Bosch erfindet sich neu : Der große Umbau von Bosch: Weg vom Auto – und aus Deutschland

Bosch Zentrale Deutschland

Die Bosch-Zentrale in Stuttgart – Ausgangspunkt des größten Umbaus in der Firmengeschichte.

- © Bosch

In Milwaukee, Wisconsin schlägt das Herz von Johnson Controls – 22 Milliarden Euro Umsatz mit Klimaanlagen, Gebäudetechnik, Kaltwassersätzen, Wärmepumpen, Energiespeichern und Smart-Buildings. Kurz gesagt: alles, was man braucht, wenn das Auto nicht mehr das Lieblingskind der Ingenieure ist. Und genau hier liegt auch die Zukunft von Bosch - nicht in Stuttgart am Neckar.

Im vergangenen Jahr haben die Schwaben mit einer Anleihe über fünf Milliarden Euro den größten Kredit ihrer Firmengeschichte aufgenommen um für acht Milliarden den größten Zukauf ihrer Firmengeschichte zu tätigen: Das Klimatechnik und Haushaltstechnikgeschäft von Johnson Controls.

Die Amerikaner sind keine Unbekannten. Bosch und Johnson Controls hatten schon mal ein gemeinsames Baby – ein Batterie-Joint-Venture. Bosch stieg in den 2010er Jahren aus, Johnson Controls zog das Geschäft groß und spaltete es später als Clarios ab.

Und jetzt? Holt Bosch die alten Bekannten wieder ins Haus – diesmal mit Klimaanlagen statt Autobatterien.

Das Signal ist klar: Bosch will so weit wie möglich weg aus dem Autogeschäft – und, wenn man ehrlich ist, auch ein Stück weit weg aus Deutschland. 

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Das Auto-Problem

Bosch ist mit rund 56 Milliarden Euro Umsatz im Automotive-Bereich immer noch der größte Autozulieferer der Welt. Früher war er auch einer der profitabelsten.

Heute bleibt davon: eine Marge von gerade einmal drei Prozent, weit weg von den 7-8 Prozent die nötig sind, in kostspieligen Investitionszyklen, die so schnell sind wie ein Tesla-Update.

Schlimmer noch: Bei den wirklich wichtigen Zukunftstechnologien haben die Stuttgarter die falschen Abzweigungen genommen.

Kein CATL Europas

Bosch hätte alles gehabt, um zentraler Bestandteil eines europäischen Konsortiums in diesem Bereich zu sein: Automatisierung, Chemie, Software, Fertigung – kurz: die halbe Periodentafel im eigenen Haus. Und trotzdem? 2018 stieg Bosch offiziell aus der Zellfertigung aus. Das Signal war: Wenn selbst Bosch das nicht macht, dann lieber Finger weg. CATL und LG hat das gefreut. Europa blieb abhängig von Asien.

Kein Google der Autoindustrie

Auch im Softwarebereich blieb Bosch weit hinter den eigenen Ambitionen zurück.
Bis Mitte der 2020er-Jahre sollten 50.000 Entwickler weltweit an Bord sein – ein Mix aus Neueinstellungen und umgeschulten Ingenieuren. Damit wäre Bosch einer der größten Software-Arbeitgeber Europas geworden.

Die Logik: Im Auto der Zukunft stammen 30 bis 40 Prozent der Wertschöpfung aus Software – von Betriebssystem über Fahrerassistenz bis Infotainment.

Doch die Transformation zur Plattformökonomie misslang. Tech-Giganten wie Google (Android Automotive), Apple (CarPlay) oder Amazon (AWS) drängen ins Auto. Gleichzeitig bauen OEMs ihre eigenen Systeme: VW mit CARIAD, Mercedes mit MB.OS, Tesla als Vorbild für vollständige Integration.

Bosch blieb dazwischen stecken: stark bei Embedded Systems – Steuergeräte, Sensorik, Brems- und Antriebssoftware – aber ohne Plattformmacht bei Fahrzeug-Betriebssystemen und großen Software-Stacks.“

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Die Dieseleinspritzpumpe – Symbol für Bosch’ Erfolg als weltgrößter Autozulieferer, heute aber ein Auslaufmodell.

- © Bosch

Der Umbau hat begonnen

Die Konsequenzen aus den Fehlschlägen sind klar: Bosch baut um.
Weg vom Auto, weg aus Europa – hinein in neue Branchen und neue Märkte.

Doch der Preis ist hoch: Bis 2030 sollen weltweit bis zu 22.000 Stellen verschwinden – allein in Deutschland 13.000 Arbeitsplätze in der Automotive-Sparte. Das ist ein in der 150-jährigen Firmengeschichte bisher beispielloses Job-Abbau-Programm und entspricht in etwa jedem zehnten Job.

Die Streichliste liest sich wie ein Streifzug durch die Industriegeschichte:

  • Stuttgart-Feuerbach: 1.200 Jobs weg, nach über 100 Jahren Motorenfertigung.
  • Reutlingen: Bis zu 1.100 Stellen, dort wo Steuergeräte und klassische Elektronik gefertigt werden – parallel zur Halbleiterproduktion.
  • Homburg: 1.200 Jobs bei elektrischen Antriebskomponenten.
  • Bühl: Rund 1.500 Stellen bei Kleinantrieben.

Und auch in der Software wird der Rotstift angesetzt: In Leonberg, Abstatt, Renningen fallen im Bereich Cross-Domain-Computing mehrere tausend Jobs in der Entwicklung von Fahrzeugsoftware.

Nicht nur Deutschland ist betroffen: In Frankreich und Ungarn werden Werke für Einspritztechnik und Abgasnachbehandlung verkleinert.

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In der Sparte Bosch Mobility entstehen Komponenten für Antriebe, Elektronik und Fahrzeugsysteme – doch der Bereich steht vor tiefgreifendem Umbau.

- © Bosch

Neue Märkte – neue Strategie

Gleichzeitig investiert Bosch massiv – in Bereiche, die mit der klassischen Autoindustrie kaum noch zu tun haben.

  • Gebäudetechnik: Wärmepumpen, Heizungs- und Klimasysteme, Smart-Home-Lösungen. Allein hier macht Bosch bereits über 20 Milliarden Euro Umsatz.
  • Energie & Speicher: Stationäre Batterien, Energiemanagement, Ladeinfrastruktur für E-Autos.
  • Halbleiter: die geplante, neue DNA des Konzerns.

Ein Symbol dafür ist die Chipfabrik in Roseville, Kalifornien. Bosch steckt dort knapp zwei Milliarden Dollar in den Umbau zur Produktion von Siliziumkarbid-Chips – Schlüsseltechnologie für effizientere Leistungselektronik in E-Autos und Ladesäulen. 

Der Standort ergänzt Dresden und Reutlingen, zeigt aber auch: Wachstum sucht Bosch heute lieber in Kalifornien als am Neckar.

Und dann ist da noch Johnson Controls. Weltmarktführer für Gebäudetechnik, mit Kunden vom New Yorker Wolkenkratzer bis zur asiatischen Produktionshalle.

Ein Zukauf mit Wucht: 22 Milliarden Euro Umsatz auf einen Schlag in einer Branche, die nichts mit Dieselruß und Abgaskatalysatoren zu tun hat – dafür aber viel mit dem steigenden Bedarf durch den Klimawandel, neue Anforderungen bei den Klimazielen, der Energiewende und Smart-Buildings.

Bosch stand über eineinhalb Jahrhunderte für deutsche Ingenieurskunst und technische Präzision – und für den Ethos seines Gründers Robert Bosch, der einst sagte, er verliere lieber Geld als Vertrauen. So wurde der Name auch zum Synonym für soziale Verantwortung und Standorttreue.

Der Name Bosch hat bis heute Gewicht. Doch was jetzt entsteht, könnte zum ersten Mal in der 150-jährigen Geschichte ein völlig neues Unternehmen sein.