Gas aus Russland : Österreichische Gerichte verweigern Eingriff in OMV-Zahlungen an Gazprom: Gefahr für die Gasversorgung?

Gazprom Österreich

Im Falle einer Zwangsvollstreckung sei es wahrscheinlich, dass Gazprom Export die Gaslieferungen einstellen und dies den österreichischen Gasmarkt beeinträchtigen würde.

- © Gazprom

Sollte versucht werden, Zahlungen der OMV an Gazprom auf Basis internationaler Gerichtsurteile in Österreich zu vollstrecken und damit die Gasversorgung des Landes beeinträchtigt werden, gibt es laut dem österreichischen Justizministerium keine Anweisungen an die zuständigen Gerichte. Dies bestätigte eine Ministeriumssprecherin am Dienstag. Die OMV hatte Ende Mai vor möglichen Zwangsvollstreckungen in diesem Zusammenhang gewarnt.

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"Weil Gerichte keiner Weisungspflicht unterliegen und unabhängig sind, gibt es grundsätzlich keinerlei Berichtspflichten an das Bundesministerium für Justiz. Deshalb erteilen wir auch keine Weisungen", erklärte eine Sprecherin des Justizministeriums (BMJ) in Wien auf die Frage, ob sich die Justiz auf hypothetische Exekutionsanträge vorbereite, die die Gasversorgung Österreichs betreffen könnten.

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- © Industriemagazin

Beeinträchtigung des österreichischen Gasmarktes

Ein Sprecher des für Energiefragen zuständigen Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) sagte am Dienstag, man sei in kontinuierlichem Austausch mit der OMV, auch zu diesem Thema. "Versorgungssicherheit hat höchste Priorität und wir unternehmen seit Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine alles, um diese zu sichern." Er betonte, dass die größte Gefahr in der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen liege. Offizielle Angaben des Ministeriums zeigten, dass der Anteil russischen Gases an den gesamten Gasimporten nach Österreich in den ersten vier Monaten 2024 höher war als im gleichen Zeitraum des Vorjahres und im April 2024 81 Prozent erreichte.

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In einer "Urgent Market Message" vom 21. Mai 2024 hatte die OMV von einem potenziell folgenschweren ausländischen Gerichtsurteil berichtet, das ein "großes europäisches Energieunternehmen" erwirkt habe. Sollte dieses Urteil in Österreich gegen die OMV-Tochter OMV Gas Marketing & Trading GmbH (OGMT) vollstreckt werden, müsste OGMT Zahlungen aus dem Gasliefervertrag mit Gazprom Export an das europäische Energieunternehmen leisten. Eine solche Zwangsvollstreckung könnte dazu führen, dass Gazprom Export die Gaslieferungen an OGMT einstellt, was den österreichischen Gasmarkt beeinträchtigen würde.

Genauen Hintergründe bleiben weiterhin unklar

Die genauen Hintergründe dieser Warnung blieben unklar. Die OMV erklärte lediglich, dass sie als führendes Gasvermarktungs- und -handelsunternehmen verpflichtet sei, den Energiemarkt über alle Maßnahmen zu informieren, die die Fähigkeit des Unternehmens, Gas von ihren Lieferanten zu erhalten, beeinträchtigen könnten. Der Zeitpunkt der Warnung war ebenfalls fragwürdig: Bereits am 12. September 2022 hatte die deutsche Uniper Global Commodities am Oberlandesgericht Nürnberg einen Beschluss in einem Vollstreckungsverfahren erwirkt, wonach Gazprom Export zur Zahlung eines Vorschusses für entstandene Kosten in Höhe von bis zu 3,65 Mrd. Euro verpflichtet wurde, so eine deutsche Gerichtssprecherin.

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Auf Basis der Nürnberger Entscheidung leitete Uniper Anfang 2023 ein Exekutionsverfahren gegen die österreichische Gazprom-Tochter Gazprom Austria ein, die dadurch für Gaslieferungen aus Russland nicht mehr zahlen konnte und vom Mutterkonzern nicht mehr beliefert wurde, was zur Insolvenz führte. Zeitnah zur OMV-Warnung lehnte das Petersburger Handelsgericht am 24. Mai 2024 das Ersuchen des Wiener Bezirksgerichts Innere Stadt ab, Gazprom Export relevante Dokumente auszuhändigen. Diese Weigerung wurde damit begründet, dass Gazprom Export nicht über Klagen vor ausländischen Gerichten informiert worden sei, was das Recht auf gleiche Behandlung aller Parteien vor Gericht verletze und somit der "öffentlichen Ordnung" der Russischen Föderation widerspreche.

Mit blick aufs Burgtheater: Hier sitzt Gazprom Austria
Gazprom Austria Hauptsitz in Wien vor der Insolvent der Gazprom-Tochter - © Google Street View

Zwangsvollstreckungen gegen den russischen Gaskonzern

Neben dem Nürnberger Beschluss über vorläufige 3,65 Mrd. Euro erwirkte Uniper am 7. Juni einen Beschluss am Stockholmer Schiedsgericht, der einen Schadensersatz von mehr als 13 Mrd. Euro für die seit Mitte 2022 von Gazprom Export nicht mehr gelieferten Gasmengen vorsieht. Uniper wollte sich nicht zu konkreten Plänen oder Maßnahmen zur Durchsetzung des Anspruchs auf Schadensersatz gegenüber Gazprom Export äußern. Da auch andere europäische Konzerne, darunter die OMV, mehrere Verfahren gegen Gazprom Export angestrengt haben, sind in nächster Zeit einige Beschlüsse zu erwarten. Diese könnten zu zahlreichen Zwangsvollstreckungen gegen den russischen Gaskonzern außerhalb Russlands führen.

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Ungarn scheint jedoch eine Möglichkeit gefunden zu haben, solche rechtlichen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Gasversorgung zu verhindern: Premierminister Viktor Orbán erließ am 30. Mai ein Dekret, dass Zahlungen für Erdgaslieferungen nicht zur Befriedigung von Gläubigeransprüchen verwendet werden dürfen, was er mit der "ungarischen öffentlichen Ordnung" begründete.

Insolvenz von Gazprom Austria

Die Gazprom Austria GmbH, eine Tochtergesellschaft der russischen Gazprom Export Ltd., hat am 14. April 2023 Insolvenz angemeldet. Diese Entscheidung erfolgte nach einem signifikanten Rückgang der Erdgaslieferungen aus Russland, bedingt durch einen juristischen Streit mit der deutschen Uniper Global Commodities SE, der zur Pfändung von Forderungen und zur Einstellung der Zahlungen führte​​​​.

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Die finanziellen Schwierigkeiten von Gazprom Austria sind beträchtlich. Der KSV1870 schätzt die Verbindlichkeiten des Unternehmens auf rund 31,4 Millionen Euro, während die Gläubigerschutzverbände AKV und Creditreform die Forderungen auf etwa 27 Millionen Euro beziffern​​. Betroffen sind etwa 40 Gläubiger und fünf Mitarbeiter. Gazprom Austria erzielte im Jahr 2021 einen Umsatz von 148,7 Millionen Euro. Neuere Zahlen liegen derzeit nicht vor. Diese wirtschaftlichen Kennzahlen zeigen, dass das Unternehmen trotz seiner aktuellen Schwierigkeiten in der Vergangenheit eine wichtige Rolle im österreichischen Energiemarkt gespielt hat​​​​.

Gazprom Austria hat ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt, konnte jedoch keinen konkreten Sanierungsplan vorlegen. Der KSV1870 erwartet, dass das Unternehmen nun im Konkursverfahren einen detaillierten Plan zur Schuldenregelung einreicht. Die Bemühungen, den Betrieb aufrechtzuerhalten und eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen, werden in den kommenden Monaten entscheidend sein​​​​.

Trotz der Insolvenz versichert der österreichische Regulator E-Control, dass die Gasflüsse nach Österreich nicht beeinträchtigt sind. Auch die OMV sieht keine unmittelbaren Auswirkungen auf ihre Gasversorgung.

Deutsche Uniper kündigt Gaslieferverträge mit Gazprom

Der verstaatlichte deutsche Energiekonzern Uniper hat den Konflikt um Gaslieferungen mit dem russischen Staatskonzern Gazprom endgültig beigelegt. Uniper gab am Mittwoch bekannt, dass es in einem Schiedsverfahren obsiegt und anschließend die Verträge gekündigt habe. Trotz des Umstands, dass seit Juni 2022 nur noch eingeschränkt und seit Ende August 2022 gar kein Gas mehr geliefert wurde, waren die Verträge mit Gazprom noch in Kraft.

Da Gazprom Mitte 2022 die Gaslieferungen eingestellt hatte, sprach das Stockholmer Schiedsgericht Uniper einen Schadensersatzanspruch in Höhe von über 13 Milliarden Euro zu. Ob diese Gelder jedoch tatsächlich fließen werden, ist unklar. Potenzielle Zahlungen würden dem deutschen Staat zugutekommen. "Für Uniper schafft dieses Urteil rechtliche Klarheit", sagte Uniper-Chef Michael Lewis.

Nach der russischen Invasion in der Ukraine und dem darauffolgenden russischen Gaslieferstopp hatte Uniper 2022 in Stockholm ein milliardenschweres Schiedsgerichtsverfahren gegen Gazprom eingeleitet. Der deutsche Energiekonzern forderte Schadenersatz, da er kurzfristig teure Alternativen für die ausbleibenden Lieferungen aus Russland beschaffen musste. Uniper stand dadurch kurz vor dem Bankrott, bevor das Unternehmen fast vollständig verstaatlicht wurde. Gazprom seinerseits verfolgt in Russland juristische Schritte gegen Uniper.

Uniper zufolge fällte das Stockholmer Schiedsgericht seine Entscheidung am 7. Juni. Das Gericht entschied nach Schweizer Recht. Uniper erklärte, dass das Schiedsurteil rechtlich bindend und endgültig sei. Die Möglichkeit, Streitigkeiten über ein Schiedsgericht beizulegen, war vertraglich mit Gazprom vereinbart worden und wurde in der Vergangenheit von beiden Seiten mehrfach genutzt.

Die Kündigung der Lieferverträge könnte den deutschen Staat auch bei seinen Plänen unterstützen, Uniper wieder an die Börse zu bringen. Die alten Gasverträge hätten dabei eine Belastung darstellen können. "Mit dem Kündigungsrecht, das wir mit dem Schiedsurteil erhalten haben, beenden wir die Verträge mit Gazprom Export", betonte Lewis. Derzeit laufen Vorbereitungen, den 99,12-prozentigen Anteil, den der Staat an Uniper hält, schrittweise wieder an die Börse zu bringen.

Uniper hat sich in einem Schiedsverfahren gegen Gazprom durchgesetzt
Mit 700 Milliarden Dollar haben Banken im letzten Jahr Projekte von Unternehmen im fossilen Sektor finanziert. Das rechnete eine Studie zweier Umwelt-NGOs vor. Das Öl- und Gasbusiness sei für Banken noch immer ein Mega-Geschäft. Doch Banken finanzieren nur, was auch Rendite bringt und die Erschließung neuer Öl- und Gasquellen lässt auch in Zukunft noch die Kassen klingeln. Ganz im Gegensatz zu den Grünen Aktivitäten der großen Mineralölkonzerne. Reihenweise haben sich die Unternehmen von Big Oil zuletzt aus ihren Vorzeigeprojekten – etwa der Offshore-Windkraft - verabschiedet. Das übrigens, nachdem sie sich bei der Versteigerung der Nutzungsrechte auf See gegenseitig überboten– und damit die Preise in lichte Höhen getrieben haben. Mit den Bieterwettkämpfen um Offshore-Standorte haben Sie auch der Grundstein für den derzeitigen Rückzug aus den Erneuerbaren gelegt: Die explodierende Projektkosten haben neben den hohen Zinsen und Problemen bei der Netzanbindung Windkraftprojekte auf See zuletzt so unrentabel gemacht, dass kein Ölboss, der bei Sinnen ist, diese derzeit umsetzen könnte. In den kommenden fünf bis 10 Jahren ist mit Peak Oil, also dem Höhepunkt der globalen Nachfrage nach Öl- und Gas zu rechnen. Wir haben uns in den INDUSTRIEMAGAZIN News schon im Februar der Frage gewidmet warum das in der Kalkulation für die Ölkonzerne derzeit überhaupt keine Rolle spielt, oder vielleicht sogar die Ursache für den derzeitigen Investitionsboom der Branche ist?