Industriekongress 2024 : Greiner Packaging CEO Beatrix Praeceptor: "Wie soll man ein globales Unternehmen leiten, wenn man alles mit der Brille aus dem Kremstal betrachtet?"

Greiner Packaging CEO Beatrix Praeceptor auf der Bühne des Industriekongress des INDUSTRIEMAGAZIN

Greiner Packaging CEO Beatrix Praeceptor auf der Bühne des Industriekongress des INDUSTRIEMAGAZIN

- © Matthias Heschl

"Natürlich hat sich die Welt verändert", sagt Beatrix Praeceptor auf der Bühne des 13. Industriekongresses des INDUSTRIEMAGAZIN. Greiner Packaging sei als globales Unternehmen ebenfalls von Tranformationsprozessen, geopolitischen Spannungen oder dem Fachkräftemangel betroffen, so die gebürtige Wienerin. Mit mehr als 30 Produktions- und Vertriebsstandorten in 16 europäischen Ländern, den USA, in Mexiko und Indien sei das Unternehmen aber von den großen globalen Verwerfungen noch verschont geblieben. Dennoch erfordert die zunehmende Komplexität der Märkte und Lieferketten eine gezielte und differenzierte Herangehensweise. „Je komplexer es wird, umso eher muss ich mir einfach überlegen, was kann ich beeinflussen? Und was liegt in meinem Einflussbereich?“, erläutert Praeceptor. Personell, so die CEO, müsse aber auch Greiner Packaging auf die Trends der Zeit eingehen. Mehr als 4.800 Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen mit Hauptsitz in Kremsmünster.

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Volatilität ist für Praeceptor zur neuen Normalität geworden. Die Unvorhersehbarkeit gehört zum neuen Alltag. Weltweit gebe es heute viele fragile Komponenten, die alle miteinander verbunden seien. Für viele Kunden stehe daher auf der Agenda, die Lieferketten näher an die Produktionsstandorte zu verlagern. Eine zentrale Strategie von Greiner Packaging ist es, stets nahe an den Kunden zu bleiben. Diese Nähe ermöglicht es dem Unternehmen, flexibel und schnell auf die Bedürfnisse und Veränderungen der Kunden zu reagieren. In den letzten Jahren haben sich viele Kunden verstärkt darauf fokussiert, ihre Lieferketten zu verkürzen und die Produktion näher an ihre Hauptstandorte zu verlagern. Dies ist eine Reaktion auf die wachsende Komplexität und Unsicherheiten in globalen Lieferketten. Ein bemerkenswertes Beispiel ist ein erfolgreiches Start-up-Unternehmen, das früher seine Produkte in China herstellen ließ und nun exklusiv bei Greiner Packaging in Österreich produzieren lässt.

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Resilient gegen globale Störungen

Diese Verlagerung der Produktionsstandorte ist Teil einer breiteren Tendenz, die Greiner Packaging bei vielen seiner Kunden beobachtet. Unternehmen suchen nach Wegen, um ihre Lieferketten zu vereinfachen und die Kontrolle über ihre Produktion zu erhöhen. Dies schafft nicht nur eine engere Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, sondern stärkt auch die Resilienz gegenüber globalen Störungen.

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Greiner Packaging hat sich strategisch auf diese Veränderungen vorbereitet und analysiert kontinuierlich, in welchen Märkten und Bereichen Wachstumspotenzial besteht. Die veränderten Bedingungen erfordern eine ständige Anpassung der Geschäftsstrategie, um den neuen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können. Durch die Nähe zu den Kunden und die Flexibilität in der Produktion zeigt sich Greiner Packaging gut aufgestellt, um auch in einer zunehmend komplexen Welt erfolgreich zu agieren. Praeceptor fasst zusammen: „Wir sehen das bei vielen unserer Kunden, dass die auf diese wachsende Komplexität mit Vereinfachung reagieren.“

Beatrix Praeceptor hat am 1. Mai 2023 die Leitung von Greiner Packaging International GmbH übernommen und tritt damit die Nachfolge von Manfred Stanek an, der in den Vorstand der Greiner AG wechselte. Praeceptor bringt umfassende internationale Erfahrung und Führungskompetenz mit, die sie in ihrer vorherigen Rolle als Chief Procurement Officer bei Mondi Group erworben hat​​​​.

In ihrer vorherigen Position bei Mondi Group, wo sie elf Jahre tätig war, war Praeceptor für die Kostenoptimierung und nachhaltige Entwicklung von über 18.000 Lieferanten verantwortlich. Ihre Karriere umfasst außerdem leitende Positionen bei Lafarge und Philips Industries, wo sie in der Lieferkettenverwaltung tätig war​​​​.

Geboren in Wien, wuchs Praeceptor in Kanada und Italien auf und spricht fließend Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch. Neben ihrer beruflichen Laufbahn engagiert sie sich seit Jahren für mehr Diversität und Inklusion in Unternehmen. Sie war unter anderem Mentorin bei Teach For Austria und engagiert sich bei WoMentoring sowie TheFemaleFactor, Organisationen zur Förderung von Frauen in der Arbeitswelt​​​​.

Praeceptors Ziele bei Greiner Packaging umfassen die Fortsetzung des internationalen Wachstums und die Fokussierung auf nachhaltige Transformation. Sie betont die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext und sieht es als ihre Verantwortung, zu einer umweltfreundlicheren Zukunft beizutragen​​.

Beatrix Praeceptor, CEO von Greiner Packaging
Beatrix Praeceptor, CEO von Greiner Packaging - © Matthias Heschl
Es herrschte das Verständnis, dass der Vorgesetzte quasi allmächtig war.

Kultur der offenen Kommunikation und des Wissensaustauschs

Praeceptor beschreibt einen signifikanten Wandel in der Rolle von Führungskräften im Vergleich zu früheren Zeiten. „Als ich begann, wurde von Führungskräften erwartet, dass sie alles wissen und alles können“, erinnert sich Praeceptor. „Im schlimmsten Fall ging man zum Chef und fragte nach. Es herrschte das Verständnis, dass der Vorgesetzte quasi allmächtig war.“ Diese traditionelle Vorstellung von Führungskräften als allwissende Autoritäten hat sich jedoch drastisch verändert.

In der heutigen Geschäftswelt ist es für Führungskräfte zunehmend wichtiger, verschiedene Quellen von Wissen und Daten zu nutzen. Praeceptor betont, dass es nicht mehr nur darum geht, über umfangreiche Kenntnisse zu verfügen, sondern vielmehr darum, wie man sicherstellt, dass das richtige Wissen zur richtigen Zeit verfügbar ist. „Es ist entscheidend, dass je nachdem, was ich gerade brauche, ich die richtigen Leute mit dem richtigen Wissen schnell dazu bringe, gut miteinander zu funktionieren“, erklärt sie.

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Diese Veränderung erfordert von Führungskräften ein hohes Maß an Flexibilität und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Anstatt alle Antworten selbst zu kennen, müssen sie in der Lage sein, Experten zusammenzubringen und deren kollektive Intelligenz zu nutzen. Diese neue Anforderung stellt hohe Ansprüche an die Kommunikations- und Teamfähigkeiten von Managern und Managerinnen. Die Fähigkeit, Netzwerke innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu nutzen, wird immer wichtiger. Dies bedeutet, dass Führungskräfte nicht nur interne Ressourcen optimal einsetzen, sondern auch externe Experten und Informationen einbeziehen müssen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Praeceptor sieht in dieser Entwicklung eine positive Veränderung, die das Potenzial hat, Unternehmen agiler und innovativer zu machen.

Greiner Packaging setzt diese Erkenntnisse in der Praxis um, indem das Unternehmen auf eine Kultur der offenen Kommunikation und des Wissensaustauschs setzt. Die Fähigkeit, schnell und effektiv auf veränderte Anforderungen zu reagieren, wird als zentrale Kompetenz gefördert. Die moderne Führungskraft muss dennoch mehr als ein Wissensvermittler und -koordinator sein. „Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Wissen frei fließen kann und in dem die richtigen Personen zur richtigen Zeit zusammenkommen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln.“

Zuhören und versuchen zu verstehen, wo jeder steht und warum jemand diese Meinung hat, ist ganz wichtig.

Globales Wachstum erfordert globales Denken

Dabei betont sie insbesondere die Bedeutung von Offenheit und Vielfalt. „Ich denke, Offenheit für Vielfalt ist entscheidend“, erklärt Praeceptor. „Eine der größten Gefahren, die wir vermeiden müssen, ist eine zu homogene, 'biotopische' Unternehmenskultur.“ Dabei spricht sie aus eigener Erfahrung: Nach einer langen Karriere in einem globalen Unternehmen in einem Team aus 17 verschiedenen Nationen arbeitet sie nun im Headquarter von Greiner Packaging in Oberösterreich, das überwiegend von Österreichern, meist sogar Oberösterreichern, besetzt ist. Praeceptor betont, dass eine vielfältige Zusammensetzung des Teams unerlässlich ist, um die Komplexität und Vielfalt der globalen Herausforderungen zu verstehen. „Wie soll man ein globales Unternehmen leiten, wenn man alles mit der Brille aus dem Kremstal betrachtet? Wie sollen wir die Vielfalt der Probleme verstehen, wenn wir alles nur aus einer Perspektive betrachten?“, fragt sie rhetorisch. Unterschiedliche Persönlichkeiten, Backgrounds und Zugänge bringen wertvolle Perspektiven und Ideen ein, die für innovative und effektive Lösungen notwendig sind.

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Globales Wachstum in der Industrie erfordert globales Denken, da Märkte, Lieferketten und technologische Entwicklungen international vernetzt sind. Unternehmen müssen die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in verschiedenen Ländern verstehen und berücksichtigen, um erfolgreich zu expandieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Zudem ermöglicht globales Denken den Zugang zu einer breiteren Palette von Ressourcen und Talenten, fördert Innovationen durch den Austausch von Ideen über Grenzen hinweg und verbessert die Resilienz gegenüber regionalen wirtschaftlichen Schwankungen. Ohne eine internationale Perspektive riskieren Unternehmen, Chancen zu verpassen und ineffizient auf globale Herausforderungen zu reagieren.

Führungskräfte müssen nicht nur offen für diese Vielfalt sein, sondern auch die Fähigkeit besitzen, diese unterschiedlichen Beiträge zu managen. „Man muss sicherstellen, dass alle ihr Bestes an den Tisch bringen können“, sagt Praeceptor. Dies erfordert Sensibilität, Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, ein integratives Umfeld zu schaffen, in dem jede Stimme gehört wird und jedes Talent zur Geltung kommt. Zusätzlich zu dieser Offenheit für Vielfalt sind weitere Eigenschaften wie Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und strategisches Denken wichtig. Führungskräfte müssen in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren und ihre Strategien entsprechend anzupassen. Dies beinhaltet auch, stets am Puls der Zeit zu bleiben und neue Entwicklungen und Trends zu erkennen.

Beatrix Praeceptor auf der Bühne des Industriekongress (Mitte)

- © Matthias Heschl

Klare und authentische Kommunikation

Sie betont die Notwendigkeit, in einer Zeit der Informationsüberflutung und schnellen Veränderungen klar und authentisch zu kommunizieren. „Es gibt ganz viele Informationen, denen wir ausgesetzt sind, und in der Geschwindigkeit, in der Daten und Optionen auf uns einströmen, fühlen sich viele Menschen überfordert", erläutert Praeceptor. In diesem Kontext ist es entscheidend, zuzuhören und zu verstehen, warum Menschen unterschiedliche Meinungen vertreten. „Zuhören und versuchen zu verstehen, wo jeder steht und warum jemand diese Meinung hat, ist ganz wichtig.“ Für Greiner Packaging ist es essenziell, in diesem Umfeld eine klare Linie zu finden und diese auch zu kommunizieren. „Man muss einen Punkt finden, an dem man sagt: Das ist der Weg, den wir gemeinsam gehen“, so Praeceptor. Diese Klarheit schafft Vertrauen, indem sie sicherstellt, dass das Unternehmen das, was es sagt, auch tatsächlich umsetzt.

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Praeceptor spricht aus eigener Erfahrung, wenn sie die Herausforderungen beschreibt, die durch unterschiedliche persönliche Einstellungen, etwa während der Corona-Pandemie, entstehen. „Ich hatte zwei wirklich schwierige Führungssituationen in meiner Karriere. Eine war der Umgang mit Ukrainern und Russen im selben Team in Österreich. Die andere war während der Corona-Zeit, als Mitarbeiter mit unterschiedlichen Einstellungen zu Impfungen und der Pandemie im gleichen Unternehmen zusammenarbeiten mussten.“ Der Schlüssel, so Praeceptor, liegt im Gespräch und im Versuch, die Perspektiven der anderen zu verstehen, selbst wenn diese den eigenen Werten widersprechen. „Es ist wirklich schwierig, vor allem wenn es gegen die persönlichen Werte geht, aber man muss versuchen zu verstehen, wieso die andere Person so denkt und ein gewisses Verständnis dafür entwickeln.“

In besonders heiklen Situationen kann es notwendig sein, bestimmte Themen auszuklammern, um die Arbeitsatmosphäre zu erhalten. „Beim politischen Thema habe ich klar gesagt, dass das bei uns keinen Platz hat. Wir haben vorher gut zusammengearbeitet und werden es auch in Zukunft tun, ohne über dieses Thema zu diskutieren.“