Stiwa : Peter Sticht: "Seit damals sind wir anders"
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Stiwa, gegründet von Walter Sticht, ist ein Unternehmen mit drei Standbeinen: Automation, Manufacturing und Software. 2011 übernahm Sohn Peter Sticht gemeinsam mit seinem Bruder die Geschäftsführung. Das INDUSTRIEMAGAZIN hat ihn zum Interview getroffen.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Sticht, im April zogen sie die Software-Aktivitäten des Unternehmens in der Stiwa AMS GmbH zusammen. Weshalb?
Peter Sticht: Da muss ich weiter ausholen. Die ganze Firmengeschichte war sehr lange von der Automation geprägt. Obwohl wir uns schon Anfang der Neunziger Jahre intensiv mit Software auseinandergesetzt hatten, war diese nur Mittel zum Zweck. Die Weichenstellung, auf eigenen Maschinen auch Zulieferteile zu produzieren, brachte eine erste Strategieanpassung.
Von nun an gab es einen großen Bruder, die Automation, und zwei kleinere Geschwister, die Produktion und die Software. Und wie es bei den Kindern ist, kommen die einmal in die Pubertät, werden älter und wollen auch selbständige Wege gehen. Die Neugliederung in drei operative Einheiten Automation, Produktion und Software war letztlich die logische Folge.
Sie selbst - Eigentümer und Holdingchef - sind nun Chef dieser Sparte. Weil die so progressiv ist, dass sie nicht widerstehen konnten?
Sticht: Das ist temporär so gedacht. Es geht jetzt um den Aufbau einer Vertriebseinheit. Zielsetzung ist, die Geschäftsführung der Stiwa AMS GmbH in den nächsten zwei bis drei Jahren in andere Hände zu legen.
Sie haben sich jetzt als Partner für Daten-getriebene Lösungen - Stichwort MES - positioniert. Gibt es dafür nicht eine Menge Mitbewerb?
Sticht: Natürlich ist das Thema seit dem Schlagwort Industrie 4.0 in aller Munde. Und auch für viele Unternehmen interessant. Was uns von Mitbewerbern unterscheidet: Wir kommen aus der Automatisierung, von dort, wo die Daten entstehen. Und bringen damit einen radikal anderen Zugang beim Extrahieren und Verwerten von Daten aus der Maschine - und dem Generieren von Wissen - mit. Unsere Schnittmenge aus Automatisierung, Produktion und Software ist einzigartig.
Haben Sie die besten Algorithmen, den besten Datenbestand? Die besten Entwickler?
Sticht: Das ist mir zu übertrieben. Ich denke, wir beschäftigen uns seit Anbeginn mit den richtigen Dingen. Wie der Standardisierung. Diese bewirkt auch eine höhere Skalierbarkeit. Als Maschinenbauer haben wir uns frühzeitig mit den Steuerungs- und Hardwaretechnik auseinandergesetzt und uns 1996 gefragt, ob wir als Hardwarefabrikat auf Siemens setzen oder einen anderen Weg gehen. Wir haben uns für die Soft-SPS der Firma Beckhoff entschieden. Seit damals sind wir anders als unsere Mitbewerber.
Im Vorjahr erwirtschaftete Stiwa 16 Prozent Plus - ich behaupte einmal, dass Sie als Eigentümer recht viel Freude mit dem Unternehmen haben.
Sticht: Ja natürlich macht mir das Unternehmen Freude. Natürlich braucht es Inputs eines Gründers, eines Visionärs wie meinem Vater. Am Ende macht ein Unternehmen aber die Summe der Mitarbeiter und ihrer Leistungen aus. Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr 330 Millionen Euro Betriebsleistung erwirtschaftet und ein Ergebnis, das über unseren Erwartungen lag.
Natürlich braucht es Inputs eines Gründers, eines Visionärs wie meinem Vater.Peter Sticht
Vom Feiler zum Leiter
War Ihnen immer klar, dass Sie zu Ihrem Vater ins Unternehmen stoßen werden?
Sticht: Ich bin nach dem Studium relativ direkt in das Unternehmen eingestiegen für den Vertrieb im Anlagenbau. Das hat Spaß gemacht, da durfte ich vieles kennen lernen. Vor allem habe ich dort meine Marktorientierung gewonnen. Ende der 90er bin ich dann ins Projektmanagement gewechselt. Das war extrem lehrreich für die weiteren Jahre.
Wie prägte die Firmenwelt Ihre Kindheit?
Sticht: Da gibt es nette Anekdoten. Unsere Eltern haben uns immer früh gefordert und gefördert. Schon im Gymnasium mit 13 Jahren durfte ich in den Ferien in der Firma arbeiten. Ganz am Anfang lernte ich vier Wochen feilen. In späteren Jahren durfte ich einmal mit den ersten Maschinen einer neuen Baureihe produzieren. Da war gerade Betriebsurlaub, ich war also illegalerweise ganz alleine im Unternehmen. Der einzige Begleiter war unser Hund, der mir Gesellschaft leistete. (lacht)
Tipp der Redaktion: Stiwa-Advanced-Products-Geschäftsführer Josef Brandmayr im Podcast-Gespräch
Sie haben die Wandlungsfähigkeit angesprochen. Hat Stiwa die Beharrungskaft in der DNA?
Sticht: Ein Mitarbeiter meinte einmal, die Stiwa ist sehr gut darin, den Karren in den Dreck zu fahren. Aber noch viel besser darin, den Karren aus dem Dreck herauszuziehen. Mit anderen Worten: Man muss sich schon visionäre Ziele setzen. Wir sind hartnäckig und bringen die Dinge auch zu Ende. Das prägt unsere Strategie. Wir haben einen Plan, den wir weiterentwickeln. Dass das keine gerade Linie ist, ist uns allen klar. Aber wir wissen, wo wir hinwollen.
Sie stehen an einem spannenden Punkt: In der Eigenwahrnehmung Mittelständler, ist das Unternehmen doch ein Big Player. Sind Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter, Zielsetzungen in einen Codex gegossen?
Sticht: Natürlich haben wir in unserem Strategieprozess auch Werte verankert. Am Ende ist jedoch das wichtigste die Kompetenz der Mitarbeiter und dass sich alle verstehen. Bei dieser Unternehmensgröße hat nicht jeder die Chance, die ich hatte, als ich Anfang der Neunziger einstieg. Damals waren wir 350 Mitarbeiter, waren regional auf das deutschsprachige Europa begrenzt. Mittlerweile sind wir eine Unternehmensgruppe mit 2.300 Mitarbeitern und Standorten in USA, China und Deutschland. Die nächste Generation muss mit dem Thema Vertrauen und Verantwortung ganz anders umgehen als ich, der mit dem Unternehmen mitwachsen durfte.
Sie haben die aktuelle Gemengelage in den Lieferketten und Märkten angesprochen. Was heißt das alles für Stiwa?
Sticht: Unsere Standardisierung hilft uns in der Vorschauplanung, ebenso die intensiven Kunden-Lieferanten-Beziehungen, die wir pflegen und die uns in die glückliche Lage versetzen, vom Versorgungsthema noch sehr wenig tangiert worden zu sein. Natürlich haben wir auch begonnen, in erneuerbare Energien zu investieren. Wir versuchen, unabhängiger zu werden, ersetzen Öl durch Fernwärme dort, wo es möglich ist. Wir beschäftigen uns auch gerade mit dem Thema Windenergie, haben hier am Standort Attnang-Puchheim mit Windmessungen begonnen.
Welche Märkte performen gut - Amerika, China?
Sticht: Wir sind nach wie vor am chinesischen Markt gut unterwegs und am amerikanischen Markt gerade am Aufbau. Dem verleihen wir auch symbolisch Wert. Der Kaufprozess für ein Grundstück in Fort Mill, südlich von Charlotte, ist vor dem Abschluss. Einer Location, wo wir auch die Facharbeiter bekommen. Und die von Europa aus vernünftig erreichbar ist. Wir starten nächstes Jahr mit dem Rohbau von Büroräumlichkeiten und einer Produktion, sind am Personalaufbau. Zusätzlich zum Geschäftsbereich Automation, das wir dort vor drei Jahren hochzogen, bauen wir den Geschäftsbereich Machining, die zerspanende Fertigung von Teilen für die Automation aber vor allem auch für externe Kunden auf.
Derzeit sind Sie am Standort Fort Mill lediglich eingemietet....
Sticht: Wir haben jetzt 2.400 Quadratmeter Halle und Bürofläche und aktuell 30 Mitarbeiter. Wir sind dort im Bereich Software und Anlagenbau tätig, machen Service und Typeningetration auf bestehenden Anlagen für die USA und betreuen auch Kunden aus Mexiko mit. Mitte nächsten Jahres wollen wir bei aufgestocktem Personalstand mit dem Bereich Machining starten. Die Produktionsmaschinen dafür sind schon bestellt. Natürlich wollen wir im Bereich Automation - der Herstellung von Automatisierungslösungen für unsere Kunden - mit den neuen Räumlichkeiten dann auch größere Projekte wie den eigenständigen Bau kompletter Montageanlagen abwickeln.
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Dass das keine gerade Linie ist, ist uns allen klar. Aber wir wissen, wo wir hinwollen.Peter Sticht
Harte Monate, doch kein Abbruch
Welche Anlagentypen stehen in den USA im Fokus?
Sticht: Das ist kundenabhängig. Grundsätzlich bieten wir weltweit unser gesamtes Portfolio an. Wenn ein neuer Standort entsteht, wird die eigenständige Leistung zunächst eingeschränkt sein. Wir haben auch in China mit einfachen Handarbeitsplätzen begonnen und bauen dort nach knapp acht Jahren, die wir jetzt in China sind, komplette, verkettete Montageanlagen. Ob in weiterer Folge einmal an der US-Westküste auch ein Standort entsteht, das ist ein wenig zu weit in der Zukunft. Wir haben jedenfalls vor, ähnlich wie in China mit der Lehrlingsausbildung in USA zu beginnen. Das haben wir uns für 2024 vorgenommen.
Stand das Expansionsvorhaben irgendwann auf der Kippe angesichts der konjunkturellen Eintrübungen der vergangenen Monate?
Sticht: Wir überlegen uns Projekte im Vorfeld schon ausreichend gut, um sie dann aufgrund eines Ereignisses nicht über Bord werfen zu müssen. Auch wenn uns infolge der Kostenexplosion noch harte Monate bevorstehen.
Tipp der Redaktion: Stiwa-Automation-Geschäftsführer Michael Fuchshuber im Podcast-Gespräch: "Wir werfen unsere Grundsätze nicht über Bord."
Welches Umsatzpotenzial sehen Sie in den USA?
Sticht: Wir rechnen uns für Amerika ähnliches Potenzial aus wie wir es in Europa haben. Asien hätte auf dem Papier wesentlich größeres Potenzial. Nur agieren wir dort nach wie vor in einer Highend-Nische. Auch wenn es in China auch schnell ging. Als wir dort 2014 in einer kleinen Halle begannen, stellten wir uns schon die Frage, ob wir die jemals füllen werden können. Zwei Jahre später hatten wir uns schon verdreifacht. Wiederum zwei Jahre später war dieser Status verdoppelt. Im Minimum erwarte ich mir eine ähnliche Entwicklung im amerikanischen Markt.
Wenn ich auf E-Mobilitätslösungen am US-Markt schiele: Ist es Ihnen eigentlich einerlei, was Sie automatisieren?
Sticht: Wir waren nie im direkten Umfeld des Verbrenners tätig. Vielmehr bei der Peripherie, den Brems- oder Lenksystemen. Wo noch einige Innovationen auf uns zukommen - Stichwort Steer by wire. Auch im Umfeld der E-Mobilität ergeben sich für uns durchaus Chancen, auch durch alternative Treibstoffe.
Nochmals zurück zur Softwaresparte: Für wieviel Neugeschäft wird diese denn gut sein?
Sticht: Da haben wir durchaus große Visionen. Hier kämpfen wir jedoch mit dem Thema Facharbeitermangel. Deshalb dezentralisieren wir diese Bereiche auch stärker, teilen Entwicklungen auf Auslandstandorte auf. Wir haben auch heuer mit einem Office in Wien begonnen.
Sie fassen sowohl Bestandskunden im Anlagenbaugeschäft als auch gänzlich neue Branchen ins Auge?
Sticht: Die Software ist so designt, überall Nutzen zu bringen. Sowohl im Bereich Erneuerbare Energien als auch der Gebäudetechnik.Da gibt es schon einige Kunden, die weder aus unserem klassischen Produktions- oder Automatisierungsbereich kommen.
Lässt sich das Geschäft mit Software dann bequem vom Schreitisch aus monetarisieren?
Sticht: (lacht): Das wär vielleicht der Wunsch, ist aber nicht die Realität. Das haben uns die letzten Jahre der Pandemie gezeigt: Sie brauchen, egal was sie tun, den persönlichen Kontakt zum Kunden. Es braucht neben der Technik und der kaufmännischen Ebene auch die Beziehungsebene. Also nein: Software zu verkaufen und dabei im Büro zu sitzen und Geld zu zählen, ist eine Utopie.
ZUR PERSON
Peter Sticht, 57,
ist nach seinem Wirtschaftsstudium an der JKU 1986 in das Unternehmen eingestiegen - beginnend im Vertrieb für den Anlagenbau. 2011 kam es bei Stiwa zum Generationenwechsel, Peter Sticht übernahm gemeinsam mit seinem Bruder Raphael von seinem Vater, Firmengründer Walter Sticht, die Geschäftsführung. Seitdem ist er geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Peter Sticht ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Seine Tochter ist ebenfalls bereits im Unternehmen beschäftigt.