Pharmaindustrie : Boehringer-Ingelheim investiert 2022 kräftig, erwartet aber weniger Gewinn

Philipp von Lattroff, Gneraldirektor Boehringer-Ingelheim
© Boehringer-Ingelheim

Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim will nach guten Geschäften im vergangenen Jahr seine Forschungsausgaben auf ein neues Rekordniveau steigern. Bis 2025 erwartet das traditionsreiche Unternehmen bis zu 15 neue Produkteinführungen, wie Boehringer Ingelheim am Dienstag mitteilte. In Wien hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren viel Geld investiert, ab 2023 soll in Niederösterreich in Bruck an der Leitha eine neue Fabrik für 1,2 Mrd. Euro entstehen.

Im aktuellen INDUSTRIEMAGAZIN verweist Philipp von Lattorff, Generaldirektor von Boehringer Ingelheim, der von Wien aus als Geschäftsführer des Regional Centers Vienna sowohl die Ukraine als auch Russland aber auch auf die Auswirkungen der Russlandkrise. „Selbstverständlich erwarten wir finanzielle Einbußen. Aus heutiger Sicht ist eine Vorhersage der weiteren Entwicklungen schwierig. Fest steht aber: Europa befindet sich in einer Krise, deren Ende derzeit
nicht abzusehen ist.“

Was das Geschäft anlangt, so sei es für Boehringer Ingelheim als Pharmaunternehmen gerade jetzt wichtig, die Menschen vor Ort mit Medikamenten zu versorgen. „Das ist in der Ukraine derzeit sehr schwierig, Russland kann weiter beliefert werden", sagt Lattroff.

An seinen Investitionsvorhaben hält das Unternehmen indessen fest. Insgesamt sollen weit über sieben Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren in die Produktion investiert werden, in die Forschungspipeline sollen im gleichen Zeitraum mehr als 25 Milliarden Euro fließen. 2021 gab Boehringer mit 4,1 (Vorjahr: 3,7) Milliarden Euro so viel Geld wie noch nie für Forschung und Entwicklung in seiner 137-jährigen Firmengeschichte aus.

Österreich bekommt grünes Top-Projekt

Österreich ist in der neuen Investitionsstartegie des Unternehmens prominent vertreten: Der Konzern baut eine neue Produktionsanlage in Bruck an der Leitha. Diese soll 2026 in Betrieb gehen und 1,2 Mrd. Euro kosten. 800 Arbeitsplätze entstehen in der niederösterreichischen Bezirksstadt, die an der Grenze zum Burgenland liegt. Der Spatenstich im Wirtschaftspark ecoplus an der Ostautobahn A4 soll 2023 erfolgen, wie Österreich-Chef Philipp von Lattorff vergangene Woche sagte.

In der BioNex genannten biopharmazeutischen Anlage sollen Medikamente gegen Krebs, Herzinfarkte und Schlaganfälle hergestellt werden. Im Grunde handelt es sich um eine ähnliche Anlage wie jene, die Boehringer Ingelheim zwischen 2015 und 2021 in Wien baute. Nach den 700 Mio. Euro in Wien seien die 1,2 Mrd. Euro in Bruck die zweite Großinvestition in Österreich binnen weniger Jahre. Wegen höherer Preise und höherer Standards für die Ökologie falle das Investitionsvolumen nun höher als in Wien aus, sagte von Lattorff.

Das Unternehmen betonte, dass die nahe gelegenen Windräder eine Rolle bei der Standortentscheidung gespielt hätten. Die Anlage soll möglichst wenig CO2 ausstoßen, die Rede war von einer klimaneutralen "Green Factory". Geplant sind auch Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern, der Großteil der benötigten Energie soll aus einer Hackschnitzelanlage am Werksgelände kommen. Das Grundstück, derzeit noch ein Acker, ist bereits als Industriegebiet gewidmet.

Der für die Biotech-Anlagen zuständige Manager Torsten Mau sagte, das Ziel sei nicht, die Treibhausgas-Emissionen durch Geldzahlungen auszugleichen, sondern die Emissionen durch das Design der Prozessabläufe tatsächlich zu vermeiden. Der hohe prozessbedingte Energiebedarf in der Produktion - die Anlage braucht unter anderem Dampf - soll hauptsächlich über das Biomassekraftwerk laufen. Die CO2-Neutralität sei das erklärte Ziel, so Mau. Details soll eine Machbarkeitsstudie zeigen.

Gewinnrückgang wegen Forschungsausgaben

Für 2022 rechnet Boehringer wegen der verstärkten Investitionen in Forschung und Entwicklung allerdings mit einem leicht geringeren Betriebsergebnis. Im vergangenen Jahr war es noch auf 4,7 (2020: 4,6) Milliarden Euro gestiegen. Die Erlöse dürften bereinigt um Währungs- und Sondereffekte leicht zulegen. Für Unsicherheit sorgten die anhaltende Corona-Pandemie, die Unterbrechungen der weltweiten Lieferketten, die geopolitischen Spannungen in Europa und ein schwieriger werdendes Industrieumfeld.

Im vergangenen Jahr kletterte der Umsatz des Familienunternehmens um mehr als fünf Prozent auf 20,4 Milliarden Euro. Dabei kamen Boehringer deutliche Zuwächse bei seinem Diabetesmittel Jardiance und dem Lungenmedikament Ofev zugute. Aber auch die Umsätze mit Tierarzneien zogen deutlich an - vor allem im Haustierbereich, während das Nutztiergeschäft wegen der Afrikanischen Schweinepest nur mäßig wuchs. Dank starker Nachfrage baute Boehringer auch den Umsatz im biopharmazeutischen Auftragskundengeschäft kräftig aus. Unter dem Strich verdiente der Konzern im vergangenen Jahr 3,4 Milliarden Euro, ein Plus von gut elf Prozent.