schwemme billiger Produkte aus China. Wir ließen nicht viel Zeit verstreichen: Wir mussten unsere Kapazitäten reduzieren und haben das im Sommer auch gemacht. Natürlich dauert es Monate, bis das alles wirklich umgesetzt ist und es sich auf die Kostensituation auswirkt. 2024 war stürmisch. Jetzt sind die Gewässer aber schon viel ruhiger. Wir sind schon wieder im Modus des Gestaltens und nicht des Redimensionierens.
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Ihre zweite Sparte, die Schweißtechnik, hat ein starkes Standbein in Automotive. Und kam erstaunlich gut durch die Umwälzungen der Branche.
Engelbrechtsmüller-Strauß: Die Schweißtechnik ist ein viel stabilerer Sektor. Das hilft uns als zweites, starkes Standbein. Gleichzeitig haben wir in Solar die Fieberkurven. Es geht nicht immer nur rauf, sondern manchmal auch runter. Das habe ich zweimal, 2012 und jetzt, erlebt. Bei Investitionen müssen wir daher immer vorsichtig entscheiden: Wir investieren nur, was wir uns auch leisten können.
Sie steckten die Investitionen für den Ausbau von fast einer halben Milliarde 2022 so locker weg?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Hätten wir den Ausbau in Sattledt mit Fremdmittel finanziert, wäre das existenzbedrohend geworden. Wir finanzierten es aber mit Eigenkapital. Somit haben wir keine großen Raten und Zinsen zu zahlen. Und keinen Investor, der uns vielleicht nervös wird und Kredite fällig stellt. Das gibt uns Sicherheit. Da haben wir aus den Krisenjahren der Neunziger und 2012 schon einiges gelernt. Wir haben heikle Phasen mit einer vorsichtigen Finanzpolitik immer gut bewältigt. Da muss ich auf Holz klopfen.
Wie haben Sie den Personalabbau persönlich verwunden?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Unsere Kürzungen haben im besonderen Ausmaß Mitarbeiter der Fertigung betroffen. Das war schmerzhaft und mir war bewusst, dass diese Entscheidungen viele Familien vor große Herausforderungen gestellt haben. Aber ich musste diese Handlungen setzen, um das gesamte Unternehmen zu schützen. Man muss sich auch trauen, harte Entscheidungen zu treffen. Ich habe mich nicht versteckt, sondern selbst die Mitarbeiter über den geplanten Personalabbau informiert. So etwas ist nicht leicht aber es steht in meiner Verantwortung.
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In der Solarkrise 2012 meinten Sie, das Unternehmen habe kein Kosten-, sondern ein Umsatzproblem - und argumentierten so das Ausbleiben größerer Einschnitte. Diesmal sagten Sie einer Zeitung, "weniger Personal abgebaut zu haben, als es aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendig gewesen wäre".
Engelbrechtsmüller-Strauß: Wir hatten auch diesmal wieder ein Umsatzproblem. 2012 wie heute haben wir uns nicht zu Tode gespart. Uns war es wichtig, weiterhin in Forschung & Entwicklung zu investieren. Und auch unsere Vertriebskanäle offen zu halten.
Engelbrechtsmüller-Strauß über Standort Österreich, Effizienz und Europas Rolle im Solar-Markt
Was haben die Erfahrungen der letzten Monate bewirkt?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Es gibt da einen Wahlspruch, der mir immer geholfen hat. Wenn wir die Krise überwinden, dann sind wir hinterher stärker. Das hat uns begleitet in der Geschichte von Fronius. In den 1990ern sind uns große Vertriebspartner weggebrochen. Das war ein Schock. Doch aus dieser Situation heraus haben wir neue Tochtergesellschaften gegründet. Wir wurden international. Und legten so die Basis für weiteres Wachstum. Auch nach dem Solarschock 2012 haben wir uns neu aufgestellt. Und wieder war es die Basis für den Erfolg der nächsten zehn Jahre. So wird es auch jetzt sein. 2024 war total schmerzhaft. Aber wir haben schnell gehandelt. Haben organisatorische Abläufe neu gestaltet. 2025 ist ein Jahr der Veränderung und des Gestaltens.
Viele in Ihrem Managementteam haben 30 Jahre plus Firmenzugehörigkeit. Hilft das?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Es ist wichtig, Leute im Team zu haben, die nicht nur die Hochphasen erlebt haben, sondern auch Zeiten, in denen es nicht so läuft.
Abgesehen von der Kabelbaum- und Trafofertigung in Tschechien produzieren Sie ausschließlich in Österreich - eigentlich ein Unikum. Was hat Sie dazu bewogen, Sattledt auszubauen - und nicht etwa schon viel früher local for local zu fertigen?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Wir hatten in Österreich die freien Flächen für den Ausbau und perfekte Voraussetzungen. Aber ich habe schon damals gesagt: Der nächste größere Erweiterungsschritt wird nicht in Österreich erfolgen. Weil sich das Wachstum aber nicht vollzogen hat wie erwartet, werden sich die Investitionen nach hinten verschieben.
Österreich ist doch ein Hochpreisstandort. Warum halten Sie daran fest?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Wir hatten in den letzten 3 Jahren einen Anstieg bei den Personalkosten von fast 30 Prozent. Das macht natürlich etwas mit dem Standort. Ich bleibe aber optimistisch und möchte den Standort Österreich halten. Damit wir weiter wettbewerbsfähig sind, müssen wir die Dinge eben effizienter und effektiver machen. Daher erfolgte eine Umorganisation, die ganz Fronius mit fast 40 Tochtergesellschaften betrifft. Der Vertrieb wurde zusammengefasst, wir werden schlanker und schneller. Die Überlegung ist schon die, mit der bestehende Mannschaft mehr Umsatz zu schaffen - auch in einem vergleichsweise teurem Land wie Österreich.
Sie nehmen die Dinge selbst in die Hand?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Darauf, dass es große Unterstützung für die heimische Industrie gibt, können wir nicht warten.
Sie wünschen sich, dass Europa "vertrauenswürdige" Solarhersteller auf eine weiße Liste setzt. Glauben Sie, daraus wird etwas?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Es wäre wichtig, aber ich mache mir nichts vor. Auf der Preisseite gegen Unternehmen, die unter den Herstellkosten verkaufen, die Oberhand zu gewinnen, werden wir nicht schaffen. Und Europas Politik ist träge. Das sind halt die Rahmenbedingungen. Man muss an mehreren Fronten kämpfen. Wichtig ist, die Organisation so zu entwickeln, dass wir coole Produkte auf den Markt bringen. Und wir wollen schon aufzeigen, was wir als gefährlich erachten. Es gibt natürlich auch nationale Initiativen, die aufgegriffen werden wie der Made-in-Europe-Bonus. Der wird uns jetzt nicht retten, aber es ist immerhin eine Förderung, die das Geschäft mit lokaler Wertschöpfung verbindet. Nur: Das machen die anderen Wirtschaftsblöcke ohnehin.
„Nicht nur auf Förderungen bauen“: Fronius-Chefin zur USA-Strategie und Europas Industriepolitik
Der Solarhersteller Meyer Burger ist in den USA gescheitert. Überrascht?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Ich denke, sich allzusehr von Förderungen abhängig zu machen ist nicht gut. Darauf darf man sich nicht verlassen. Den Inflation Reduction Act haben wir uns natürlich angeschaut. Unsere Ansicht: Wir könnten in den USA nicht viel günstiger produzieren als in Österreich. Hier haben wir die Kompetenz aufgebaut und die Abläufe sind eingespielt. Darauf können wir uns verlassen. Nur auf Förderungen zu bauen ist zu wenig.
Braucht Fronius neue Geschäftsfelder? Klaus Fronius etwa tüftelt auf seinem Bauerngut an Wasserstofftechnologien?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Es braucht kein neues Geschäftsfeld. Beispiel Schweißtechnik. Dort sind wir Innovationsführer, arbeiten kontinuierlich an neuen Prozessen, wie wir den Lichtbogen besser beherrschen können. Das Gleiche tun wir auch in der Photovoltaik. Energiemanagement ist ein großes Thema: wie wir Energie besser nutzen, die Netze entlasten – und mit unserer Vision „24 Stunden Sonne“, verbinden wir die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität miteinander, damit noch mehr mit Erneuerbaren möglich wird.
Immerhin wächst der Strombedarf stark.
Engelbrechtsmüller-Strauß: Es gibt einen riesigen Stromhunger, alleine durch die Digitalisierung. Der Bedarf wird bleiben. Photovoltaik ist eine der günstigsten Formen der Stromproduktion. Viele regen sich über Investitionen in Netze auf. Aber diese Investitionen braucht es – genauso, wie wir für Digitalisierung Infrastruktur brauchen. Wir entwickeln und produzieren in Europa, sehr sauber, und bieten sichere Lösungen – auch bei Security-Themen. Wir gehören zu den wenigen, die noch alles in einer Hand haben.
2022 und 2023 war die Nachfrage größer als Ihr Angebot. Viele Abnehmer waren unzufrieden.
Engelbrechtsmüller-Strauß: Ja, wir konnten nicht so schnell skalieren wie chinesische Mitbewerber. Viele besonders in Österreich waren wirklich sauer auf uns, weil sie den Eindruck hatten, dass wir sie im Regen stehen lassen. Das stimmt aber nicht, wir haben damals Österreich gegenüber anderen Märkten sogar priorisiert. Uns wurde vorgeworfen: Fronius will nicht wachsen, investiert zu wenig obwohl wir mehr als 400 Mio. in den Standort investiert haben. Das Vertrauen wiederzuerlangen, ist unsere Aufgabe.
Wie werden Sie 2025 abschließen?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Wir werden wachsen. September, Oktober, November werden noch entscheidende Monate. Und schon in allen Monaten davor war der Auftragseingang besser als 2024. Förderungen und Made in Europe Bonus kann man erst seit Ende des zweiten Quartals einmelden, gleichzeitig wurde die Umsatzsteuerbefreiung gestoppt – das sorgt für Unruhe im Markt und führt zu einer Investitionszurückhaltung bei Privaten wie Unternehmen. Aber insgesamt läuft es stabil.
Erwarten Sie durch Rüstung anziehende Geschäfte in der Schweißtechnik?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Rüstung ist für uns eher unbedeutend. Einen viel größeren Anteil haben Automotive und Commercial Transportation. Wir erwarten da keinen besonderen Boost durch Regulierung – aber in diesen Bereichen wird viel geschweißt, und das ist unser Feld.
Sie haben die Verantwortung für ein Großunternehmen. War das zuletzt eher eine Bürde?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Es ist keine Bürde, sondern eine Verantwortung. Krisen gibt es immer wieder. Vor zwei, drei Jahren war die Krise bei den Lieferanten: Wir hatten keine Bauteile. Jetzt ist es anders: Wir haben zu wenig Umsatz. Beides ist herausfordernd für das Unternehmen, jedoch müssen immer passend zur Situation andere Maßnahmen getroffen werden. Ich finde das spannend. Mir taugt es derzeit richtig, weil wir nach den Kapazitätsanpassungen wieder gestalten können. Nach dem Schmerz entstehen neue Ideen.
Sie haben 6.700 Mitarbeiter. Wieviel der Verantwortung müssen Sie eigentlich alleine tragen?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Wir sind ein Team. Früher waren wir vier in der Geschäftsführung, jetzt fünf. Wir entscheiden vieles gemeinsam. Es ist erlaubt, auch mal schwach zu sein. Der große Anker ist das Team. Das macht uns stark.
Wann waren Sie zuletzt schwach?
Engelbrechtsmüller-Strauß: Ich bin oft schwach – natürlich (lacht). Etwa, als die Auftragseingänge 2024 nicht eintrafen. Das war schon heftig. Auch als wir Mitarbeiter freisetzen mussten, war ich nervös. Aber ich habe Rückhalt – von Kollegen, Stiftung, Aufsichtsrat und der Eigentümerfamilie.
ZUR PERSON
Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, 54,
ist CEO, CFO und CSO von Fronius. Die Enkelin des Firmengründers Günter Fronius übernahm 2012 die Geschäftsführung des oberösterreichischen Familienunternehmens. Die ausgebildete Betriebswirtin treibt die internationale Expansion sowie den Innovationskurs des Unternehmens voran.