Ab Dienstag in der Früh : Streiks in der Metallindustrie flächendeckend?

Streik in der Metallindustrie Österreich Eine ?ffentliche Betriebsversammlung der ARGE Aufz?ge im Rahmen von Warnstreiks bei der Metalltechnischen Industrie (FMTI) nach dem Scheitern der vierten Verhandlungsrunde um den Metaller-KV am Montag, 6. November 2023, in Wien.

Streiks in der Metalltechnischen Industrie: Seit 4.30 am Dienstag in der Früh wird die Einfahrt für LKWs im Industriepark Arnoldstein (Kärnten) blockiert.

- © ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Es war ein langer Verhandlungstag, der schon vor Verhandlungsbeginn, am Montag um 11 Uhr in den Räumlichkeiten der Wirtschaftskammer im 4. Bezirk in Wien, in angespannter Stimmung begonnen hat: Beide Seiten erwarteten von der Gegenseite, dass sich diese bewegt. Es war wohl zu wenig Bewegung. Um Punkt 10 Uhr Abends haben die Gewerkschaftsverhandler die Runde verlassen und sich im erweiterten Vorstand das Plazet für den Streikbeschluss geholt.

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Dabei ist die Arbeitgeberseite der Gewerkschaft zuletzt deutlich entgegengekommen: Das letzte FMTI-Angebot lag bei einem durchschnittlichen Plus von 8,2 Prozent, bestehend aus rund 6 Prozent Lohnerhöhung und netto 1.200 Euro Einmalzahlung. Für die niedrigsten Gehaltsgruppen in der Metallindustrie hätte das Lohnplus sogar bis zu 12 % betragen, heisst es aus Verhandlerkreisen. "Die Blockadepolitik der Gewerkschaft ist unverständlich und inakzeptabel, sie beharren weiterhin auf ihrer Forderung und bewegen sich keinen Millimeter" sagt Christian Knill, Chefverhandler der Arbeitgeberseite. "Wir haben in den letzten Wochen acht verschiedene Angebote vorgelegt, die die sehr schwierige wirtschaftliche Situation berücksichtigen. Auch unser heutiges Angebot, das in Summe über 8 % mehr Lohn für die Beschäftigten gebracht hätte, wurde schlussendlich vom Tisch gewischt. Für dieses Verhalten hat niemand mehr Verständnis".

Erster Streik im Industriepark Arnoldstein schon um 4.30 früh, bei Trumpf seit 8 Uhr.

In rund 200 Unternehmen wurden Streikkomitees gebildet, wie viele Mitarbeiter sich beteiligen werden ist jedoch unklar. Geplant ist, bis Freitag jeweils eintägige Streiks in den Unternehmen, in denen Streikbeschlüsse gefasst wurden, durchzuführen. Bei Warnstreiks vergangene Woche haben die Beschäftigten in jedem 6. Betrieb der Metalltechnischen Industrie teilgenommen.

Die erste Arbeitskampfmaßnahme hat bereits heute, Dienstag, um 4.30 früh im Industriepark Arnoldstein stattgefunden. Seit den frühen Morgenstunden soll hier die Einfahrt für Lkws blockiert werden. Im Industriepark gibt es rund 40 Unternehmen mit rund 750 Mitarbeitern. Bei der Maschinenbaufirma Trumpf in Pasching in Oberösterreich mit dort insgesamt 830 Mitarbeitenden meldeten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Frühschicht dienstbereit, traten aber in den Streik. Am Firmeneingang waren zwei Streikposten stationiert. Der Streik soll um 22 Uhr beendet sein.

Im ORF-Morgenjournal sagte Reinhold Binder von der Gewerkschaft PRO-GE in den Morgenstunden, dass die Streikmaßnahmen auch auf alle 1200 Betriebe der Metallindustrie ausgeweitet würde, sollte kein Angebot der Arbeitgeber kommen. Ein "Teuerungsausgleich ist das Mindeste", sagte Binder. In den Verhandlungen wird von einer rollierenden Inflation von 9,6 Prozent ausgegangen - das ist die durchschnittliche Inflation von September 2022 bis zum selben Monat heuer. Insgesamt lautet die Forderung der Arbeitnehmervertreter auf 11,6 Prozent. Binder betonte mehrmals, dass die Geschäfte in der Vergangenheit gut gelaufen sind. "Wir kämpfen um das Geld, das bereits am Konto der Firmen angekommen ist."

"Jede Form der Blockade wird zur Anzeige gebracht."

„Es reicht. Wir haben am Verhandlungstisch alles versucht" sagte Arbeitnehmerverhandler Reinhold Binder von der Gewerkschaft PRO-GE. "Es gibt nach einem Verhandlungsmarathon von sieben Wochen noch immer keine Bereitschaft der Arbeitgeber, ein faires Angebot für nachhaltige Lohn- und Gehaltserhöhungen auf den Tisch zu legen. Die Streikbereitschaft ist riesengroß und das bekommen sie jetzt zu spüren“, so Binder. Die Streikziele der Gewerkschaft sind unter anderem: Eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 11,6 Prozent. Die Bezahlung der Streikstunden durch die bestreikten Unternehmen. Sowie die Vereinbarung eines weiteren Verhandlungstermins.

Dabei verlief der Tag turbulent - elf Stunden sind die Verhandler zusammengesessen. Zwischenzeitlich hatte sich tagsüber auch das Finanzministerium in die Verhandlungen eingeschalten. Finanzminister Brunner hat einen Plan vorgestellt, um Einmalzahlungen für Angestellte zu verbessern, was die Arbeitgeber gerne sehen würden.

Dem nun folgenden Streik wollen sich die Arbeitgeber mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten kündigte Knill an. "Jede Form von unzulässiger Behinderung oder Blockade wird zur Anzeige gebracht. Klar ist auch, dass die Streikenden für die Zeit der Arbeitsniederlegung keinen Lohn erhalten, dafür sind jetzt die Gewerkschaften zuständig. In jedem Fall bedeutet dies für die Streikenden Lohneinbußen."

Tatsächlich ist die Entlohnung der Streikenden unklar: Arbeitgeber-Chefverhandler Christian Knill sagte vor dem Abbruch der Verhandlungen, dass, sollte es zu einem Streik kommen, die Arbeitnehmer abgemeldet würden und über den Streikfonds entschädigt würden. Diese Entschädigung ist jedoch niedriger als der Lohn. Die Entschädigungshöhe hänge letztlich davon ab, wie lange man der Gewerkschaft angehört, sagte Gewerkschafter und Verhandler auf der Arbeitnehmerseite, Karl Dürtscher. Streiks in der Metallindustrie sind höchst selten: In der Metallindustrie gab es in den letzten Jahren Streiks in rund 200 Betrieben mit 100.000 Arbeitnehmern im Jahr 2011 sowie in über 240 Betrieben mit mehr als 70.000 Beschäftigten im Jahr 2018.

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FMMI-Obmann Christian Knill
Christian Knill, Chefverhandler Metalltechnische Industrie: "Die Blockadepolitik der Gewerkschaft ist unverständlich und inakzeptabel, sie beharren weiterhin auf ihrer Forderung und bewegen sich keinen Millimeter" - © Kanizaj

Solidaritätsstreiks - zulässig und zu entlohnen?

"Am Ende des Tages bringt dieses kompromisslose Verhalten das Risiko, dass Arbeitsplätze in unserer Branche verloren gehen" sagte Knill in einer ersten Reaktion. "Es ist sehr schade für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass die Gewerkschaften auf deren Rücken Politik machen, anstatt gemeinsam für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Branche und damit Wohlstand und Sicherzeit einzutreten. Jetzt streiken, das versteht niemand mehr."

Ob es zu Solidaritätsstreiks in Unternehmen anderer Branchenverbände kommt, ist unklar. Ebenso unklar ist selbst unter Experten die Zulässigkeit von Arbeitsniederlegungen in den fünf anderen Branchenverbänden der Metallindustrie. Seit 2011 verhandeln die einzelnen Fachverbände Bergbau/Stahl-, Gießerei-, Fahrzeug-, die Nicht-Eisen-Metallindustrie und die Metalltechnische Industrie separat ihre Kollektivverträge. Allerdings sind seit zwölf Jahren nur die Termine gestaffelt und tatsächliche Verhandlungen finden lediglich in der größten - und traditionell renditeschwächsten - Branche, der Metalltechnischen Industrie statt.

Sobald in diesem Fachverband eine Einigung erzielt wurde, übernehmen die anderen Branchenverbände diese. Unternehmen aus der Fahrzeug-, Stahl- und Gießereiindustrie haben kürzlich ein Gutachten erstellen lassen. Dieses besagt, dass Solidaritätsstreiks für andere Fachverbände nicht legitim sind. Zwar ist ein Streik erlaubt, jedoch nicht für die Forderungen eines anderen Fachverbands, da dadurch das eigentliche Streikziel formell nicht erreicht werden könne. Geschädigte Unternehmen anderer Fachverbände könnten laut Experten wie Wolfgang Mazal, dem stellvertretenden Vorstand des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien, hier eine Unterlassungsklage einreichen.

Die Metallbranche beschäftigt mehr als 137.000 Menschen und sichert damit indirekt an die 300.000 Arbeitsplätze in Österreich. Im Jahr 2022 betrug ihr Produktionswert rund 49,5 Milliarden Euro. Der Verband für Metalltechnik, der aus den ehemaligen Verbänden Maschinenbau- und Metallwarenindustrie sowie Gießereiindustrie zusammengeschlossen wurde, ist eine wichtige eigenständige Organisation innerhalb der Wirtschaftskammer Österreich und zählt zu den größten Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden des Landes.

Reinhold Binder Gewerkschaft Streik Metaller
Metallerverhandler rund um Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der PRO-GE: Bis 17. November rufen die Gewerkschaften vorerst in rund 200 Betrieben der Metalltechnischen Industrie (FMTI) zu eintägigen Streiks auf. - © Daniel Gürtler
Die Industriemagazin News: Streiks bei den Metallern nach KV-Verhandlungen & Steyr Automotive prüft Kurzarbeit