Lieber Streik als zu hoher Abschluss : Knill zu Metaller-KV: "Ergebnis nur am Verhandlungstisch erreichbar"

ABD0019_20230907 - WIEN - ÖSTERREICH: Obmann Christian Knill anl. des Pressegesprächs der WKÖ - Fachverband Metalltechnische Industrie (FMTI) "Metalltechnische Industrie ? Branchenausblick zum Start der KV-Runde, aufgenommen am Donnerstag, 07. September 2023, in Wien. - FOTO: APA/EVA MANHART
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Die Arbeitgeber in der Metallindustrie wollen sich durch die neuerlichen Warnstreiks nicht in die Knie zwingen lassen. "Wir fürchten uns nicht vor einem Streik", sagte KV-Chefverhandler Christian Knill am Dienstag nach einem dramatischen Verhandlungsmarathon der Montags von 11 Uhr vormittags bis um 22 Uhr am Abend ging. Vielen auf der Arbeitgeberseite sei ein Streik lieber als ein zu hoher Abschluss. "Aber es ist natürlich für keinen lustig."

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Nach dem Scheitern der sechsten Runde der KV-Verhandlungen der Metallindustrie am späten Montagabend haben die ersten Frühschichten am Dienstag mit eintägigen Streiks begonnen, die in den nächsten Tagen in rund 200 Betrieben fortgesetzt werden sollen. Die Streiks würden nichts an den wirtschaftlichen Tatsachen ändern, sagte Knill. "Es ist eine Protestaktion, bei der vielleicht jeder seinen Frust ein bisschen los wird - aber ein Ergebnis werden wir trotzdem nur am Verhandlungstisch erreichen können." Die Arbeitgeber stünden jederzeit zu weiteren Gesprächen bereit, "wir könnten auch sofort wieder weiterverhandeln".

Im Wesentlichen spießt es sich daran, dass die Gewerkschaften Lohnerhöhungen um die "rollierende Inflation" plus 2 Prozent fordern - also eine Abgeltung für die Inflation für einen gleitenden Zeitraum von zwölf Monaten und einen Zuschlag. Diese 2 Prozent seien "willkürlich", meint Knill. Die Arbeitnehmer hätten am Anfang der Gespräche immer wieder die "Benya-Formel" ins Treffen geführt, die für Lohnerhöhungen die Abgeltung der Inflation plus einen Anteil am Zuwachs der Produktivität vorsieht. "Die gesamtwirtschaftliche Produktivität ist aber mit 1,3 Prozent negativ", so der Obmann des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie (FMTI) zur APA. "Deshalb sollte nach der Benya-Formel weniger herauskommen als die rollierende Inflation von 9,6 Prozent."

VIDEO: Nach den KV-Verhandlungen der Metaller am Montag gibt es weiterhin keine Einigung zwischen den Arbeitgebern und der Gewerkschaft, die Folge sind Streiks bis kommenden Freitag. Ob es zu Solidaritätsstreiks in anderen Branchen der Metallindustrie kommt, ist vorerst unklar. Unklar ist auch, ob diese überhaupt zulässig wären.

Knill: "Auftragslage habe sich seit Herbst 2022 verschlechtert"

Die Auftragslage der Unternehmen habe sich seit Herbst 2022 verschlechtert, sagte Knill. Im ersten Halbjahr 2023 seien die Aufträge um 18 Prozent zurückgegangen. Angesichts dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation könnten die Unternehmen den Kaufkraftverlust nicht allein schultern, "das bricht uns das Genick, das können wir einfach nicht". 90 Prozent der rund 1.200 Unternehmen seien kleine und mittlere Unternehmen. "Das sind nicht die großen Unternehmen, die Dividenden ausschütten und die Arbeitnehmer ausbeuten."

Knill bezifferte die Personalkosten seiner Branche mit 10 Mrd. Euro, ein Prozent Erhöhung koste also 100 Mio. Euro. "Unser Angebot - die 6 Prozent nachhaltig plus die Einmalzahlung - sind im Schnitt rund 8,2 Prozent. Das bedeutet hochgerechnet 820 Millionen Mehrkosten."

Knill appellierte an die Streikenden, "dass sie aufpassen, was sie machen". Es sei beim Streik nicht alles erlaubt: "Streik ist eine Arbeitsniederlegung, aber nicht eine Blockade oder Behinderung von Arbeitsabläufen." Wenn es zu Abmeldungen von streikenden Mitarbeitern kommen sollte, dann würde das nicht den Verlust der Versicherung bedeuten. Das Entgelt für die Streiktage werde am Monatsende vom Lohn abgezogen.


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Derzeit beträgt der monatliche KV-Mindestlohn in der Branche 2.230 Euro brutto. Der Durchschnittslohn bei Arbeitern beträgt nach Angaben der Arbeitgeber 3.670 Euro, das Durchschnittsgehalt bei Angestellten 5.100 Euro.

Der Wifo-Experte Benjamin Bittschi rechnet aufgrund der seit Dienstagfrüh laufenden Streiks in der Metallindustrie vorerst nicht mit gewichtigen Einbußen für die Arbeitgeber. "Gerade durch die Rezession und eine gewisse Nachfrageschwäche ist es tendenziell so, dass es für die Arbeitgeber ein günstiger Moment für Streiks ist", sagte der Ökonom im Gespräch mit der APA. In der Produktion seien die Ausfälle dadurch geringer als dies in einer Phase der Hochkonjunktur der Fall wäre.

Anders gestalte sich die Lage allerdings, sollten die Streiks ausgeweitet werden. "Das wird sicher spürbar sein", so Bittschi. Aus Sicht des Ökonomen bleibt es daher abzuwarten, welche Dimensionen die Arbeitsniederlegungen noch annehmen werden. Der Arbeitnehmerverhandler der Gewerkschaft PRO-GE, Reinhold Binder, hatte zuvor eine etappenweise Ausweitung der Streiks in Aussicht gestellt, sollten sich die Arbeitgeber nicht weiter auf die Arbeitnehmer zubewegen.

Die Arbeitgeber hatten im Rahmen der gestern gescheiterten Verhandlungsrunde ein neues Angebot vorgelegt. Sie schlugen sozial gestaffelte Lohn- und Gehaltserhöhungen von durchschnittlich 6 Prozent (2,7 Prozent plus 130 Euro monatlicher Fixbetrag als nachhaltige Lohn-bzw. Gehaltserhöhung) sowie eine steuerbefreite Einmalzahlung von netto 1.200 Euro vor. Für Bittschi ist das "zwar eine Bewegung von den Arbeitgebern", das Angebot liege aber "immer noch deutlich unter der rollierenden Inflation". "Und von dem her glaube ich, ist es für die Gewerkschaften schwer zu akzeptieren."

Für das Argument der Arbeitgeber, dass die wirtschaftliche Lage derzeit schwierig und die Aussichten nicht sonderlich rosig seien, äußerte Bittschi Verständnis. "Auf der anderen Seite waren gerade die letzten zwei Jahre (2021/22, Anm.) sehr gut." Die Unternehmen hätten dadurch Möglichkeiten gehabt, sich finanzielle Polster aufzubauen. In der mittelfristigen Perspektive sei auch die Stundenproduktivität in der Industrie "mit Sicherheit deutlich positiv" gewesen. (APA/red)

Download von www.picturedesk.com am 14.11.2023 (10:34). ABD0013_20231114 - WIEN - ?STERREICH: Ein Streik am Dienstag, 14. November 2023, nach Abbruch der 6. Verhandlungsrunde der Metalltechnischen Industrie (FMTI) vor dem Firmenstandort der iSi GmbH in Wien. - FOTO: APA/MAX SLOVENCIK - 20231114_PD1604 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)
"Sollten die Streiks ausgeweitet werden, wird das sicher spürbar sein", sagt der Wifo-Experte Benjamin Bittschi. Im Bild: Streik am heutigen Dienstag nach Abbruch der 6. Verhandlungsrunde der Metalltechnischen Industrie vor dem Firmenstandort der iSi GmbH in Wien - © MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com