Europa war in den vergangenen fünfzig Jahren vor allem Endkunde für Halbleiter. Doch lange Lieferzeiten angesichts einer dramatischen Steigerung des Bedarfs – Stichwort Digitalisierung – haben die Forderung, Europa wieder zum bedeutenden Produktionsstandort für Chips zu machen, laut werden lassen. Sabine Herlitschka, Vorstandschefin von Infineon Technologies Austria, hat genau diese Forderung erst im April wiederholt. Das Unternehmen, einer der Marktführer im Bereich für Halbleiter in der Automobilidungstrie hat erst 2021 mit Investitionen von rund 1,6 Mrd. Euro eine neue energieeffiziente vollautomatische Fabrik am Standort in Kärnten in Betrieb genommen.
Doch mit dem Aufbau von Kapazitäten in Europa steigt auch der lokale Wettbewerb. Viele Nicht-europäische Unternehmen setzen auf lokale Produktion am europäischen Markt. So kündigt der japanische Halbleiterspezialist Rohm Semicondutors an, man wolle einer der großen Player in Europa werden – die Kunden Rohms: Die europäische Automobilindustrie. Dem ebenfalls wichtigsten Umsatzbringer von Infineon. Dabei hat das japanische Unternehmen einen großen Vorteil, der den Weg an die Spitze erleichtern könnte. Die eigene tiefe Wertschöpfung sorgt für eine stabile Belieferung der Kunden. Rohm produziert Siliziumkarbid (SiC), das Chipmaterial der Zukunft, in einer eigenen Fabrik der Tochter SiCrystal in Nürnberg.
Mit Halbleitern aus SiC verbrauchen Elektroautos weniger Strom, daher ist der Rohstoff weltweit knapp und begehrt. Damit haben man sich schon lange vor den derzeitigen Problemen in der Lieferkette erfolgreich positioniert. Zum Teil müssen Kunden der Halbleiterhersteller weltweit bis zu zwei Jahre auf ihre Bestellungen warten. Bei Rohm betrage die Lieferfrist derzeit zwischen vier und sechs Monate.
Infineon scheiterte bislang am Einstieg in dieses Geschäft. 2017 wollte man ebenfalls einen SiC-Produzenten übernehmen, den US-Konzern Wolfspeed. Die amerikanischen Behörden untersagten den Deal mit Verweis auf die nationale Sicherheit. Rohm war weitsichtiger und hat SiCrystal bereits im Jahr 2009 von Siemens gekauft.Doch das ist noch nicht alles: Rohm bezieht nur zehn Prozent seiner Chips von Auftragsfertigern. Infineon dagegen lässt rund dreißig Prozent aller Bauelemente von Zulieferern produzieren. Das ist seit Längerem hinderlich, weil diese sogenannten Foundries in Fernost die Auftragsflut nicht mehr bewältigen können, lange Lieferzeiten sind die Folge.Aus diesem Grund bemühen sich sowohl Europa als auch die USA, die Mikrochip-Produktion anzukurbeln, was schon jetzt zu einem massiven und für manche Unternehmen bedrohenden Wettbewerb führt.
Mit einem ambitionierten Subventionsprogramm von 43 Milliarden Euro plant die Europäische Union den globalen Marktanteil Europas in der Halbleiterproduktion bis 2030 auf 20 Prozent hochschrauben. Im globalen Vergleich und Playern wie China, die in den nächsten Jahren 150 Milliarden Dollar investieren werden, spielt Österreich keine große Rolle.
Experten sind kritisch und sagen, dass es in Österreich in Zukunft kein Mega-Werk geben wird. Man müsse sich eher mit der Position des Zulieferlandes für die Halbleiterindustrie zufrieden geben.