Energie : Energieminister beschließen Gaspreisdeckel für Großkunden

Ein Gasspeicher des Energiekonzerns OMV

Der EU-weite Gaspreisdeckel kommt. Moskau is not amused

- © YouTube/ OMV

Nach monatelangem Ringen haben sich die EU-Staaten auf einen Gaspreis-Deckel geeinigt. Danach kann der Deckel ab einem Preis von 180 Euro pro Megawattstunde ausgelöst werden, hieß es in dem von den EU-Energieministern am Montag in Brüssel gefassten Beschluss. Der Mechanismus kann demnach ab dem 15. Februar aktiviert werden. Der Preis ist niedriger als von der EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagen. Diese hatte ihn in einem ersten Entwurf bei 275 Euro pro Megawattstunde angesetzt, das war vielen EU-Staaten aber zu hoch. Moskau bezeichnete diesen als "inakzeptabel". Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von einer "Verletzung des Prozesses der Preisbildung auf dem Markt."

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Der Beschluss sieht vor, dass der Preis dann gedeckelt wird, wenn er drei Werktage lang über dem Wert von 180 Euro pro Megawattstunde lag und gleichzeitig 35 Euro oberhalb des Preises liegt, was an den Weltmärkten für Flüssiggas gezahlt wird. Das Vorhaben betrifft grundsätzlich Großkunden, die am TTF handeln - nicht Endverbraucher. Verbraucherpreise werden indirekt durch die Preise im Großhandel beeinflusst.

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Die Befürchtung Deutschlands sowie der Niederlande und Österreichs blieb bis zuletzt, dass bei einem Deckel Flüssigerdgas nicht mehr nach Europa kommen könnte. Bei einem Mangel würden dann Verteilungskämpfe unter den Staaten ausbrechen, die die EU vor eine Zerreißprobe stellen würden.

Der Gaspreis am Handelsplatz TTF soll unter bestimmten Bedingungen die Grenze von 180 Euro pro Megawattstunde nicht übersteigen dürfen. Zuletzt lag der Gaspreis am TTF am Montag um 110 Euro pro Megawattstunde. Im August erreichte der Preis am TTF einen Höchststand von über 340 Euro pro Megawattstunde.

So funktioniert der Gasdeckel der EU

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Österreich enthält sich

Die erwähnten 180 Euro sind dabei nur für die Auslösung des Mechanismus relevant, nicht aber für die weitere Festlegung des zulässigen Future-Preise - es handelt sich also nicht um einen auf 180 Euro festgelegten Preisdeckel. Zur Veranschaulichung: Liegt der LNG-Referenzpreis an einem Stichtag bei 170 Euro, der Gaspreis aber bei 230 Euro, so darf für das Gas-Future nicht mehr als 205 Euro pro MWh geboten werden. Der Maximalpreis liegt also immer 35 Euro über dem Referenzwert.

Mit der Koppelung der Preise für Erdgas-Futures an den globalen Flüssiggasmarkt soll sichergestellt werden, dass künftig auch weiterhin Flüssiggas nach Europa geliefert wird. Die Überlegung: Wenn der Preis immer um 35 Euro über einem internationalen Richtwert liegt, bleibt der europäische Markt international weiter attraktiv. Setzte man außerdem den Kaufpreis von Erdgas fix auf 180 Euro fest, während andernorts wesentlich höhere Preise zu erzielen sind, gäbe es wirtschaftlich keinen Grund mehr, an Europa zu verkaufen.

Fällt der Referenzpreis unter 145 Euro, so verbleibt das Gebotslimit automatisch bei 180 Euro. Ist dies an drei aufeinanderfolgenden Tagen der Fall, wird der Mechanismus ausgesetzt. Außerdem gelten Ausnahmen, sollte die Versorgungssicherheit akut gefährdet sein.

Unter anderem Deutschland hatte sich lange gegen einen solchen Mechanismus gesträubt. Das Land hatte befürchtet, dass dann die Versorgungssicherheit gefährdet wäre, weil Lieferanten ihr Gas etwa an asiatischen Märkten verkaufen könnten, wo sie höhere Preise erzielen könnten. Deutschland stimmte nach Angaben von drei EU-Vertretern für den Kompromissvorschlag, Österreich und die Niederlande enthielten sich. Gegen den Deckel stimmte laut EU-Diplomaten nur Ungarn.

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"Ich bin überzeugt, dass er ein Beitrag sein kann, um in Zukunft absurde Auswüchse bei den Gaspreisen zu verhindern. Gleichzeitig wurde jedoch heute in letzter Minute eine Ausweitung auf weitere Gasbörsen neben dem TTF in die Verordnung aufgenommen. Und diese Ausweitung kann auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben. Das gilt gerade für Österreich. Auch wenn wir uns in großen Schritten von der russischen Abhängigkeit lösen, brauchen wir diese Lieferungen aktuell noch", erklärte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einem Statement nach dem Beschluss.

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Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begründete seine Zustimmung mit verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen, die vorgesehen sind. "Wir haben jetzt sehr viele Instrumente definiert, die die Gefahr eines unbedachten Effekts deutlich reduzieren", sagte Habeck am Rande eines Sondertreffens der für Energie zuständigen EU-Minister in Brüssel. Wenn dann Gas zurückgehe, wenn rationiert werden müsse oder wenn der Handel zurückgehe, werde der Mechanismus wieder ausgesetzt.

Betroffen sind Kunden, die am TTF handeln

Tschechien hatte für die Sitzung einen neuen Kompromissvorschlag vorgelegt: Danach soll der Deckel greifen, wenn der Gas-Preis drei Tage über 188 Euro pro Megawattstunde und zudem 35 Euro über dem Weltmarktpreis für Flüssiggas (LNG) liegt. Nachdem der Mechanismus in Kraft gesetzt wäre, müsste der Preis stets 35 Euro über dem LNG-Weltmarktpreis liegen, nicht aber unter 188 Euro fallen. Sollte es aber zu einem Gas-Mangel in der EU oder einem Mitgliedsstaat kommen, wird der Deckel wieder aufgehoben, heißt es in dem Papier, das die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte.

Derzeit liegt der Gaspreis deutlich unter 180 Euro, im Sommer notierte er allerdings noch bei zeitweise 350 Euro. Experten halten es für möglich, dass er nach einem harten Winter wieder auf über 200 Euro steigt, wenn die Staaten zum Frühjahr ihre Speicher füllen müssen.

Gas-Verbrauch stark gesunken

In der Europäischen Union ist der Erdgasverbrauch heuer zwischen August und November um rund 20 Prozent gesunken. Der Gasverbrauch war damit um rund ein Fünftel geringer als der Durchschnittsverbrauch desselben Zeitraums in den Vorjahren seit 2017, wie die EU-Statistikbehörde Eurostat am Dienstag mitteilte. Demnach gab es jedoch große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten.

Während Finnland zwischen August und November rund 53 Prozent weniger Gas verbrauchte, stieg der Gasverbrauch in Malta um rund sieben Prozent an. Eurostat zufolge sparte mit 18 von 27 Ländern aber eine Mehrheit der Mitgliedstaaten 15 Prozent oder mehr Gas ein.

Wegen des Ukraine-Kriegs und der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen hatte sich die EU in ihrem Gas-Notfallplan ein freiwilliges Einsparziel auferlegt. Die Mitgliedsländer sollen seit Anfang August bis März kommenden Jahres 15 Prozent einsparen - verglichen mit dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre dieser Periode. Wie die 27 EU-Länder ihre Nachfrage senken, bleibt ihnen überlassen. Das deutsche Einsparziel lautet 20 Prozent.

In Deutschland war im September die Energiesparverordnung in Kraft getreten, um den Gas- und Stromverbrauch zu senken. Diese gibt unter anderem vor, dass Geschäftstüren nicht dauerhaft offenstehen, Leuchtreklamen ab 22.00 Uhr erlöschen und Denkmäler nicht angestrahlt werden. Am Arbeitsplatz sollen 19 Grad Raumtemperatur ausreichen, in öffentlichen Gebäuden bleiben die Flure kalt.