Emissionen : CO2-Zertifikate: „Unternehmen müssen Billiganbieter hinterfragen“

Niclas Schmiedmaier, CEO des Social Enterprise Helioz, mit dem Produkt WADI.
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Herr Schmiedmaier, die meisten unserer Leser wissen wohl bereits, dass Unternehmen mit CO2-Zertifikaten ihre eigenen Emissionen sozusagen wettmachen wollen. Aber wie finden
Betriebe überhaupt Anbieter von Zertifikaten?


Niclas Schmiedmaier:
Meist finden Unternehmen Zertifikate über Partner für CO2-Berechnungen und Plattformen, die Zertifikate anbieten. Oft werden diese CO2-Zertifikate von Zwischenhändlern verkauft – hier besteht die Gefahr, dass mit den erworbenen Zertifikaten Profit anstatt Impact geschaffen wird. Leider gibt es noch viel zu selten Unternehmen, die Zertifikate direkt beim Projektentwickler kaufen, so wie Helioz einer ist.

Worin unterscheidet sich denn der Impact, wenn ein Unternehmen CO2-Zertifikate von Helioz anstelle eines anderen Anbieters kauft – eingespartes CO2 ist es doch in beiden Fällen?


Schmiedmaier:
Helioz garantiert einen echten sozialen Impact, der auch transparent ist. Unsere Zertifikate kommen direkt aus von uns entwickelten Klimaprojekten. Wir können tatsächlich sagen, wo das Zertifikat herkommt, was in diesen Projekten alles passiert und welchen Mehrwert der Erwerb für ein Unternehmen hat. Wir sind den gesamten Weg bis zur Einsparung gegangen: Wir haben das Projekt entwickelt, umgesetzt, die CO2-Reduktion erhoben und somit spürbare Verbesserungen für die Menschen geschaffen. Bei uns bekommt man alles aus einer Hand, so werden das Geld und die Zeit dort investiert, wo es am dringendsten gebraucht wird: Bei den Menschen.

Wie sehen die Klimaprojekte von Helioz aus?


Schmiedmaier:
Wir führen in Ländern des globalen Südens Trinkwasserprojekte mit unserer eigenen Technologie „WADI“ durch. WADI ist ein kleines Gerät, das neben transparente Flaschen gelegt wird, die mit Wasser befüllt sind, und durch ein Smiley anzeigt, wann das Wasser durch die Sonneneinstrahlung desinfiziert und trinkbar ist. Wir stellen den Menschen im Rahmen unserer Projekte WADI kostenlos zur Verfügung, gemeinsam mit Trainings und Community-Aktivitäten.

WADI ersetzt die gängige Praxis des Wasserabkochens mit Feuerholz. Das führt zu erheblichen Einsparungen: konkret 125.000 Tonnen CO2 pro Jahr.

Die Projekte werden durch unsere daraus resultierenden CO2-Zertifikate finanziert. Davon profitieren 355.000 Menschen in 71.000 Haushalten in Ländern wie Bangladesch, Indien und Uganda. Den Grundstein für die heutige Firma Helioz hat unser Gründer Martin Wesian vor mehr als zehn Jahren gelegt, als er auf einer Reise nach Südamerika an Cholera erkrankte. Mit Motivation, eine bessere Lösung für sauberes Trinkwasser zu finden, entwickelte er das erste WADI.

Niclas Schmiedmaier, CEO des Social Enterprise Helioz, spricht im Interview mit dem Industriemagazin über CO2-Zertifikate.
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"CO2-Emissionen sollten global betrachtet werden. Jede Initiative, die zu einer Reduzierung von Emissionen führt, sollten wir unterstützen."
Niclas Schmiedmaier

Sourcing von CO2-Zertifikaten und hoher Preisdruck

Der Impact ist also ein ganz anderer als bei vielen anderen Zertifikaten. Aber sind die meisten Unternehmen nicht in erster Linie an kostengünstigen Zertifikaten interessiert?

Schmiedmaier:
Beim Erwerb von CO2-Zertifikaten sollte immer der Impact und nicht der Zertifikatspreis im Fokus liegen, sonst ist es einfach eine klare Augenauswischerei. Die kritische Auseinandersetzung mit den Themen Nachhaltigkeit und CO2-Fußabdruck ist für Unternehmen unumgänglich. Wir beobachten, dass teils schon eigene Abteilungen gegründet werden, die sich mit dem Thema Sourcing von Zertifikaten beschäftigen. Das führt dazu, dass die Nachfrage von qualitativ hochwertigen Zertifikaten im Gegensatz zu Dumping-Zertifikaten wächst. Diese Entwicklung begrüßen wir sehr.

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Wie kommt es überhaupt zu den Dumpingpreisen auf dem Zertifikate-Markt?

Schmiedmaier:
Leider sind viele Zertifikate am Markt sehr alt und zu einer Zeit entstanden, in denen Richtlinien zur Zertifizierung weitaus weniger streng oder gar nicht vorhanden waren. Dadurch entstanden Zertifikate nicht nur sehr billig, sondern hatten oft nur fragwürdigen tatsächlichen Impact.

Bedauerlicherweise haben Unternehmen auch noch viel zu oft einen rein kommerziellen Zugang zu CO2-Kompensation, der zu hohem Preisdruck auf dem Markt führt. Wie so häufig gilt auch hier, was sehr preisgünstig ist, sollte man als Unternehmen hinterfragen. Wir fordern daher strengere Vorgaben für den freiwilligen CO2-Kompensationsmarkt – damit nur CO2-Zertifikate zugelassen werden, die richtigen Impact schaffen.

"Die Nachfrage von qualitativ hochwertigen Zertifikaten im Gegensatz zu Dumping-Zertifikaten wächst."
Niclas Schmiedmaier

Das WADI kann an einer Wasserflasche angebracht werden und zeigt an, wann das Wasser durch die Sonneneinstrahlung desinfiziert und trinkbar ist.

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Allerdings könnte ein Unternehmen auch einen echten Impact leisten, indem es gar nicht auf Zertifikate zurückgreifen muss, sondern seine Emissionen tatsächlich reduziert. Hält der Erwerb von Zertifikaten nicht auf gewisse Art davon ab, sich selbst um eine CO2-Reduktion zu bemühen?

Schmiedmaier:
Wichtig ist, und das wollen wir bei Helioz stark betonen, dass der Erwerb von CO2-Zertifikaten erst der letzte Schritt in einem Fahrplan zum nachhaltigen Unternehmen ist. Erst wenn der CO2-Fußabdruck detailliert erhoben ist und alle Maßnahmen zur Reduktion des Ausstoßes gesetzt werden, kommen wir ins Spiel.

Tatsache ist allerdings auch, dass viele Emissionen im Gesamtbild eines Unternehmens zum Beispiel aus technischen Gründen noch nicht reduziert werden können. Hier möchten wir mit unserer Arbeit CO2 einsparen und darüber hinaus tatsächlich zu einer besseren Lebenssituation vieler Menschen beitragen, indem wir transparente Zertifikate zu einer weltweiten Emissionsreduktion anbieten.

Werfen Kritiker vom Zertifikate-Handel also Anbieter zu sehr in einen Topf?


Schmiedmaier:
CO2-Emissionen sollten global betrachtet werden. Jede Initiative, die zu einer Reduzierung von zukünftigen Emissionen führt oder die eine Bindung von vorhandenem CO2 bewirkt, sollten wir unterstützen. Auch fördert jede Art von „Druck“ von Endkunden auf Produzenten und Händler das unternehmerische Umdenken und unterstützt solche Initiativen.

Zudem muss gesagt sein, dass hochwertige und transparente Klimaprojekte das Leben vieler Menschen maßgeblich verbessern. Das richtige CO2-Zertifikat bewirkt somit durchaus weitreichenden sozialen Impact. Wie bei allen Produkten, muss man auch im CO2-Zertifikatserwerb darauf achten, wo und was gekauft wird. Wir empfehlen immer direkt beim Projektanbieter die CO2-Zertifikate zu erwerben, da so der meiste Erlös direkt in die Projekte fließt.