Herr Ecker, Sie haben die Geschäftsleitung von Steyr Automotive am 1. Juni 2022 übernommen. Die Firma war damals in einer schwierigen Lage. Aufgrund fehlender Kabelbäume wurde die Auftragsfertigung für MAN zeitweise ausgesetzt. Und dann haben sie auch die Kooperation mit der russischen GAZ aufgeben müssen und das Unternehmen vollkommen neu ausrichten. Einziger Lichtblick war die kürzlich erfolgte Ausweitung des Fertigungsauftrags für Volta Trucks. Warum tut man sich als Manager so etwas an?
Johann Ecker: Zu den Versorgungsproblemen: Die gibt es global und das Problem hat derzeit jeder. Das sind nicht nur Kabelbäume, sondern auch viele andere Teile. Vor einem Jahr hat man über fehlende Halbleiter gesprochen und Lieferengpässe in Zusammenhang mit Corona, weil Seehäfen geschlossen waren und deshalb die Teileversorgung nach Europa nicht funktioniert hat, als man in Shanghai beispielsweise den Shutdown hatte. Wenn man irgendwo in dieser Branche tätig ist, dann sind das Themen, mit denen man konfrontiert ist und dann muss man dafür Lösungen finden.
Natürlich hat der Krieg, der im Frühjahr ausgebrochen ist, einen Strategie-Schwenk verursacht für Steyr Automotive. Ursprünglich war der Plan, dass man auf Basis der GAZ-Fahrzeuge westeuropäische Fahrzeuge macht, diese elektrifiziert, homologiert und in Westeuropa verkauft. Dieser Plan musste, salopp gesagt, begraben werden. Die Fahrzeuge waren bereits fertig, die ersten wurden schon produziert. Dann ist der Krieg ausgebrochen und man hat – das ist der Vorteil bei flachen Hierarchien – sehr schnell entschieden: Das müssen wir stoppen und wir müssen uns neu ausrichten. Jetzt planen wir die Strategie neu: Und die sieht vor, dass wir die Fahrzeuge von Grund auf selbst entwickeln und uns nicht mehr auf die Kooperation mit GAZ verlassen können. Das war eine klare Entscheidung und jetzt fährt das Schiff auf Basis dieser neuen Strategie.
Hat Steyr Automotive das Kapital und Entwicklungspotenzial, um Fahrzeuge aus eigener Kraft vollständig neu zu entwickeln oder ist man hierbei wieder auf neue Partner angewiesen?
Ecker: Es gab immer schon eine Entwicklungsabteilung in Steyr, die unter der früheren MAN-Eigentümerschaft von der Entwicklungsabteilung von München aus angesteuert war. Also Know-how ist vorhanden. Dass wir nicht alle Kompetenzen in der Entwicklungsabteilung haben, liegt auf der Hand, weil eben vieles damals in München geschehen ist. Aber da kann man sich auch ergänzen. Es gibt genügend Engineering-Dienstleister, die Lücken auffüllen können, wo wir noch nicht die Kompetenz in der Form aufgebaut haben. Wir sind bestrebt, die Gesamtkompetenz aufzubauen, aber das geht nicht von heute auf morgen. Und vor diesem Hintergrund kooperiert man mit anderen Engineering-Häusern.