Defence Marak Rüstung : Reinhard Marak über Geschäftsmodell Rüstung: "Neue Akteure brauchen langen Atem, um vollständig im Markt anzukommen"

Verteidigung Österreich Defence

"Jeder Euro, der in Österreich ausgegeben wird, sichert Arbeitsplätze im hochtechnologischen Bereich und spült allein an Steuer- und Abgabeneinnahmen rund 50 Prozent des Auftragsvolumens direkt zurück in den Staatshaushalt", sagt Reinhard Marak, WKÖ. 

- © Das Österreichische Bundesheer

INDUSTRIEMAGAZIN DEFENCE: Herr Marak, wie fasst man in der Verteidigungsgüterbranche als Zulieferer Fuß? 

Reinhard MarakDer Sicherheits- und Verteidigungssektor weist einige Spezifika im Vergleich zu anderen Branchen auf. Viele Projekte dauern mehrere Jahre lang, darum sind auch die Lieferketten oft über eine lange Zeit sehr gefestigt und neue Akteure brauchen einen langen Atem, um vollständig im Markt anzukommen. Zudem gibt es auch spezifische Voraussetzungen für den Sektor, wie etwa Sicherheitsüberprüfungen für Produktionsstätten und Mitarbeiter. 

 

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Besonders im letzten Jahr beobachten wir viele Neueintritte von Unternehmen in den Verteidigungsmarkt, zumeist von bereits existierenden Unternehmen, die nun auch in der Sicherheits- und Verteidigungsbranche Fuß fassen möchten. Auf nationaler Ebene und auch auf europäischer Ebene gibt es Forschungs- und Entwicklungsprogramme, die den Eintritt in den Bereich erleichtern können, wie etwa die Programme KIRAS und FORTE in Österreich bzw. der European Defence Fund (EDF) als EU-Programm.

Wie lassen sich Military-Güter rechtssicher produzieren?

Marak: Die Hürden liegen hier weniger in der Produktion als vielmehr im Export. Denn die österreichischen Exportbestimmungen, die im Außenwirtschaftsgesetz und im Kriegsmaterialgesetz geregelt sind bzw. deren behördliche Umsetzung, sind oft restriktiver als in anderen EU-Staaten. Dies führt bei Unternehmen oft zur Überlegung, ob ein Produktionsstandort in Österreich sinnvoll ist oder ob eine Niederlassung in einem Nachbarland nicht einfacher ist, um die eigenen Produkte später erfolgreich am globalen Markt zu verkaufen. 

Wo unterscheidet sich das Defence-Auftragswesen vom zivilen? 

Marak: Ein großer Unterschied ist, dass es im Verteidigungsbereich nur eine Art von Endkunden gibt, und zwar den Staat. Die Unternehmen können nachvollziehbarerweise nicht auf private Kunden ausweichen. Dabei ist es für die Unternehmen von größter Bedeutung, den heimischen Markt als Kunden zu haben, denn das ist die beste Werbung dafür, auch Aufträge aus dem Ausland zu erhalten.  

Welche Agreements braucht es? 

Marak: Im Verteidigungsbereich wird zumeist nach NATO-Standards, sogenannte STANAGs, produziert, auch in Österreich, obwohl wir nicht Teil der NATO sind. 

"Derzeit sind je nach Exportgut bis zu vier Ministerien an Exportentscheidungen beteiligt"
Reinhard Marak, Leiter der Stabsstelle Krisenmanagement und Sicherheitsvorsorge der WKÖ

- © Stephan Huger | Studio Huger

Stichwort Export-Vorschriften: Was muss sich verbessern?

Marak: Derzeit sind je nach Exportgut bis zu vier Ministerien an Exportentscheidungen beteiligt. Für exportorientierte Unternehmen des Verteidigungssektors wäre es wünschenswert, wenn es eine Exportbehörde als „one stop shop“ geben würde, mit transparenten und zeitgerechten Entscheidungsprozessen. Das wäre durchaus auch im Sinne der aktuellen Verwaltungsvereinfachungsanstrengungen auf EU-Ebene, dem „Defence Omnibus“. Diese könnte beispielsweise durch eine Zusammenziehung der Kompetenzen in einem Ministerium erreicht werden.

Österreich ist laut Beschaffungschef Vodosek in vier von fünf Domänen des russisch-ukrainischen Kriegs involviert. Wie wirkt sich das auf Beschaffungsprioritäten aus?

Marak: Österreich hat mit dem Aufbauplan 2032+ seine Beschaffungsprioritäten festgelegt. Nichtsdestotrotz ist das Bundesheer mit neuen Herausforderungen, wie nun etwa den zunehmenden Bedrohungen durch Drohnen, konfrontiert. Aktuelle Bedrohungsszenarien und Entwicklungen werden daher laufend anhand militärischer Beurteilungen in die Beschaffungspläne integriert.

Was ist von der heimischen Rüstungsagentur zu erwarten?

Wir kennen keine entsprechenden Pläne.

Wie gelingt es, Unternehmen in den Beschaffungsprozess einzubinden – Stichwort Industrielle Kooperationen?

Marak: Der Aufbauplan 2032+ hat ein Volumen von etwa 18 Mrd. Euro. Selbst wenn das Bundesheer hier sehr auf nationale Wertschöpfung achtet, könnten die meisten großen Beschaffungen, wie Helikopter oder Luftabwehr mangels Produktion im Inland nur aus dem Ausland angeschafft werden. Bei diesen Beschaffungen müssen wir zukünftig sicherstellen, dass mittels industrieller Kooperation die ausländischen Systemhersteller dazu verpflichtet werden, österreichische Unternehmen in ihre Lieferketten aufzunehmen bzw. künftig in anderen Bereichen – wie etwa Forschung und Entwicklung – in Österreich zu investieren. Diese Verpflichtung zur industriellen Kooperation – die in allen uns bekannten anderen Staaten der EU usus ist – muss von der österreichischen Regierung vertraglich mit dem Lieferanten festgehalten werden, da sie nur dann rechtsverbindlichen Charakter hat. 

Wie gewährleistet man, dass Wertschöpfung in Österreich verbleibt?

Marak: Indem man von österreichischen Unternehmen kauft bzw. bei Beschaffungen aus dem Ausland industrielle Kooperation und somit die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit österreichischen Unternehmen vertraglich festlegt. Jeder Euro, der in Österreich ausgegeben wird, sichert Arbeitsplätze im hochtechnologischen Bereich und spült allein an Steuer- und Abgabeneinnahmen rund 50% des Auftragsvolumens direkt zurück in den Staatshaushalt. Da sind zusätzliche konjunkturstärkende Effekte durch den Konsum der Mitarbeiter noch gar nicht eingerechnet.  

Welche Chancen sehen Sie für Österreich bei EU-Beschaffungsprojekten?

Marak: Hier ist wichtig festzuhalten, dass die EU selbst nichts beschafft. Vielmehr fördert und unterstützt sie kooperative Projekte. Beispielsweise werden gemeinsame Beschaffungen der Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Beitrag der EU unterstützt. Im Rahmen des European Defence Funds (EDF) werden wieder grenzüberschreitende Forschungs- und Entwicklungsprojekte von Unternehmen gefördert. Hier waren heimische Unternehmen überdurchschnittlich erfolgreich, besonders im Bereich der Forschung. 

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